Hin und wieder halten Kinder meine Frau für einen Mann, weil sie kurze Haare hat und sich nicht schminkt. Gleichzeitig hält man sie gar nicht für einen Mann, sondern einen Jungen, weil sie so jung aussieht. Halten wir fest: Frauen haben lange Haare, schminken sich und sehen alt aus. Umfragen haben ergeben, dass man sich schminkt, um jünger auszusehen, als man eigentlich ist. Man schminkt sich also, um jung auszusehen, was einen alt macht. Ich verstehe dies nicht. Ich bin ein Mann, habe kurze Haare, schminke mich nicht und sehe jung aus. Außerdem habe ich überhaupt kein Interesse an Aussagen wie Geschlecht A muss sich schminken, um gut auszusehen, Geschlecht B muss dies nicht tun, um seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht nicht zu verlieren. Mein Gehirn lebt in einer Umgebung, der es egal ist, was irgendein Geschlecht macht, solange es mit dem Menschen hinter dem Geschlechtsteil gut klarkommt.
Das ist auch der Grund, warum ich diese ganze Genderdiskussion in der deutschen Sprache nicht ausstehen kann. Ist die Pluralform von Lehrer und Lehrerin nun Lehrer und Lehrerinnen oder einfach nur Lehrer? Oder Lehrende? Und wen nennt man warum zuerst? Ich glaube, dass die Menschen es sich in dieser Hinsicht mal wieder einfach zu schwer machen. Man will jeden nennen, sowohl die männlichen als auch weiblichen Teile der Bevölkerung, versucht dabei aber nicht, sie unter einen Hut zu bekommen, sondern jedem seinen eigenen Hut zu verpassen. Dabei übersieht man dann die Menschen, die sich keinem speziellen Geschlecht zugeordnet sehen. Intolerante Vollidioten sagen dann, dass diese Personen nicht normal seien. Das ist Schwachsinn. Ich bin der Meinung, dass sich jeder sein Geschlecht aussuchen darf. Weil es egal ist. Unzählige Studien beschäftigen sich mit den psychologischen Unterschieden zwischen Geschlechtern und den sogenannten Sonderformen. Um all das soll es hier aber gar nicht gehen. Mir geht es einzig und allein um die deutsche Sprache.
Neulich hatte ich zwischen zwei Seminaren an der Uni zwei Stunden Pause. Dabei entwickelte ich das perfekte, neutrale Geschlechtersystem für die deutsche Sprache. Wer wirklich für Gleichberechtigung ist, kommt an dieser Umstellung nicht vorbei. Also bitte gut aufpassen.
Zunächst einmal gibt es neben den drei Artikeln der, die, das nun noch die jeweiligen Pluralformen dere (sprich: dehre), diee (sprich: diehe) und dase (sprich: dasse). Die maskulinen und femininen Artikel vor Nomen verschwinden vollständig und werden durch “das” Ersetzt. Das Haar, das Friseur, das Schere, das Tisch, das Stuhl, das Kind, das Telefon, das Computer, das Baum. Alles ist neutral. Auch das Mann und das Frau. Mann und Frau stehen zunächst einmal nur noch für die bei der Geburt anwesenden Geschlechtsmerkmale. Betretet die Welt mit einem Penis und ihr seid ein Mann, betretet sie mit einer Vagina und ihr seid eine Frau. Aber ihr seid eben das Mann oder das Frau. Ob ihr als männlich oder weiblich angesehen werden möchtet, definiert ihr selbst über den Artikel, den ihr euch gebt. Man kann also der, die oder das Mann sein oder der, die oder das Frau. Die heutigen unterschwelligen Bedeutungen, die Mann (kurze Haare, ungeschminkt, jung) oder Frau (lange Haare, geschminkt, alt) zugeschrieben werden, müssen einer vollkommen neutralen Definition anhand der Geschlechtsteile weichen und dürfen in keiner Form mehr wertend betrachtet werden. Ob das funktioniert oder nicht hängt alleine von der Bevölkerung ab. Das mit der netten und toleranten Bevölkerung klappt zwar heute schon nicht, aber lasst und das Gedankenexperiment doch einfach ein wenig weiterspinnen. Leute, die der Meinung sind, dass Jungs mit Autos und Mädchen mit Puppen spielen müssen, weil das so ist, sollten an dieser Stelle wohl besser nicht weiterlesen, denn dieser Text wurde an einem Computer geschrieben und diese existierten bekanntlich im Mittelalter noch nicht.
Alles ist Neutral. Das Student, das Lehrer, das Professor, das Hausmeister, das Friseur. Problematisch wird es bei Begriffen wie Feuerwehrmann, bei denen das Geschlecht ja doch irgendwie eine Rolle spielt. Diese müssen angepasst werden, in Feuerwehrer zum Beispiel. Man sagt ja auch Lehrer und nicht Lehrmann, obwohl man letzteres theoretisch sagen könnte. Als Pluralformen werden die heute gängigen Formen ohne “innen” verwendet, nicht weil ich etwas gegen Frauen habe, sondern weil sie kürzer sind. Sprachwissenschaftler werden bestätigen, dass Menschen immer zu den leichteren Wortformen tendieren. Einigen wir uns darauf, dass wir die Wörter als neutral betrachten, sehe ich hier kein Problem. Das Mann, dase Männer. Das Frau, dase Frauen. Das Kind, dase Kinder. “Sehr geehrte Frauen und Männer” meint somit “Sehr geehrte dere, diee, dase Männer und dere, diee, dase Frauen.” Wie auch immer sich das anwesende Publikum identifiziert: Jeder wird angesprochen.
Ob sich ein Mann nun als der, die oder das Mann bezeichnen will, liegt ganz in seinem Ermessen. Fühlt man sich weiblicher, nennt man sich die Mann, will man nicht in Schubladen gesteckt werden, nennt man sich das Mann. Mann steht für das Geschlechtsteil, der Artikel für die Gesinnung. Oder anders ausgedrückt: Mann steht für das Geschlechtsteil, das Artikel für das Gesinnung. Das liest sich etwas befremdlich, aber das tun Veränderungen immer. Übrigens: Möchte ein Mann kein Mann mehr sein und lässt sich deswegen zum Beispiel umoperieren, wird er zu einer Frau. Ganz einfach. Aber da hört die Sache selbstverständlich noch nicht auf. Möchte man sich von den Begriffen Mann und Frau vollständig lösen, wird man einfach zu einem Frann. Frann steht für das Neutrale. Der Begriff vereint zwei Buchstaben der Frau und zwei Buchstaben des Mannes und verbindet sie mit ihrer Gemeinsamkeit, dem a. Der, die oder das Frann ist somit keine Besonderheit, kein unnormales Wesen, sondern eine Kombination beider Geschlechter, die Teile von beiden miteinander vereint.
Das mit den Geschlechtern ist doch sowieso albern. Warum sonst heißt es bitte das Baby und das Kind? Kinder sind neutral. Sie bekommen ihre Geschlechterrollengedanken von den Eltern. Nach das Baby folgt das Kind und dann erst der Junge oder das Mädchen. Das Mädchen, nicht die Mädchen, übrigens. Und das soll nicht verwirrend sein? Natürlich ist es das nicht, weil man sich daran gewöhnt hat. Und genauso kann man sich an das Baby, das Kind, das Junge, das Mädchen, das Mann, das Frau und das Frann gewöhnen. Oder das Haaransatz, das Strähne, das Glatze und das Dauerwelle. Noch eine Sache zu den Babys: Wenn ich nicht gerade Babys mit blau-rosa-Klischeekleidung begegne, weiß ich übrigens nie, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Ich habe mir deswegen die Frage “Was ist es denn?” abgewöhnt, weil das unhöflich klingt, und frage stattdessen “Wie heißt es denn?”. Der Unterschied steckt hier im Detail, vermutlich macht es gar keinen, dennoch sehen Babys alle gleich aus. Das beweist übrigens gar nichts, ich wollte es aber mal ausgesprochen haben.
Nun gut. Alles ist neutral, die Pluralform ist die kürzeste Form eines Nomens und damit dürfte alles geklärt sein. Vor allem darf damit auf dieses abartige “Lehrer_innen” oder “Lehrer*innen” verzichtet werden, das in meinen Augen unglaublich unästhetisch aussieht und mich beim Vorlesen eines Textes immer ins Stocken bringt. Beim vorlosen Lesen übrigens auch, aber das hört ja keiner. Wobei mein Geschnaufe in diesen Momenten sicherlich schon den einen oder anderen hat erschrocken aufhorchen lassen. Neutralität und im weitesten Sinne die Abschaffung der maskulinen und femininen Formen: Ich fände das spitze. Warum “Sehr geehrte Damen und Herren”, wenn man auch einfach “Sehr geehrte Anwesende” sagen kann? Oder wie wäre es mit “Sehr geehrte Menschen”? Wenn sich irgendwann einmal jemand darüber beschwert, hat die Menschheit definitiv andere Sorgen. Oder eine tolle neue Erfahrung vorzuweisen. Positiv denken! Das ist manchmal gar nicht so verkehrt. Und “Sehr geehrte Lebewesen” ist doch auch irgendwie gut.
An dieser Stelle hörten meine Neutralitätsüberlegungen übrigens auf. Die Pause war vorbei. Was aus “des Mannes” und “der Frau” wird? Oder aus “einem Mann” und “einer Frau” weiß ich gerade nicht. Vermutlich würde es wieder auf das Neutrum hinauslaufen, aber ich will hier nicht die ganze Arbeit allein erledigen. Viel lieber möchte ich etwas anderes erledigen: Ich möchte betonen, dass ich mich mit diesem Text nicht über die Genderdiskussion lustig machen will. Wenn ich mitbekomme, dass es da draußen Männer gibt, die Frauen, Homosexuelle oder Franne (hey, ich mag das Wort) nicht ernst nehmen, würde ich am liebsten um mich schlagen. Wenn neben mir eine Frau erzählt, sie spiele gerne Videospiele und dann irgendein Kerl Dinge wie “Boah! Damit gehörst du voll zu einer besonderen Spezies!” sagt, dann kriege ich zu viel. Und zwar wirklich. Ein paar Personen trauen sich tatsächlich nicht mehr, Dinge dieser Art in meiner Nähe abzulassen. Und da bin ich ein wenig stolz drauf. Leider unterlassen sie ihre Sprüche nur, weil ich sonst herummeckere, nicht weil sie ihre dumme Denkweise einsehen. Männer, Frauen und Franne sind gleich. Sexuelle Neigungen definieren niemanden. Oh. Warum schreibe ich das eigentlich alles? Die Menschen aus dem Mittelalter habe ich ja bereits ein paar Absätze zuvor an einer Raststätte abgesetzt.