Wrestling

Nach meinem Kinobesuch namens “The Wrestler” fühle ich mich beinahe dazu verpflichtet, einen Text über Wrestling zu verfassen. Schließlich schaue ich immerhin dreimal die Woche Wrestlingshows, also 225 Minuten die Woche. Dazu kommen dann noch die etwa monatlich erscheinenden Großveranstaltungen. Ich kenne die Namen aller aktuellen Wrestler, habe fast 50 Wrestling-DVDs im Regal stehen, lese Wrestlingzeitschriften und -bücher und wenn ich mit einem Freund von mir, der ein mindestens genauso großer Wrestlinganhänger ist, wie ich, telefoniere, kann es eine Stunde lang auch mal nur um ein einziges Thema gehen: Wrestling. Doch wo genau liegt hier die Faszination für mich? Ich versuche mal, das zu erklären.

Zunächst ein paar Fakten: Ich gucke lediglich die Shows der WWE (World Wrestling Entertainment). Den Shows anderer Veranstalter habe ich zwar auch eine Chance gegeben, jedoch konnten diese mich nie so mitreißen, wie die der WWE. Die WWE sendet drei unterschiedliche Programme die Woche, genannt “Weeklys”. Montags RAW, Dienstags ECW und Freitags SmackDown. Durchschnittlich einmal im Monat gibt es zusätzlich zum normalen Wochenprogramm eine Großveranstaltung (PPV = Pay Per View). Diese wird immer Sonntags ausgestrahlt und die wohl bekanntesten heißen “Wrestle Mania”, “Summer Slam” und “Royal Rumble”.

Beim Wrestling (Ich betone noch einmal, dass ich mich ab jetzt nur auf die WWE beziehe!) geht es zunächst einmal darum, dass sich in der Regel zwei Personen verprügeln. Wie beim Boxen, nur ohne Handschuhe. Man schlägt aber nicht nur auf sich ein, sondern nutzt unterschiedliche Griffe, Würfe und ähnliches, um den Gegner zu schwächen und letztendlich zu “pinnen” (Der Gegner wird mit seinen Schultern für drei Sekunden auf den Ringboden gedrückt. Kann er sich nicht befreien, hat er verloren).

Dramatik kommt bei den Kämpfen vor allem aufgrund der Geschehnisse auf, die sich zuvor abgespielt haben. Hier spricht man von “Fehden”. Wrestler A hat Wrestler B beleidigt, sich bei einem vorherigen Kampf gegen Wrestler C eingemischt, wodurch B verloren hat und so weiter. Diese Geschichten sind es, die den Zuschauer am Bildschirm fesseln und ihn dazu bewegen, in der nächsten Woche wieder einzuschalten. Natürlich ist das alles nicht echt. Wrestler sind Schauspieler und es gibt wie bei anderen Fernsehserien auch Drehbücher und Skripte. Es geht aber darum, aus einem einfachen Kampf ein Großereignis zu machen. Wrestling wäre langweilig, würden lediglich Kämpfe aneinandergereiht werden. Es lebt von seinen Geschichten und von seinen Charakteren.

Die Charaktere sind ein Thema für sich, denn hier ist alles vertreten. Und damit meine ich wirklich alles. Ein zu Technomusik tanzender Bodybuilder? Ein Würmer fressender Voodoopriester? Ich könnte stundenlang so weiter machen. Neben solch übertrieben dämlichen (so muss man sie ehrlicherweise bezeichnen) gibt es aber auch ernsthafte Charaktere. Man unterscheidet zwischen einem “babyface” (ein netter Wrestler, der vom Publikum gemocht und angefeuert wird) und einem “heel” (das Gegenteil). Normalerweise sind an Fehden immer Wrestler beider Kategorien beteiligt.

Nun möchte ich mich aber mal von der Theorie hinter dem Wrestling abwenden und Richtung Praxis blicken. Denn hier beginnt der Teil, der mich so sehr beeindruck: Der Kampf. Im Grunde ist hier natürlich alles abgesprochen. Der Sieger steht schon vor dem Kampf fest und auch der größte Teil des Ablaufs wurde abgesprochen. Doch mindert dieser Umstand in keiner Weise die Anstrengungen, die ein Wrestler während eines (guten) Kampfes aufbringen muss. Jeder große Wrestler hat nach einigen Jahren viele Verletzungen durchgemacht. Hals-OPs, verknackste Rücken, Beinverletzungen und so weiter. Die Liste ist endlos. Wrestler opfern ihren eigenen Körper, um dem Publikum eine phantastische Show zu bieten.

Man muss sich nur einmal Videos zu bestimmten Griffen ansehen. Alleine eine vom Wrestler Batista ausgeführte “Powerbomb” (die sogenannte “Batistabomb”) sollte jedem Zuschauer zeigen, dass eine solche Prozedur nicht schmerzlos abläuft. Doch muss man gar nicht so in die Extremen gehen. Ein “German Surplex”, ein “Chokeslam”, ein “Pedigree”, die “Swantonbomb”, herrjeh, ich könnte ewig so weiter machen. Jede dieser Aktionen ist nichts, was ich unbedingt einmal ausprobieren möchte und man muss bedenken, dass während eines Kampfes nicht nur eine davon gezeigt wird, sondern mehrere. Ich bewundere die athletischen Fähigkeiten, die Ausdauer und den Mut eines professionellen Wrestlers der WWE.

Ja, nicht jeder Wrestler ist großartig und auch nicht jeder Kampf ist spannend und gut inszeniert aber wenn es einmal richtig los geht, dann schreie ich mit den Fans, ich lache oder fluche, ich springe auf, reiße jubelnd die Hände in die Luft oder lasse enttäuscht meinen Kopf sinken. Und das zu Hause. Leider habe ich bisher noch keine WWE Veranstaltung live miterleben dürfen, das nächste mal, wenn sie sich aber in Frankfurt blicken lassen, will ich (wenn finanziell möglich und in einem gewissen Rahmen) unbedingt dabei sein.

Das bringt mich zu den Fans. Einem ebenfalls wichtigen Thema, denn im Ring mag nicht alles “echt” sein, die Fans dagegen sind es. Sie bejubeln die “Babyfaces” und buhen die “Heels” aus. Sie rufen laut “Holy Shit”, wenn sie eine besonders aufsehenerregende Szene betrachten durften. Und sie sind es auch, die die Wrestler motivieren. Letztendlich sind diese Fans auch das große Risiko bei den Veranstaltungen. Klappt etwas nicht, machen sie sich laut bemerkbar. Es ist wie eine Zirkusveranstaltung. Die Wrestler zeigen ihre Tricks, das Publikum belohnt sie mit Reaktionen. Das System funktioniert und lässt eine atemberaubende Stimmung aufkommen. Wrestling ohne “echte” Fans würde nicht funktionieren.

Für mich ist Wrestling letztendlich das, was für viele Leute da draußen Fußball darstellt. Es ist der perfekte Sport für mich. Es ist toll anzusehen, macht Spaß, ist spannend und beeindruckt mich mehr, als ein paar rennende Ballspieler (Ich will Fußball hier nicht schlecht machen. Nur kommt es für mich eben bei Weitem nicht an Wrestling ran.). Wenn man sich darauf einlassen kann, dass alles abgesprochen ist und sich damit abfindet, beziehungsweise es ausblendet, dann ist Wrestling ein unglaubliches Erlebnis. Die mal lustigen, mal ernsten Fehden um die Kämpfe herum sorgen für zusätzliche Spannung und geben den einzelnen Kämpfen eine größere Bedeutung und Dramatik. Manchmal kann man die Geschichten mit denen einer typischen Daily Soap vergleichen (auch, wenn Wrestlingfehden qualitativ deutlich höher anzusiedeln sind). Der Unterschied ist letztendlich nur der, dass es beim Wrestling immer in einer großen Schlägerei endet.

Ich liebe es.

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