Ach, war das ein schönes und entspannendes Wochenende. Gestern noch schnell ein paar Besprechungen mit Schulze. Hat mir wieder ein paar interessante Dinge über sein Privatleben erzählt. Muss ich mir gleich mal irgendwo notieren. Kann man ja mal brauchen, wenn unsere Geschäftsbeziehungen vorbei sind. Das Treffen ging etwas länger, als eigentlich geplant. Macht aber nichts. Ist ja beruflich.
Heute dagegen habe ich eigentlich nichts gemacht. Außer ein paar Dokumente sortiert und ein wenig für morgen vorgearbeitet. Ohne Arbeit geht es schließlich auch nicht weiter. Man muss ja sehen, wo man bleibt. Nicht, dass ich so ende, wie der Heinrich. Der sitzt auch nur zu Hause rum, während seine Frau arbeiten geht. Das ist doch kein echter Mann. Als ich Schulze das gestern erzählt habe, hat dieser zwar behauptet, ihm würde das nichts ausmachen, in seinem Inneren jedoch hat er mir sicherlich zugestimmt.
Jetzt sollte ich erst einmal nachsehen, was die nächste Woche so bringen wird. Wo ist denn mein Kalender? Ach ja, der liegt noch in meiner Tasche. Ohne meinen Kalender bin ich schließlich aufgeschmissen. Ich darf nicht vergessen, ihn wieder zurück zu legen. Ah, da ist er. So. Dann schauen wir doch mal.
Oh nein, die Woche beginnt ja schon mal schlimm. Treffen mit Hansen. Der ist mir ziemlich suspekt. Sollte mal ein wenig auf sein Gewicht achten. So kann man sich doch nicht auf der Straße blicken lassen! Ich weiß noch, als ich einmal heimlich mit meiner Kamera ein Bild von ihm geschossen und auf einer Firmenfeier rumgezeigt habe. Viele meinten, dass er krank aussehen würde. Natürlich lag das größtenteils an der Perspektive und der Belichtung des Bildes. Ich habe lange üben müssen, um die richtige Kameraeinstellung für Bilder dieser Art herauszufinden. Es macht unglaublich Spaß, sich all die hässlichen Menschen anzugucken, zu sammeln und anderen zu zeigen.
Mal sehen, wie Hansen morgen wieder aussieht. Seine Hemden trägt er ja gerne mal eine Nummer zu groß. Vielleicht möchte er damit seinen Bauch verstecken. Nicht vor mir, mein lieber Hansen, nicht vor mir.
Am Dienstag bin ich dann den ganzen Tag über auf dem Firmengelände. Vielleicht kann ich ja da schon ein paar neue Hansenbilder herumzeigen. Wobei ich aufpassen muss. Schmitz ist auch da. Und der geht einmal die Woche mit Hansen zum Kegeln. Was die beiden miteinander verbindet, würde ich auch gerne mal wissen. Keiner profitiert von der Beziehung zum Anderen. Eigentlich sind die Beiden in meinen Augen gleich erfolglos. Aber vielleicht schweißt sie das auch zusammen. Sie laben sich gegenseitig am Misserfolg des Anderen. Eigentlich eine traurige Freundschaft.
Da lobe ich mir doch meinen guten Freund Karsten Wolker. Der ist zwar extrem oberflächlich, dennoch kann ich von seinen Beziehungen profitieren. Leider ist Wolker in seinem Umfeld nicht sonderlich beliebt. Man sagt, er erzähle viele Lügen über andere Leute. Aber was interessiert mich das? Ist seine Sache. Und letztendlich sind es doch genau diese Lügengeschichten, die alle so sehr interessieren. Natürlich bestreite ich gegenüber Anderen meine Freundschaft mit ihm. Ich möchte schließlich nicht, dass man schlecht über mich redet. Wird über Wolkers Lügengeschichten erzählt, kann ich aber immer mitreden. Wenn es gegen ihn geht, glaubt man mir sowieso alles. Ist der Ruf erst ruiniert. Man kennt den Spruch.
Jetzt aber mal weg von Wolker und auf zu Mittwoch. Da sehe ich nämlich bereits einen Termin, auf den ich mich schon sehr freue. Tag der offenen Tür im städtischen Museum! Ich muss mir dringend noch einen neuen Anzug kaufen. Schließlich möchte ich an diesem Tag mal wieder einen guten Eindruck im angesagten Personenkreis der Stadt hinterlassen. Ich muss mich unbedingt mit dem Museumsdirektor sehen lassen. Dann kann ich allen erzählen, dass wir uns häufig treffen würden und ich einen guten Draht zu ihm hätte. So kann ich meinen Kunstgeschmack hervorheben. Die Leute werden sicherlich beeindruckt sein. Vielleicht sollte der Anzug etwas lockerer sein. Damit würde ich die Freundschaft zwischen dem Direktor und mir betonen. Mal darüber nachdenken. Ich finde schon etwas Passendes.
So. Donnerstag. Oh nein. Projektbesprechung. Das bedeutet, dass ich dem Reiberg wieder begegne. Da muss ich mir unbedingt noch etwas einfallen lassen, schließlich hatte ich ihm vor zwei Wochen erzählt, ich würde nach New York fliegen. Geschäftlich. Sicherlich hat er mitbekommen, dass ich gar nicht weg war.
Was soll ich sagen? Mal überlegen. Vielleicht behaupte ich einfach, dass ich krank war? Hm. Nein. Das ist zu harmlos. Sicherlich würde er angeberisch grinsend behaupten, dass ihn eine Krankheit von keiner Geschäftsreise abhalten würde. Welche Alternative habe ich? Ach, ich weiß was. Ich sage einfach, meine Tochter Hanna sei krank geworden. Irgendein schlimmer Virus vielleicht. Es muss was schön dramatisches sein. Morgen sollte ich mich mal im Internet über sowas informieren. Vielleicht ist gerade was Schlimmes im Umlauf. Wenn ich sage, dass ich auf meine Tochter aufpassen musste, wird er bestimmt Mitleid haben und sagen, dass ich ein toller Vater sei, weil ich meine Geschäfte hinter meine Familie stelle. Weiß er eigentlich, dass ich geschieden bin? Ich glaube nicht. Ist auch egal. Meine Tochter wird er sicherlich nie sehen.
Gut, dann habe ich den Donnerstag auch schon geklärt. Bevor ich es vergesse, schreibe ich mal eben schnell in meinen Kalender, dass ich die letzte Woche bei Hanna war. Wie immer in grün. Dann weiß ich später, dass es gar nicht passiert ist. Man muss ja Ordnung halten. Nicht, dass ich später mal durcheinander komme. Sollte Reiberg einen Blick in meinen Kalender werfen, wird er aber keinen Verdacht schöpfen.
Jetzt der Freitag. Da ist ja fast nichts los. Ein paar kleinere Termine, aber nichts Großartiges. In der Zeit kann ich dann endlich den Brief, den ich in Hansens Namen geschrieben habe, ausdrucken und losschicken. An mich selbst. Ein paar Beleidigungen hier und da und wenn ich den dann nächste Woche Schmitz zeige, bin ich mal gespannt, wie lange die beiden noch miteinander kegeln gehen.
Ich werde es Schmitz nie verzeihen, dass er mir in der Firma eine Möglichkeit zum Nebenverdienst vor der Nase weggeschnappt hat. Die Freundschaft mit Hansen wird nicht das letzte sein, was er durch mich verlieren wird. Aber abwarten. Vielleicht reicht der eine Brief schon aus, um ihn zu treffen. Wenn nicht, habe ich noch ein paar interessante Geschichten über Hansen parat. Ist die Stimmung erst mal gereizt, kann ich Schmitz sicherlich alles Mögliche über Hansen erzählen und er wird es mir glauben. Vielleicht wird er sich auf meine Seite schlagen und zu mir Vertrauen aufbauen. So kann ich hoffentlich viele interessante Dinge über ihn erfahren. Und je mehr man über jemanden weiß, desto mehr Macht hat man über ihn.
Samstag und Sonntag habe ich noch nichts in meinem Kalender stehen. Aber da muss ich mir wohl keine Sorgen machen. Irgendetwas ist ja immer. Und wenn es nichts Geschäftliches ist, suche ich eben ein paar noble Veranstaltungen heraus, um mich dort sehen zu lassen. Ich habe gelesen, im Park nebenan soll ein Brunch stattfinden. Sicherlich treffe ich da auf Neumann. Dem wollte ich noch unbedingt erzählen, was ich vorgestern von Schubert gehört habe. Zunächst sollte ich mich aber umsehen, ob der Rieber nicht auch da ist. Der kennt Neumann und Schubert. Und ihm habe ich erzählt, Neumann sei ein Lügner. Ich darf mich also nicht zu offensichtlich mit ihm unterhalten. Aber das bekomme ich schon hin. Ich habe ja Übung in solchen Dingen.
Also gut. Die Woche ist geplant, Kalender wieder in die Tasche und ab ins Bett. Die nächsten Tage werden anstrengend. Ich muss ausgeschlafen sein, um den Überblick nicht zu verlieren. Sonst nimmt das irgendwann noch ein böses Ende. Aber warum mache ich mir eigentlich Sorgen? Mir glaubt doch sowieso jeder. Ich bin ein angesehener Bürger.