Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf der Internetseite WALL-JUMP. Ein Jahr nach der dortigen Veröffentlichung poste ich ihn auf spa-zone.de, damit er nicht irgendwann plötzlich verloren geht.
Ich habe noch nie auf einem Bauernhof leben wollen. Zunächst habe ich keine Lust darauf, mir wegen meiner Pollenallergie die Augen aus dem Schädel zu schaben. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass die Arbeit auf dem Bauernhof unglaublich anstrengend ist. Ich habe nämlich einen Garten. Und dieser macht nur Ärger.
Nein, nein. Natürlich ist Gartenarbeit wunderschön naturverbunden und das einzige Problem an ihr ist die Nachbarschaft, die sich wegen meines durch den Anblick strammer Gurken ausgelösten, lebensfrohen Geseufzes provoziert fühlt, weil sie auch gerne so ein Baumbube wäre wie ich. Ich kann doch nichts dafür, dass ich stundenlang mit meiner Gurke in der Hand durch den Garten hüpfe und währenddessen über den Gartenzaun rufe, dass alles in bester Ordnung sei.
Eines Tages dachte ich darüber nach, dass ich meine Naturliebe vielleicht besser in Videospielen ausleben sollte, da diese bekannt dafür sind, Menschen emotional zu berühren. Vielleicht würde ich dort ja meine Liebe ausleben können, um anschließend der Nachbarschaft nicht mehr mit meiner Gurke auf die Nerven zu gehen. Außerdem sind Videospiele nicht dafür bekannt, gleich die Polizei zu rufen, nur weil man mit einem Stachelbeerbusch in der Hand eine Sparkasse betritt.
Also gab ich mich den Videospielen hin, startete Stardew Valley und erkannte recht schnell, dass Videospiele nichts mit der Realität zu tun haben. Nach ein paar Stunden kann ich dieses Debakel nur schwer in Worte fassen. Ich glaube, dass ich in meinem Leben noch nie so enttäuscht wurde.
Als ich letztes Jahr damit begann, einen neuen Rasen auszusäen, war nach dem händischen Umgraben der Erde und dem finalen Aussäen vor allem eine Sache anstrengend, die in Videospielen nie Beachtung findet: das Finden von Informationen. In Videospielen wird dir genau erklärt, wie man etwas anpflanzt. In der echten Welt? Da hat man unzählige unterschiedliche Aussagen zu ein und demselben Thema. Dem Text auf der Verpackung glauben? Klar. Gerne. Leider haben wir einen merkwürdigen Lehmboden im Garten, wodurch alles anders ist. Also im Internet nachgucken. Dort erfuhr ich nicht nur, dass ich den Boden nach der Aussaat auf jeden Fall plattdrücken sollte, sondern auch, dass ich auf keinen Fall den Boden nach der Aussaat plattdrücken sollte. Außerdem erfuhr ich nach der Eingabe einiger präziser Suchanfragen, dass ich vermutlich an Krebs sterben würde, weil meine Symptome, die Bodenbeschaffenheit und das Verhältnis von Sonne und Schatten hinter dem Haus keine anderen Rückschlüsse zuließen.
Meine Hausärztin beruhigte mich zum Glück wieder, indem sie mir mitteilte, das Rasen eigentlich egal ist, was man macht, solange man das Zeug gut bewässert. Und wisst ihr, womit einen Stardew Valley ebenfalls nie konfrontiert? Mit nassen Hosen. Begießt mal mehrmals am Tag einen Rasen und setzt euch anschließend auf einen Schreibtischstuhl. Dann ist euch ganz schnell klar, wie das Wasser an und in die Gurken kommt.
Gurken sind sowieso so ein Ding, das in Videospielen noch nie vernünftig dargestellt wurde. Gurken sind nämlich Memmen. Sollten eines Tages die Tamagotchis wiederkommen und man die Wahl zwischen unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bei der Tieraufzucht haben, sollte man bei der höchsten Stufe einfach nur eine Gurke pflegen sollen. Vor zwei Jahren gingen fast alle unsere Gurken ein, weil es einmal regnete. Ich übertreibe? Glaubt, was ihr möchtet. Was ich auch gelernt habe: Gurken sollten niemals den Boden berühren, weil sie sich sofort, wenn sie auch nur ein kleines Steinchen sehen, um dieses herum bewegen möchten, was dafür sorgt, dass sie aussehen wie kleine, dicke, krumme Hufeisen für vegane Pferdefüße. Für dieses Jahr habe ich deswegen kleine Gitter aus einem alten Drahtzaun gebastelt, damit sie daran hochranken können, weil ich wirklich alles für eine hohe Chance auf gute Gurken tue.
Was mir in Stardew Valley bisher auch noch nie passiert ist: dass mein Hund den Dünger frisst. Klar, man kauft ja schon extra das Zeug, das kein Tier tötet, wenn es davon eine Nase zu viel inhaliert, aber dass man irgendwann immer mit dem Hund zusammen zum Kacken in den Garten gehen muss, um darauf zu achten, dass er nicht den Dünger frisst, ist schon eine anstrengende Sache. Vor allem, wenn man das Toilettenpapier vergisst.
»Spann doch ein Netz«, sagen jetzt bestimmt irgendwelche Leute. Klar. Ein Netz. Damit ich dann dreimal am Tag nach draußen gehen muss, um zu kontrollieren, dass keine Spatzen darin verrecken. Ich habe doch keine Zeit! Ich muss Gurkengitter bauen!
In Stardew Valley hat mir bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nie ein Marder meine Brombeeren weggefressen und mir anschließend aus Dank auf die Fußmatte vor der Haustür geschissen, wodurch ich diese jetzt in unregelmäßigen Abständen mit einem Zeug einsprühen muss, das schlimmer riecht als die Marderkacke. Aber letztendlich will man ja nicht derjenige sein, der von der Nachbarschaft böse angeguckt wird, weil die Marderhaufen auf der Fußmatte darauf hinweisen, dass man Schuld an all den zerfressenen Bremsleitungen sei. »Die Marder scheinen sich ja bei dir ja sehr wohl zu fühlen, so oft sie dir auf die Matte kacken.« Vielleicht sollte ich mal eine Marderschule eröffnen, in der Marder von Katzen die neusten Knigge-Benimmregeln beigebracht bekommen, damit sie mir von nun an Mäuse statt Kot vor die Tür schmeißen. Die kann man nämlich leichter entsorgen.
Na ja. Eigentlich will ich mir an dieser Stelle nur ein wenig den Frust von der Seele schreiben. Ich muss nämlich noch diese Woche Chilisamen kaufen, weil man diese schon bald in kleine Erdhaufen in genauso kleinen Töpfen stecken muss, damit sie im Innern des Hauses schon einmal heranwachsen können, bevor man sie dann im Sommer im Garten in die Sonne setzt. Weil Chilis ja fast so schlimme Memmen sind wie Gurken. Letztes Jahr hatte ich eine sehr magere Chilipulver-Ausbeute, weil ich meine Chili-Anzucht etwa vier Minuten zu spät begonnen hatte, wodurch die Dinger nie ihre volle Größe erreichten.
Chilis sind wie Kinder. Erst hat man sie ein paar Monate im Haus, nur um dann darauf zu warten, dass die Sonne scheint, damit man sie in den Garten setzen kann, bis sie erwachsen sind. Dann stellt man aus ihnen ein scharfes Pulver her, um mit diesem letztendlich das mit Gurkenscheiben belegte, vegane Eiweißbaguette zu würzen. Und dann wartet man auf die Erbschaft.
Videospiele und vor allem Bauernhofsimulationen sind wirklich sehr eingeschränkt. Und vielleicht ist das ja sogar ganz gut.