Seit ich »Supernatural« gucke, weiß ich, dass ich auf heiße Knacktypen stehe. Nicht umsonst hängt an meiner Magnetwand ein Magnet der beiden töften Jungs, auf dem sie, meiner Frau nach zu urteilen, die Unterwäsche ein kleines Bisschen zu weit nach unten ziehen. Aber wer kann es den beiden verübeln? Bei so einem Knutschmund würde ich auch alles an Kleidung wegziehen, die ihn verdecken könnte. Auch wenn die Distanz zwischen Knutschmund und Unterhose natürlich recht groß ist. Aber sicher ist sicher. Und zudem werden dadurch ja auch noch die Waschbrettbäuche freigelegt, auf denen jedes gewaschene Unterhöschen auch nach mehrmaligem Abreiben stets ein kleines Bisschen feucht bleibt.
Mit dieser Einstellung betrat ich eines Tages den Nintendo eShop und suchte nach neuer Spielekost, die von meinem lüsternen Schlund verschlungen werden konnte. Natürlich schaut man in dieser Situation zunächst nach dem Genre der »Visual Novels«, da man in diesem in der Regel immer genau dann fündig wird, wenn die Lust Lust bekommt. So auch dieses Mal. »Pub Encounter«. Ein gerade so volljähriges Mädchen betritt eine Bar voller mindestens zweimal so volljähriger Männer und kann sich den besten von ihnen aussuchen, um mit ihm heiße Abenteuer zu erleben.
Und was waren das nicht alles für Abenteuer? Abenteuer voller Erotik. Voller Lust. Voller Sex. Und auch voller Unterdrückung, Vergewaltigung, Gewalt, Tränen und Schmerz. »Pub Encounter« steckt voller Probleme, wird immer wieder unangenehm und hat es mir nicht leicht gemacht, es zu beenden.
Doch zunächst ein Absatz über die Struktur des Spiels, damit ich mich im Anschluss wieder meinem Gefühlschaos widmen kann. Als junge Frau betritt man eine Bar voller älterer Herrschaften. In einem Prolog stellen sie sich einem vor. Anschließend kann man wählen, wem man sich hingeben möchte. Mit jedem Mann verbringt man acht normale und ein finales Kapitel, das je nachdem, wie gut die eigenen Entscheidungen dem Angehimmelten gefallen haben, das gute oder gar das beste Ende genannt wird. Grundsätzlich ist das alles. Man liest sich durch die Geschichte, trifft pro Kapitel vielleicht drei oder vier eigene Entscheidungen und am Ende schaut man, welches Ende man serviert bekommt. Die Entscheidungen wirken sich lediglich auf das letzte Kapitel aus. Die Geschichte nimmt keine Abzweigungen. Lediglich die drei oder vier der Entscheidung folgenden Dialogzeilen sind anders. Ab dann läuft man wieder den vom Spiel vorgeschriebenen Bahnen hinterher.
Das ist nicht schlimm. Zumindest empfand ich das so. Ich wollte keine verschachtelten Geschichten. Ich wollte die Männer kennenlernen, die sich da in der Bar namens »Audire« trafen. Und das gelingt dem Spiel. Am Ende hat man ein sehr gutes Bild von ihnen.
Mamoru Arashiro zum Beispiel zwingt die Protagonistin gerne mal zum Sex. Wenn sie sagt, er solle aufhören, macht er weiter und fragt voller Erregung: »Willst du wirklich, dass ich aufhöre?« Das geht so lange weiter, bis Shiori, so heißt die Protagonistin, wenn man sie nicht nach zwei Kapiteln in »Frank Zander« umbenennt, nur noch Gestöhne von sich geben und Mamoru zufrieden sein Werk fortsetzen kann. Dieses Schauspiel wiederholt sich immer und immer wieder. Shiori ist Mamorus Verhalten unangenehm, er sieht das als Motivation oder Bestätigung oder was auch immer und macht weiter. Die anderen Männer in der Bar wissen, wie er sich verhält, unternehmen aber nichts. Sie wundern sich lieber, warum Shiori sich das gefallen lässt. Keine Unterstützung. Keine Hilfe. Kein gar nichts. Das ist problematisch.
Es kommt hin und wieder vor, dass Shiori nach dem Sex mit bestimmten Charakteren am nächsten Tag vor Schmerzen in der Beckenregion nicht mehr richtig gehen kann. Würde das Spiel klar und deutlich zeigen, dass sie auf eine solche Härte steht, wäre das kein großes Problem. Kombiniert man ihre Schmerzen aber mit den Schilderungen aus dem vorangegangenen Absatz, wird das ungute Gefühl in der Magengegend nicht besser.
Dabei hätte das alles so schön sein können. Hin und wieder gelingt es »Pub Encounter«, eine angenehme Atmosphäre zu erschaffen. Nicht jeder Mann im Spiel ist ein Vergewaltiger oder Unterdrücker. Manche sind sympathisch, manche erleben interessante Geschichten. Es geht um Stalker, den Umgang mit Verlust, den Umgang mit Ängsten, um Geschwister, um die eigene Firma und darum, das Leben als Krimineller hinter sich zu lassen. Ganz ehrlich: Würde sich in »Pub Encounter« nicht immer wieder alles um Gewalt und Sex drehen, würde ich es an dieser Stelle als gutes Spiel bezeichnen.
Blendet man den Sex aus, bleibt eine Bar zurück, deren Stammkunden mir ans Herz gewachsen sind. Egal, mit wem man sich abgibt, man erhält immer wieder interessante Informationen über die anwesenden Herrschaften. Man erhält Informationen über den Lieblingsautoren des Einen, wundert sich plötzlich nicht mehr über den Spaß am Kochen des Anderen. Es ist wie »Und täglich grüßt das Murmeltier«, man springt immer wieder zum Tag des ersten Besuchs in der Bar zurück, lässt sich diesmal aber auf jemand anderes ein. Man lernt Menschen kennen, lacht mit ihnen, lacht über sie, unterstützt sie, hört ihnen zu, bedauert sie und leidet mit ihnen. In den schönen Momenten in »Pub Encounter« merkt man, was für ein faszinierender Ort dieses »Audire« sein kann. Wie spannend es sein kann, andere Menschen kennenzulernen. Ihnen zuzuhören. Ihnen eine Chance zu geben.
Und dann hört man sie plötzlich wieder. Shioris Schreie. Man erinnert sich an die Schmerzen. Wie es »Pub Encounter« nicht gelingt, das Verhalten der anwesenden Männer ernsthaft zu kritisieren. Oder auch nur zu hinterfragen. Shiori gelingt es nicht, sich durchzusetzen. Eher ist es das Ziel der Spieler*innen, sich den Männern unterzuordnen und ihnen zu gefallen. Ich würde »Pub Encounter« wahnsinnig gerne mögen. Einerseits natürlich auf eine ironische Art und Weise. Manchmal liest es sich wie eine Geschichte von Rosamunde Pilcher. Es trägt sehr dick auf. Die Charaktere verhalten sich unlogisch. Die Dialoge sind schnulzig. Ein Mann leckt Shiori tatsächlich nicht nur die Tränen vom Gesicht, sondern sogar aus den Augen! Natürlich ist das Kitsch. Aber ich habe nichts gegen Kitsch. Ich gucke Wrestling! Aber gleichzeitig würde ich »Pub Encounter« gerne auch auf eine ehrliche Art und Weise mögen. Weil es mir Spaß gemacht hat. Weil es mir trotz Sozialphobie gezeigt hat, dass es schön und aufschlussreich sein kann, mit anderen Menschen zu reden und sie kennenzulernen.
Aber ich kann es nicht. Weil der bittere Beigeschmack zu bitter ist, um ihn einfach runterzuschlucken und zu ignorieren. So viel Mundwasser bekomme ich leider nicht in meinen Mund. Er ist da. Und er bleibt da.