Genürsel 2013 – 17/52 – Verkleidung

Genürsel 2013 - 17/52 - Verkleidung

Das letzte Mal, dass ich mich verkleidet habe, liegt etwa ein Jahr zurück. Der Grund dafür war das Bewerbungsgespräch für einen Bürojob. Gute Hose, gute Schuhe, gutes Hemd, all das, was man im Allgemeinen so anzieht, um oberflächlich einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wie immer fühlte ich mich nicht wohl in dieser Verkleidung. Sie war unbequem und unnatürlich.

Ich bin ein Verfechter weiter Kleidungsstücke. Meine Hosen kaufe ich zum Beispiel immer in einer Größe beziehungsweise Weite, die nicht für meinen Körperbau gedacht ist. Als ich einmal während dem Hosenkauf von einer Verkäuferin entdeckt wurde und diese sich dazu berufen fühlte, mich zu beraten, musste ich fast schon darum kämpfen, die Hose zu bekommen, die ich für mich ausgesucht hatte. Man versicherte mir, die Wunschhose sei zu weit für mich und würde nicht passen. Ich sagte, dass das Absicht sei und verwies auf ein technisch ziemlich fortschrittliches Gerät namens Gürtel, mit dem ich Hosen im Allgemeinen vor dem Herunterrutschen bewahren konnte. Man verstand mich nicht und gab mir eine engere Hose. Ich blieb hartnäckig. Am Ende bekam ich zwar das gewünschte Kleidungsstück, seit diesem Tag mache ich beim Kleidungskauf jedoch einen großen Bogen um Berater.

Ich kann Kleidung, die ich nicht mag, nicht leiden. So. Da habe ich es gesagt. Enge Jeans? Oder allgemeiner: Enge Hosen? Warum sollte ich so etwas tragen? Ich fühle mich nicht wohl in engen Klamotten. Außerdem brauche ich Hosentaschen. Ganz, ganz viele. Überall. Ohne Seitentaschen wäre ich aufgeschmissen. Das Erste, was mir an meinen Hosen kaputt geht, sind die Taschen. Na gut, das stimmt nicht. Zuerst zerreiße ich mir die unteren Bereiche der Hosenbeine, weil meine Hosen wie bereits gesagt zu groß sind und ich deswegen unten drauftrete. Aber das Problem erledigt sich zum Glück Reißgeräusche produzierend irgendwann von selbst. Meine Taschen jedenfalls müssen im Laufe ihres Lebens sehr viel mitmachen. Das beziehe ich nicht nur auf Hosentaschen. Meine Jackentaschen haben da eine ganz eigene Geschichte zu erzählen.

Jedenfalls gibt es einen ganz bestimmten Typ Hose, den ich mag. Und bevor jetzt jemand weint und / oder schreit: Das heißt nicht, dass ich anderen Menschen verbieten will, von meinem Kleidungsgeschmack abweichendes zu tragen. Warum sollte ich das? Ich bin der Meinung, dass jeder das tragen sollte, was er mag und bequem findet. Um ehrlich zu sein gibt es nur wenige Dinge auf dieser Welt, die mir egaler sind als die Kleidung meiner Mitmenschen. Wenn mich jemand fragt, wie mir seine neue Hose gefällt, dann sage ich am liebsten: “Wow! Toll! Eine Hose!” und wende mich gelangweilt wichtigeren Dingen zu. Das wirkt auf manche Menschen enttäuschend. Die wollen nach solchen Fragen sehen, wie ich ganz aus dem Häuschen bin und nach Atem ringe. Leider bleibe ich lieber zu Hause.

Es wäre mir am liebsten, wenn jeder so denken würde wie ich. Lasst die Leute doch tragen was sie wollen. Bevor jetzt wieder jemand meckert: Nein, ich bin in dieser Hinsicht auch nicht perfekt. Wenn ich zum Beispiel Menschen mit grellen Pinktönen bekleidet vor mir herlaufen sehe, dann würde ich am liebsten so reagieren wie ein Klischeestier bei Rot. Aber diese Gedanken lebe ich natürlich nicht aus. Ich spreche sie auch normalerweise nicht laut aus. Wir reden hier von Geschmack. Nur, weil etwas nicht meinen Geschmack trifft, muss ich es nicht als böse hinstellen.

Ich bin nur am liebsten ich selbst und verkleide mich nicht gerne. Wenn ich an die Zeit meiner Ausbildung zurückdenke, an all die Tage mit Anzug und Krawatte, fühle ich mich schlecht. Das war ich nicht. Genauso wenig wie beim zu Beginn angesprochenen Bewerbungsgespräch. Wie soll man sich natürlich verhalten, wenn man unnatürlich verkleidet ist? Gut, in manchen Berufen wird nicht verlangt, dass sich die Mitarbeiter natürlich verhalten. Da muss man einen Anzug tragen, weil die Kunden der Meinung sind, dass nur jemand mit Anzug ihnen ein teures Auto verkaufen kann und das Auto ohne einen solchen Anzugträger nicht so gut ist wie mit.

Ich habe das selbst erlebt. Einmal saß ich im Einkauf einer Firma und bekam von meinem Vorgesetzten zu hören, dass ich mich feiner anziehen sollte. Schließlich konnte jederzeit ein Kunde das Büro betreten. Ein Kunde, von dem wir etwas kaufen wollten. Ich hatte die Logik hinter der Kleidervorschrift nicht verstanden und tue es bis heute nicht. Ich hatte ein Hemd und eine ordentliche Jeans an. Aus meiner Sicht handelte es sich hier bereits um eine Verkleidung. Meinem Vorgesetzten reichte das aber noch nicht. Ich erspare mir weitere Details. Sagen wir einfach, ich wirkte dank Jeans nicht seriös genug. Nochmal: Ich saß im Einkauf. Wir verkauften nichts, wir kauften. Wir mussten keinen Eindruck schinden. Wir gaben Geld aus. Trotzdem “gehörte es sich halt so”, dass man sich fein kleidete. Auch, wenn manchmal zwei Wochen lang kein Kunde das Büro betrat und man den ganzen Tag lang nur herumtelefonierte.

Ich bin froh, dass ich momentan nicht mehr auf Verkleidungen angewiesen bin und mir angewöhnt habe, mit Ausnahme der Farben nicht mehr über meine Klamotten nachzudenken. Ich kaufe nach Bequemlichkeit. Ich denke nicht darüber nach, was andere Menschen über meinen Kleidungsstil denken könnten. Dafür ist dieser sowieso zu unauffällig.

Das größte Problem an dieser ganzen Geschichte ist, dass ich nach einem atomaren Unfall oder ähnlichen Dingen den wohl langweiligsten Superhelden aller Zeiten abgeben würde. Ich würde vermutlich im Blaumann rumrennen. Viele Taschen, bequem, reißfest. Was will man mehr?

Genürsel 2013 - 17/52 - Verkleidung

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