Vilbeler Anzeiger – 21.04.1886 (4/4)

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Vilbeler Anzeiger - 21.04.1886

Die einzelnen Elemente im Detail.

Vilbeler Anzeiger - 21.04.1886

Frankfurt. Beim Aufreißen einiger Dielen in einer Kammer eines der ältesten Häuser der Stadt fand man eine Anzahl alter Thalerstücke die vermuthlich schon viele Jahre an der betreffenden Stelle gelegen haben. Der jüngste Thaler trägt die Jahreszahl 1785.

Vilbeler Anzeiger - 21.04.1886

Ein Seckbacher Landwirth kaufte am Mittwoch ein Pferd für 900 M. und bezahlte baar. Das Thier wurde in den Stall geritten, bekam, nachdem es einige Augenblicke stillgestanden, einen Nierenschlag und mußte getödtet werden.

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Auf dem Landgerichte wurden am Mittwoch drei Ehen dem Bande nach getrennt. In allen Fällen wurden die Männer fur den schuldigen Theil erklärt.

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Ein Butterhändler von auswärts ließ am Mittwoch seinen Wagen so lange am Allerheiligenthor ohne Aufsicht stehen, bis er in der Nachbarschaft einige Kunden besucht hatte. Als er zurückkehrte, gewahrte er an dem Wagen einen fremden Mann, der ein ca. 10 Pfund schweres Packet Butter gestohlen hatte und gerade im Begriff stand, damit fortzulaufen. Er hielt den Dieb so lange fest, bis ein Schutzmann dazu kam.

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Der Polizeikommissar Meyer hat das gegen das Urtheil der hiesigen Strafkammer in der bekannten Friedhofsaffaire eingewendete Rechtsmittel der Revision wieder zurückgezogen.

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Vereinigte Stadttheater.

(Opernhaus.)

Mittwoch den 21.: “Kabale und Liebe.”

Donnerstag den 22.: “Don Pasquale. Das Versprechen hinterm Herd.”

Freitag den 23.: Geschlossen.

Samstag den 24.: “Robert der Teufel”

Sonntag den 25.: “Rheingold.”

Montag den 26.: “Silvana.”

(Schauspielhaus)

Mittwoch den 21.: “Der Registrator auf Reisen.”

Donnerstag den 22.: “Der Bettelstudent.”

Freitag den 23.: Geschlossen.

Samstag den 24.: “Fedora”

Sonntag den 25.: “Pechschulze.”

Montag den 26.: “Feenhände.”

[Anmerkungen:

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Der Sohn einer im Westend wohnenden Familie liegt zur Zeit an den Folgen einer tollkühnen Wette schwer krank darnieder. Er hatte behauptet, 14 Tage ohne feste Nahrung leben zu können. Neun Tage hielt er es aus, seine Kräfte schwanden jedoch derart, daß er ärztliche Hülfe in Anspruch nehmen mußte.

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Vorige Woche machte eine Gesellschaft Frankfurter eine Aepfelwein-Spritze nach S… Sie verlief bei der Hinfahrt sehr gut, anders gestaltete sich die Heimfahrt. Zwischen S. und N. lag auf der Chaussee ein todtes Pferd. Der Anblick des Kadavers erschreckte den Stadtgaul dermaßen, daß er zur Seite sprang, den Wagen ins Feld schleuderte und ein Bein brach. Die Gesellschaft schirrte das Thier los und trug das Geschirr bis zur nächsten Station, von wo sie Hilfe holte, den Wagen wieder flott machte und mit einem geliehenen Pferde den Heimweg antrat.

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Staatsminister Graf Eulenburg richtete an den Oberbürgermeister Dr. Miquel eine Zuschrift, in welcher er mittheilt, daß der Kaiser seiner Anerkennung Ausdruck gegeben habe über den Beschluß der Stadtbehörden Frankfurts, das unter dem Namen “Römer” bekannte Gebäude zu restaurieren und in dem Kaisersaale die Standbilder aller deutschen Kaiser im Anschlusse an die vorhandenen Gemälde der früheren Kaiser gegenwärtig und in Zukunft auf Kosten der Stadt aufzustellen.

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Zu einem Schneider kam in den letzten Tagen ein Steuerexekutor. Der Schneider, in seiner Werkstatt sitzend, lud den Eintretenden freundlich ein, Platz zu nehmen. Als dieser sich in dem Zimmer vergebens nach einem Stuhl umsah, bat ihn der Meister, sich zu ihm in die “Hölle” zu setzen, was der Beamte dann auch that. Nun machte der Beamte ihn mit seiner Sendung betraut und reichte ihm die Steuerrechnung. Bedächtig legte der Schneider den in Arbeit befindlichen Frack zur Seite, nahm das Papier zur Hand, betrachtete es von allen Seiten und sagte schließlich: “Das Schriftstück scheint für mich zu sein, da sehe ich aber gar nicht, daß etwas gearbeitet worden ist. Ich bin gewöhnt, alles was für mich gearbeitet wird, gleich zu bezahlen. Wenn sie mir etwas bringen, was eine Gegenleistung bedingt, wie einer Schlosser- oder Schreinerrechnung da bezahl ich, aber dafür geb ich keinen Pfennig.” “Da muß ich pfänden,” erwiederte der Vollziehungsbeamte.” “Sie können es ruhig thun,” lautete die Antwort. “Zeigen Sie mir ihre Wohnung.” – “Die ist hier in dieser Stube.” – “Und Ihr Bett?” “Das ist meine Boutique.” “Sie können doch nicht auf den harten Dielen schlafen?” “Oh ja, da leg ich mir die Paletots unter, die ich zum Ausbessern habe,” und da legte er sich in aller Gemüthlichkeit auf einen Pack Kleider und bedeutete dem Exekutor, daß er nun schlafen wolle. Derselbe überzeugte sich, daß außer einem doppelt vorhandenen Fingerhut nichts zu finden war.

[Anmerkungen: Paletot, der: Überzieher, Herrenmantel. Der Neue Brockhaus, Vierter Band (New-Sid), Dritte, völlig neubearbeitete Auflage, Wiesbaden 1958.]

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München. Die Klagen gegen die königliche Civilliste mehren sich. Es wurde bereits mitgetheilt, daß am 8. Mai ein Termin in der Klagesache einer Firma um ein Objekt von ca. 100 000 M. ansteht. Nunmehr wird bekannt, daß weitere Klagen in Beträgen bis zu 800 000 Mark eingericht worden sind.

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Görlitz. In einer hiesigen Augenklinik ist dieser Tage eine seltene Operation mit ungewöhnlichem Erfolge ausgeführt worden. Der Operateur entfernte einen lebenden Wurm (Finne) aus dem Auge einer jungen Dame. Die Finne saß hinter der Netzhaut und lebt noch nach der Operation. Die Sehkraft auf dem operirten Auge ist erhalten geblieben.

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Im Konkurrenzkampf. Große Heiterkeit erregen in der Pfalz die Reklamen zweier Geschäftshäuser, die auf ganz originelle Weise das Publikum an sich zu ziehen suchen. Die Firma Josef und Scharff in Landau inserirte wiederholt im “Südpfälzischen Wochenblatt”: “Frei Fahrt nach Landau und zuück gewährt die Firma J. und Sch. von jeder pfälzischen Station aus bei Einkauf von nur 20 Mk.” Das hat den Konkurrenten A. H. in Steinfeld so verdrossen, daß er folgendes Inserat erließ: “Um jede Konkurrenz, besonders aber eine Laundauer Firma zu überbieten, habe mein ohnedies großes Lager in Manufakturwaaren vergrößert und verkaufe sämmtliche Artikel, den heutigen Wollpreisen entsprechend, zu bedeutend herabgesetzten Preisen. Bei Einkäufen von 2 Mk. vergüte ich die Eisenbahnfahrt sämmtlicher pfälzischen Stationen, bei größeren Einkäufen gebe ich freien Mittagstisch, eventuell auch noch den Kaffee.” Ein pfälzisches Blatt meint, es werde den Herren J. und Sch. nichts Anderes übrig bleiben, als ihre Kunden mit Austern und Champagner zu regaliren.

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Zum Thema der griechischen Rüstungen theilt die “Boss. Ztg.” die hochinteressante Thatsache mit, daß bei der bekannten Berliner Armeelieferanten-Firma Mohr und Speyer 80 000 vollständige Uniformen nach preußischem Muster von der griechischen Regierung bestellt sind, die Firma hat den Auftrag beinahe schon vollständig ausgeführt. Auch wird hervorgehoben, daß sich die griechische Regierung durch ihr pünktliches Zahlen auszeichnet, nach Ablieferung von je 10 000 Uniformen erfolgt auch der vereinbarte Betrag sofort.Der Triumpf, den die deutsche Industrie feiert, indem sie in so eklatanter Weise dem Ausland gegenüber zur Geltung gelangt, muß um somehr imponieren, als solche große Erfolge erzielt werden zu einer Zeit, wo man sich bemüht, das Handwerk wieder in die Zwangsjacke des Innungswesens zu stecken. die Schneiderei en gros, wie man sie hier sieht, dieser fabrikmäßige Betrieb der Schneiderei, ist wohl der beste Beweis dafür, daß das Handwerk, wo es nur als Hausindustrie betrieben wird, mit dem Ausland überhaupt nicht konkurriren kann. Dieselbe Firma Mohr und Speyer steht übrigens noch wegen einer weit größeren Lieferung von Uniformen für einen südamerikanischen Staat, sowie für einen anderen Staat im Südosten Europas in Unterhandlungen, die dem Abschlusse nahe sind.

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In der Nähe von Westdoorfield im Unionstaate Massachusetts ereignete sich am 8. April ein Eisenbahnunglück, dessen grauenvolle Details ohnegleichen in der an Eisenbahnkatastrophen so reichen Chronik der letzten Jahre dastehen. Unweit Westdoorfield macht die Eisenbahntrace eine große Curve und fährt dann auf einen 200 Fuß hohen Damm in die Station ein. In Folge unrichtiger Weichenstellung entgleiste der mit großer Geschwindigkeit heranbrauschende Zug, der mit Passagieren vollbesetzt war und stürzte über den Bahndamm in den Fluß. Die Wirkung des Sturzes war eine schreckliche, Maschine, Tender und Waggons bildeten einen Trümmerhaufen, aus dem verbrannte Körpertheile und gräßlich verstümmelte Gliedmaßen in wüstem Durcheinander mit zersplitterten Eisentheilen ragten. Das Grauen wurde dadurch erhöht, daß die Trümmer in Brand geriethen und schnelle Hülfeleistung unmöglich wurde. Dreißig Personen wurden getödtet, vierzig Reisende lebensgefährlich verletzt. Die meisten Leichname zeigen schreckliche Brandwunden. Die Untersuchung gegen die Schuldtragenden ist eingeleitet.

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Kirchliche Notiz

Gründonnerstag:

Vormittags 9 Uhr Beichte für das hl. Abenmahl am Charfreitag.

Charfreitag:

Vormittags 10 Uhr Gottesdienst und hl. Abendmahl.

Nachmittags 1/2 2 Uhr Beichte für das hl. Abendmahl am 1. Osterdeiertag.

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Brodpreise vom 16. bis 30. April nach eigener Angabe der Bäcker.

Unverändert.

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Marktbericht.

Frankfurt, 17. April.

Heu kostete je nach Qualität per Centner 3,40 bis 4,10.

Stroh per Centner 2,30 bis 2,70.

Butter 50 Kilo – bis – , per Pf. 1,10 bis 1,30.

Eier per Hundert 4,50 5,00.

Kartoffeln per 200 Pfd. 5,00 bis 6,00.

Ochsenfleisch per Pfd. 45-65 Pf.

Kuh- und Rindfleisch 45 bis 60 Pf.

Kalbfleisch 45-60 Pf.

Schweinefleisch 65 bis 70 Pf.

Hammelfleisch 55-70 Pf.

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Für die Redaktion verantwortlich: L. Wagner.

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Druck und Verlag der P. Ganß´schen Buchdruckerei (L. Wagner) in Vilbel.

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