Herzhafte Edelpandemie (1 Bild – 500 Worte)

Auf dem Weg zum Zahnarzt gehen mir immer viele Gedanken durch den Kopf. Meistens denke ich an Essen. Vor einem Zahnarztbesuch sollte man bekanntlich keine Nahrung zu sich nehmen und wenn ich nichts esse, habe ich hunger. So einfach ist das.

Als ich in genau diesem Moment des Hungerleidens eine Packung »Herzhafte Edelsalami« mit der Rückseite nach oben auf dem Boden vor mir liegen sah, schenkte ich dieser sofort meine Aufmerksamkeit. Ich bearbeitete sie ein wenig mit den Füßen, um sie umzudrehen, ohne sie mit den Händen anzufassen, weil es mich brennend interessierte, ob die Packung voll oder leer war. Eine Salamipackung mit den Füßen umzudrehen ist übrigens kein leichtes Unterfangen, aber die Neugier muss gestillt werden.

Ich stellte fest, dass die Packung leer war. Ich möchte an dieser Stelle nicht behaupten, deswegen enttäuscht gewesen zu sein, weil dadurch der Eindruck entstehen könnte, ich hätte mich umgehend über den Inhalt hergemacht, wäre er noch vorhanden gewesen. Ich beschloss, die leere Packung liegen zu lassen, da Umweltschutz natürlich eigentlich ganz in Ordnung ist, aber ich kann mich ja nicht um alles kümmern, schließlich muss ich zum Zahnarzt.

Wenige Schritte später sah ich eine schwarze FFP2-Maske auf dem Boden liegen.

Ich erinnerte mich an den Tag, an dem ich mir eine Portion Pommes am Bahnhof gekauft hatte, um sie genüsslich zu verspeisen. Pommes auf die Gabel, Pommes in den Ketchup, Pommes in den Mund. Eigentlich ein einfaches Unterfangen. Es sei denn, man hat sich mittlerweile so sehr an das Tragen von FFP2-Masken gewöhnt, dass man vergessen hat, sich zuvor mit einer solchen bekleidet zu haben. Ich rammte mir eine Portion mit Ketchup beladener Pommes an die, natürlich weiße, Maske.

Zuerst sah ich mich um. Hatte man mich beobachtet? Nein. Niemand da. Es war spät am Abend, der Bahnsteig war leer, ich war alleine. Glück gehabt. Die Chance, als Protagonist eines Fail-Videos auf YouTube zu landen, war gering. Die Maske roch unangenehm nach Ketchup. Ich nahm sie ab und schaute sie mir an. Es sah so aus, als hätte ich so stark aus dem Mund geblutet, dass das Blut vorne aus der Maske ausgetreten war. Kurz überlegte ich, den Menschen im Zug einen Schrecken einzujagen, entschied mich letztendlich jedoch dagegen und warf die Maske in den Müll. Ich hatte noch eine Ersatzmaske dabei. Zuletzt aß ich meine Pommes, diesmal aber ohne Maske.

War hier, auf dem Weg zum Zahnarzt, etwas Vergleichbares geschehen? Hatte ein Mensch so großen Hunger gehabt, dass er kurzerhand eine Salamipackung aufgerissen und ihren vollständigen Inhalt in die Hand genommen hatte, um sich damit zu sättigen? Hatte er sich anschließend den Stapel der herzhaften Edelscheiben an die Maske geschmiert und diese daraufhin wutentbrannt zu Boden geworfen? Oder hatte er sich erst die Maske vom Kopf gezogen und anschließend die Packung aufgerissen? Zwischen Maske und Packung lagen nur wenige Meter. Was zuerst den Boden berührte, ließ sich leider nicht feststellen. Dennoch mussten beide Objekte irgendwie zusammenhängen.

Wenigstens hatte ich jetzt etwas, worüber ich nachdenken konnte, während ich hungrig zum Zahnarzt ging.

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