Meine Daten und die Freude

Vor einiger Zeit hatte ich Probleme mit meinen Daten. Sie gerieten in die falschen Hände und wurden von diesen für ihre niederen Zwecke missbraucht. Zwar finde ich Missbrauch an sich nicht so gut, bei meinen Daten war mir das bisher aber immer ziemlich gleichgültig. Soll man mit meinen Daten doch machen, was man möchte. Schließlich verliere ich nichts dadurch, dass andere Personen meine Daten bekommen. Ich stelle sie ja auch jedem öffentlich zur Verfügung. So ist das, wenn man eine Internetseite führt.

Aber jetzt mal ehrlich: Was sind das eigentlich für Daten, von denen panische Paranoiker immer so reden? “Ich kaufe nicht in Online-Shops ein, denn ich will denen nicht meine Daten geben!” Nun, liebe Panikverbreiter, ihr solltet vielleicht mal darüber nachdenken, dass ein Online-Shop nicht eure Daten, sondern euer Geld möchte.

Natürlich gibt es auch Firmen, die mit unseren Daten Handel treiben. Aber auch hier sehe ich kein Problem. Das Schlimmste, was passieren kann, ist der Erhalt von Werbebriefen oder -anrufen. Ein Beispiel für letztgenanntes Ereignis wäre folgender Anruf:

Sie: Schönen Guten Tag, spreche ich mit Herrn Nürsel?
Ich: Ja, am Apparat.
Sie: Herrn Stiftnürsel?
Ich: Vollkommen richtig.
Sie: Das ist ja super, dass ich sie gleich erreiche!
Ich: Ja, das dürfte auch meinen bisherigen Tageshöhepunkt darstellen.
Sie: Das ist ja fein!
Ich: Und eine Lüge.
Sie: Ich rufe im Auftrag der Firma Wurstmobil (Name frei erfunden) an.
Ich: Aha.
Sie: Sie hatten vor einiger Zeit an einem unserer Gewinnspiele teilgenommen. Erinnern sie sich?
Ich: Mhm.

Das “Mhm.” war vollkommen wertfrei gemeint. Ich war mir nämlich sicher, an keinem Gewinnspiel teilgenommen zu haben. Aber ich wollte schon gerne wissen, wie das Telefonat weitergehen würde.

Sie: Ist schon ein wenig her.

Ich: Mhm.

Ich beschloss, meine neutrale Richtung beizubehalten und während des Telefonats das Wohnzimmer aufzuräumen. Dafür war es mal wieder an der Zeit und ich dachte mir, mich auf diese Weise aus dem Langeweileloch ziehen zu können, in das mich die Anruferin gezerrt hatte.

Sie: Es ging um Netbooks.

An dieser Stelle wurde mir klar, dass ich meine “Mhm.”s wohl besser einstellen sollte, da man mich ansonsten mit weiteren Informationshäppchen bewerfen würde und ich langsam nicht mehr wusste, in welcher Hosentasche ich diese unterbringen sollte. Außerdem kann sich ein Mensch doch gar nicht so viel merken. Ich hatte zum Beispiel schon längst wieder vergessen, im Namen welcher Firma die Dame anrief.

Ich: Mhm.

Ich verfluchte mich innerlich.

Sie: Das Gewinnspiel wurde auf unserer Internetseite angeboten.

Ich verfluchte sie innerlich, ging ins Schlafzimmer, stellte mich vor den sich dort befindenden großen Spiegel, zeigte ihm den Mittelfinger und hoffte, so nicht mir, sondern der Anruferin den Mittelfinger zu zeigen. Ich sah mir meinen Mittelfinger von zwei Seiten gleichzeitig an und kam mir ein wenig albern vor. Ich ging wieder ins Wohnzimmer. Mein innerer Clownehund blieb zurück.

Ich: Mhm.
Sie: Ich habe gute Nachrichten für sie! Wir verlosen insgesamt 50 Netbooks und sie sind unter den 100 Personen gelandet, unter denen diese verlost werden.
Ich: Mhm.
Sie: Nun möchten wir aber noch schnell abgleichen, ob unsere uns vorliegenden Informationen mit den Tatsachen übereinstimmen. Sind sie damit einverstanden?
Ich: Klar, lassen sie mal hören.

Es interessierte mich wirklich, was genau diese Leute über mich wussten. Und ich war überrascht, als man mir meinen Namen, meine Anschrift, meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse nannte. Hier hatte jemand offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht. Ich war beeindruckt und besorgt zugleich, ging zurück zum Schlafzimmerspiegel und konnte anhand meiner aufgerissenen Augen erkennen, dass man mir dies auch hätte ansehen können, wenn ich der Anruferin gegenübergestanden hätte. Aber das tat ich nicht. Dies realisierend streckte ich ihr die Zunge heraus und ging wieder ins Wohnzimmer.

Ich: Ja, die Daten sind alle Korrekt, aber…

Sie: Wissen sie, es haben nämlich viele Minderjährige mitgemacht. Und darum rufen wir die Finalisten persönlich an, um alles zu überprüfen.

Ich: Mhm.

Ich bin also ein Finalist.

Sie: Aber das ist noch lange nicht alles!

Ich versuchte meine Freude in Zaum zu halten, stellte dann aber fest, dass diese von der ganzen Sache noch gar nichts mitbekommen hatte und nicht rumtollte, sondern schnarchte. Ich hob sie vom Boden auf und brachte sie ins Schlafzimmer, damit man das Schnarchen nicht mehr hörte.

Sie: Weil sie zu den 100 Finalisten gehören, bekommen sie von uns schon jetzt einen Preis. Und zwar eine Simkarte mit Flatrate für ihr Handy. Sie erhalten einen Gratismonat und können bei Nichtinteresse selbstverständlich ganz unverbindlich und überhaupt weil wir da sind und sie auch und Finalisten…

Das Chaos da oben tut mir leid. Ich gebe es zu: Ich habe nicht genau zugehört. Was interessiert mich der Handystuss einer Handytussi? Also griff ich zu einer Notlüge, um die Qualen meiner Ohren zu beenden, die lieber dem Schnarchen meiner Freude gelauscht hätten als dem Gelaber der Anruferin.

Sie: Welchen Flatratetarif möchten sie denn haben?
Ich: Zunächst hätte ich erst einmal gerne ein Handy.
Sie: Wie meinen sie das?
Ich: Ich habe kein Handy.
Sie: Sie haben kein Handy?
Ich: Nun, so ganz stimmt das natürlich nicht, doch es ist kaputt und ich könnte mit so einer Karte also gar nichts anfangen.
Sie: Wann bekommen sie denn ein Neues?
Ich: Keine Ahnung. Ich habe gerade keine Zeit, mich um so etwas zu kümmern.
Sie: Nun, weil sie es sind, bekommen sie nicht nur die Simkarte, sondern zusätzlich ein Startguthaben von 10 Euro für den zweiten Monat, der somit auch umsonst wäre.
Ich: MUSS ich diese komische Karte nehmen, wenn ich den Laptop gewinnen will?
Sie: Sie meinen das Netbook.
Ich: Natürlich.

Ich ärgerte mich darüber, dass ich dieses überlebenswichtige Detail falsch verstanden hatte.

Sie: Ob sie die Karte nehmen oder nicht, liegt ganz in ihrem Ermessen.

Ich schätzte die Wegstrecke zwischen Nutzen und Unnutzen einer nutzlosen Simkarte ab, ermaß noch ein wenig herum und kam letztendlich zu folgendem Schluss:

Ich: Dann verzichte ich. Aber danke für das Angebot.
Sie: Wenn sie meinen. Dann habe ich nur noch eine Frage: Welche Farbe soll ihr Netbook denn haben?
Ich: Welche Farben gibt es?
Sie: Weiß, schwarz, grau und Neonähnliche Farben.
Ich: Neonähnliche Farben? Welche wären denn das?
Sie: Grün, blau, rot, pink…

Natürlich weiß ich nicht mehr, welche Farben sie genannt hat. Ich kenne mich auf dem Gebiet der Laptop-, Entschuldigung, Netbookfarbpaletten nicht so aus. Was mich gerade ziemlich glücklich macht.

Ich: Dann nehme ich grün.
Sie: Wirklich?
Ich: Japp.
Sie: Das ist aber ein ziemlich knalliges Grün.
Ich: Aber das ist doch super!
Sie: Wenn sie meinen.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Anruferin etwas gegen Grün hat. Aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich wusste gar nicht mehr, warum ich noch nicht aufgelegt hatte und wollte jetzt nicht auch noch einen Streit aus Langeweile anfangen.

Sie: Gut, dann haben wir jetzt alles.
Ich: Das ist spitzenmäßig super.
Sie: Dann wünsche ich ihnen noch…
Ich: Eine Frage.
Sie: Bitte.
Ich: Wie kann ich sehen, dass ich gewonnen habe?
Sie: Oh, wir schicken ihnen dann eine E-Mail.
Ich: Aber klar.
Sie: Haben sie sonst noch Fragen?
Ich: Wann ist die Verlosung?
Sie: Ende des Monats.
Ich: Mhm
Sie: War das alles?
Ich: Klar.
Sie: Dann wünsche ich ihnen noch einen schönen Tag.
Ich: Danke. Bis denn.
Sie: Tschüs.
Ich: Ja.
Sie: Wiedersehen.

Ich legte auf, um eine endlose Verabschiedungsschleife zu vermeiden.

Stattdessen ging ich ins Schlafzimmer und weckte meine Freude. Wir gingen zusammen in die Küche und aßen einen Apfel. Danach tanzten wir eine Stunde lang um einen Elektrogrill herum und plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich der Anruferin vielleicht doch hätte sagen sollen, dass ich nie an einem Netbookgewinnspiel einer Wurstfirma teilgenommen habe. Schließlich interessiere ich mich nicht für Netbooks. Ich benutze lieber Laptops.

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