Vor über einem halben Jahr zog ich nach Bad Vilbel. Kommt man in eine neue Stadt, will man sich selbstverständlich über die wichtigsten Orte informieren. Man hofft, auf kleine, spannende Geschichten zu stoßen, interessante Orte zu finden und einfach einen Überblick über die neue Heimat zu erlangen. Eines Tages drückte mir der Großvater meiner Frau eine Zeitung in die Hand. Es war ein großes, gefaltetes Blatt Papier, das insgesamt vier Zeitungsseiten bildete. Der Name der Zeitung? “Vilbeler Anzeiger”. Das Datum? Der 21.04.1886.
Ich könnte nun seitenweise über besagten Großvater schreiben. Wie gerne ich mich mit ihm über Literatur unterhalte. Was er sonst noch alles an alten Dokumenten besitzt. Und wie er mir eines Tages ein Buch aus dem Jahr 1673 schenkte. Doch möchte ich all das an dieser Stelle nicht tun. Hier soll es um die Zeitung gehen, die ich von ihm erhielt.
Der “Vilbeler Anzeiger” existiert heute noch, heißt mittlerweile aber “Bad Vilbeler Anzeiger”. Die Erstausgabe erschien laut Wikipedia im Jahr 1852. Das Einzige, was ich über die Zeitung weiß, ist, dass sie wöchentlich in meinem Briefkasten landet. Erfährt man auf den ersten Seiten ein paar Dinge über lokale Angelegenheiten, folgt anschließend der große Kleinanzeigenteil.
Ich habe mit großem Interesse durch die alte Ausgabe der Zeitung geblättern (wenn man das bei einer gefalteten Seite überhaupt so sagen kann) und möchte diese Faszination nun mit euch teilen. Darum habe ich die vier Seiten eingescannt und in dieser Rubrik veröffentlicht. Im Anzeiger finden sich einige aus heutiger Sicht lustige Anzeigen, doch vor allem der Bereich um die Tagesbegebenheiten wirft ein schönes Licht auf eine Zeit, die mittlerweile über 125 Jahre zurück liegt.
Doch seht einfach selbst. Für alle, die mit der alten Schrift Probleme haben, habe ich die einzelnen Elemente der jeweiligen Seiten hier noch einmal in “normaler Schrift” abgeschrieben. Dabei möchte ich das Ganze gar nicht weiter bewerten oder mit Kommentaren schmücken. Die vier Seiten sprechen ganz für sich. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann dies selbstverständlich ebenfalls tun und die Seiten auf den jeweiligen Unterseiten in groß herunterladen.
[Anmerkung: Von mir vorgenommene Anmerkungen werden kursiv dargestellt und von mir stets in eckige Klammern gesetzt.]
Seite 1 in voller Größe:
Die einzelnen Elemente im Detail.
Vilbeler Anzeiger, No 32, 1886. Mittwoch den 21. April. Fünfunddreißigster Jahrgang.
[Text links:] Erscheint Mittwochs und Samstags. – Inserate, welche rechtzeitige Aufnahme finden sollen, beliebe man Dienstags und Freitags Vormittags einzusenden.
[Text rechts:] Insertionsgebühren: Die gewöhnliche einspaltige Zeile 6 Pfennig, bei mehr maliger Einrückung entsprechenden Rabatt. – Vierteljährlicher Erlaßpreis. Bei der Erpedition 1 Mark 29 Pfennig, auswärts mit dem üblichen Postaufschlag.
Amts- und Privat-Bekanntmachungen
Betreffend: Verwendung der Ueberschüsse der Sparkasse (Mathildenstift) zu Vilbel pro 1885 zu Unterstützungen. Friedberg, den 17. April 1886.
Das Großherzogliche Kreisamt Friedberg
an die Großh. Bürgermeistereien des früheren Kreises Vilbel, welche dem Kreise Friedberg zugetheilt wurden und dem Mathildenstift angehören.
Die nachstehende, auf die Seelenzahl der betr. Gemeinden erfolgte Repartition von zur Anschaffung von Material in den Industrie-Schulen für 1885 verwilligten 1000 Mark bringen wir andurch zur öffentlichen Kenntniß und empfehlen Ihnen die betr. Beträge den Gemeinde-Einnehmern in Einnahme zu becretiren und für Kontrolirung derselben besorgt zu sein.
[Anmerkung: Ich habe die nun folgenden Orte als Tabelle formatiert, um das Ganze übersichtlicher zu gestalten. Die Beträge werden in X Mark und Y Pfennig angegeben, ich verkürze das Ganze zu X,Y.]
Altenstadt mit Engelthal | 49,50 |
Büdesheim | 44,08 |
Burg-Gräfenrode | 25,24 |
Groß-Karben | 46,82 |
Harheim | 43,90 |
Heldenbergen | 79,02 |
Hochst a.d.N. | 23,30 |
Holzhausen | 39,96 |
Kaichen | 29,46 |
Klein-Karben | 34,04 |
Kloppenheim | 12,60 |
Massenheim | 13,52 |
Nieder-Eschbach | 31,56 |
Ober-Erlenbach | 47,02 |
Ober-Eschbach | 29,36 |
Oberau | 11,62 |
Okarben | 27,72 |
Petterweil | 29,70 |
Rendel | 38,50 |
Rodheim | 74,58 |
Rodenbach | 12,20 |
Rommelhausen | 9,92 |
Stammheim | 37,74 |
Steinbach | 32,24 |
Vilbel | 176,40 |
[Anmerkung: Addiert man die einzelnen Beträge, ergibt sich tatsächlich 1000 Mark.]
Bekanntmachungen
der Gr. Bürgermeisterei Vilbel.
Das Gewannfahren im Sommerfeld ist nur noch diese Woche erlaubt.
[Anmerkung: Gewann, das: ein Drittel oder kleinere Teile der Ackerflur eines Dorfes, die unter Flurzwang wechselnd genutzt wurden (als Winterfeld, Brache, Sommerfeld). Alle Bauern hatten an jedem Gewann gleichmäßig Teil. Mit der Aufhebung des Flurzwangs und dem Übergang zur Fruchtwechselwirtschaft verlor die Gewann-Einteilung an Bedeutung. Der Neue Brockhaus, Zweiter Band (E-I), Dritte, völlig neubearbeitete Auflage, Wiesbaden 1958.]
Mittwoch den 21. April, Vormittags 11 Uhr, soll die Lieferung von 10 Bettstellen in das städtische Krankenhaus nochmals an den Wenigstnehmenden auf dem Rathhaus in Accord gegeben werden.
Nach dieser Veraccordierung soll ein Haufen Dung im Armenhaus an Ort und Stelle versteigert werden.
Holzversteigerung.
Dienstag den 27. d. Mts.,
Vormittags 9 Uhr, sollen in dem Freiherrlich v. Rothschild´schen Walde “Altenberg” öffentlich meistbietend versteigert werden:
3450 Stück Birken- Knüppel- und Reisholz-Wellen,
4050 Stück gemischte Wellen und
1275 Stück gemischte Eichen- (lange) Wellen (Faschinen), letztere eignen sich besonders zu Bohnenstangen.
Okarben, den 14. April 1886
Freiherrliche Forstverwaltung.
Hilgenreiner.
Faselochsversteigerung.
Donnerstag den 22. d. M., Nachmittags 1 Uhr, soll auf dem Großherzoglichen Bürgermeisterei-Bureau ein schwerer, zum Schlachten geeigneter Faselochs öffentlich meistbietend versteigert werden.
Klein-Karben, 18. Apr. 1886.
Großherzogliche Bürgermeisterei Klein-Karben.
Schneider.
[Anmerkung: Fasel, der: 1) männl. Zuchtvieh; meist in Zusammensetzungen wie Faselhengst, Faselochs, Faselbock, das Faselschwein. 2) Zucht, Fortpflanzung. Vieh faselt, wirft Junge, gedeiht. Der Neue Brockhaus, Zweiter Band (E-I), Dritte, völlig neubearbeitete Auflage, Wiesbaden 1958.]
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Die unterzeichneten Eltern von die Klein-Kinderschule besuchenden Kindern fühlen sich veranlaßt, den Leitern des hiesigen Kindergartens, Geschwister Jung, hiermit öffentlich ihren innigen und herzlichen Dank auszusprechen für das am verflossenen Sonntag veranstaltete Kinderfest, wobei man mit Vergnügen sah, daß unsere Kinder in guten und bewährten Händen sind. Die schön geleiteten und ausgeführten Spiele zeugen ebenfalls dafür, daß die beiden Fräulein ihrer Aufgabe vollständig gewachsen sind.
Vilbel, den 20. April 1886.
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