Handarbeit in Toilettenräumen

Vor einiger Zeit saß ich auf einer Toilette und ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass die folgenden Zeilen schwächeren Magengemütern unangenehm in die Weichteile treten könnten.

Es war einmal eine Schulung in einem Firmengebäude. In der Nähe der Schulungsräume lagen die Toiletten. Das ist nicht wörtlich zu verstehen. Natürlich lagen da keine Toiletten auf dem Flurboden. Es gab Toilettenräume. Aber ich wollte vermeiden, das Wort “Räume” zweimal hintereinander in einem Satz zu benutzen.

Besagte Etage bestand nicht nur aus Schulungs- und Toilettenzimmern. Dort wurde auch gearbeitet. Dies gilt es für die folgenden Schilderungen zu beachten. Genauso wie die Tatsache, dass man die Etage nur mit Hilfe von Chipkarten betreten konnte, die lediglich Mitarbeitern ausgehändigt wurden. Selbst wir Schulungsteilnehmer mussten klingeln, um Zugang zu erhalten.

Nun saß ich also auf der Toilette und bemerkte, dass es in meiner Kabine unangenehm roch. Also unangenehmer als man es von einer Firmentoilette erwarten würde. Irgendetwas roch streng danach, so schnell wie möglich weggespült werden zu müssen. Instinktiv schaute ich zwischen meinen Beinen hindurch und in die Toilettenschüssel hinein. Nein, ich hatte nichts dergleichen verursacht. Zudem sollte man den Geruch der eigenen Exkremente wiedererkennen und nicht als Störenfried wahrnehmen.

Ich sah mich weiter um und sah rechts neben mir eine Wurst auf dem Boden liegen. Und mit “Wurst” meine ich keinen Brotbelag sondern das, was nach der Brotbelagverdauung als Rest ausgeschieden wird. Sie war etwa so lang wie mein Mittelfinger, dafür aber doppelt so dick. Zumindest im gut gebauten Zentrum. Die spitz zulaufenden Enden wirkten wie zu oft getragene Bommelmützen und hinterließen einen zerfledderten Eindruck.

Zuerst wollte ich laut loslachen, riss mich aber noch einmal zusammen. Ich wusste nicht, ob ich alleine war. Wie würde es auf einen Außenstehenden wirken, wenn ich ein Toilettenabteil betreten und nach wenigen Sekunden lachen würde? Ich wollte Getratsche über Längen vermeiden und unterdrückte meinen Lachdrang, um meine Ehre zu schützen.

Stattdessen überlegte ich, was hier passiert war. Wieso lag ein Stück Kot geschätzte 30 Zentimeter neben seinem Bestimmungsort? Und wer hatte es dort abgelegt? Und warum? Hatte man es versehentlich verloren? War es einem Mitarbeiter aus der Tasche gefallen? Nein. Schluss mit den Albernheiten. Ich hatte Mitleid mit dem Häufchen Elend. Es schien zu schluchzen. Offensichtlich hatte es seinen Vater verloren. Bevor jetzt Emanzen aufkreischen: Es handelte sich um eine Herrentoilette. Ja, ich bin ein Herr. Ein feiner Herr sogar. Im Gegensatz zum gemeinen Herren, der hier die Toilette nicht getroffen hatte.

Oder hatte er sie gar nicht treffen wollen? Ernsthaft: Wer eine Toilette mit Exkrementen füllen möchte, muss sich nur auf eine setzen. Das ist nicht schwer. Eine Wurst legt sich nicht einfach so neben eine Toilette. Sie wird gelegt oder gar geworfen (nicht “gar” wie “garen” bei der Essenszubereitung, nur um Missverständnisse aus der Welt zu schaffen). Und warum tut man das? Weil man ein Zeichen setzen will (ich weiß, wovon ich rede). Der beschränkte Zugang verhärtete meinen Verdacht so wie die Luft im Toilettenraum die Wurst (Ich hatte bereits ein Stück Toilettenpapier zusammengerollt und damit in den Kot gepiekt, um dessen Härtegrad zu bestimmen.): Hier hatte ein Mitarbeiter seinem Frust freien Lauf gelassen. Warum? Das konnte ich nicht erkennen. Er hatte mit dem Kot schließlich keine Nachricht geschrieben, die seine Tat rechtfertigte. Er hatte ihn nur abgelegt.

Da ich die Ursache nicht feststellen konnte, dachte ich über den Ablauf nach. Mir fiel nämlich etwas auf: Die Wurst lag genau unter der Abtrennung zwischen meinem Toilettenabteil und dem rechts neben mir. Ich konnte nicht sagen, ob sie von rechts oder von links an dieser Stelle platziert worden war. Und noch etwas fiel auf: Es gab keinerlei Kotspuren um die Wurst herum. Auf natürlichem Weg wäre es für einen Menschen unmöglich gewesen, sie so aus sich selbst fallen zu lassen. Man hatte sie dort gezielt abgelegt. Und es war sehr wahrscheinlich, dass dies unter Einsatz der eigenen Hände geschehen war.

Es gab nun mehrere Möglichkeiten.

1) Man hatte sein Geschäft normal getätigt, daraufhin die Wurst aus der Toilette genommen und dort hingelegt, wo sie der eigenen Sache am besten dienen konnte.

2) Man hatte sein Geschäft auf dem Boden erledigt und das Resultat im Anschluss nach diversen Feng-Shui-Regeln so ausgerichtet, dass es der eigenen Gemütslage entsprach. Zuletzt wurden die Schleifspuren entfernt.

3) Man hatte sein Geschäft auf der eigenen Hand erledigt und die Wurst danach abgelegt.

Diese drei Fälle waren meiner Meinung nach die Offensichtlichsten. Aber ich konnte nichts anderes tun, als Vermutungen zu äußern. Ich wusste ja nicht einmal, ob Toilettenpapier benutzt wurde.

Letztendlich saß ich mehrere Minuten lang auf der Toilette und dachte nach. Leider musste ich meine Überlegungen irgendwann unterbrechen. Die Frühstückspause dauerte nur zehn Minuten und ich hatte noch nichts gegessen. Ich hatte Brezeln dabei. Kurz überlegte ich, ob man die Wurst zu einer Brezel formen könnte, stellte aber schnell fest, dass sie dafür zu klein war und mir für diese Aktion das Geschick eines Bäckers fehlte.

Ich erhob mich und ging, ohne eine Spur zu hinterlassen.

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