79:00:21
Ich bin der Gute. Ich bin der Gute. Ich bin der Gute.
80:01:55
Ich rette hier gerade die Welt. Ich bin der Gute. Ohne mich würde diese Welt nicht mehr lange existieren.
80:03:24
Ich muss es mir nur lange genug einreden. Ich bin der Gute.
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Es reicht. Ich BIN der Gute. Komme was wolle. Ich habe ganze Städte von bösen Mächten befreit. Gebrochene Herzen habe ich geheilt. Was kann ich denn dafür, dass sich dieser blöde Schlaffinner nicht meiner glücklichen Friedensgruppe der Lebensfreude anschließen wollte?
Lasst mich all das doch einfach in einem Bild zusammenfassen. Im letzten “Ni No Kuni”-Text hatte ich über meinen Nemesis geschrieben: Den Schlaffinner. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ganze 132mal versucht, ihn zu fangen. Ohne Erfolg. Der Plan, meinen Weg durch die Spielwelt erst dann fortzusetzen, wenn sich einer von ihnen in meinem Gehege befindet, stand fest. Hier das Ergebnis:
197. Ich musste 197 Schlaffinner erschlagen, bis sich endlich einer überreden ließ, sich meiner Truppe anzuschließen. Als die Herzen über besagtem Schlaffinner erschienen, vergaß ich alles um mich herum. Hatte ich Stunden zuvor noch eine bequeme und auch ein wenig verzweifelte Sitzposition auf meinem Sofa eingenommen, saß ich plötzlich aufrecht vor dem Bildschirm. Jede Bewegung wurde mit voller Konzentration ausgeführt: “L1”, “runter”, Esther, “X”, Bezirzen, “X”. Ich wollte keinen Fehler machen. Einen solchen hätte ich mir niemals verzeihen können. Es funktionierte. Ich fing einen Schlaffinner und ließ einen lauten Schrei ertönen, damit auch meine Nachbarn sicher sein konnten, endlich nicht mehr von meinem nächtlichen Gewimmer vom Schlafen abgehalten zu werden. Sie schrien mit mir. Voller Freude veranstalteten wir eine Grillfete, die nicht nur die schönste Grillfete meines Lebens darstellte, sondern sich auch noch vollständig in meinem Kopf abspielte, wodurch am Ende nicht gespült werden musste. Traumhaft.
Jedenfalls besitze ich nun einen Schlaffinner. Und habe 197 Leichen im Keller. Diese Tatsache stimmte mich nachdenklich, denn selbstverständlich bin ich auf meiner Reise nicht nur auf Schlaffinner gestoßen. Was ist mit all den anderen Wesen, die ich getötet habe? Die Zahlen haben den vierstelligen Bereich längst überschritten.
Gut, es handelt sich hier ja um Monster. Um böse, böse Monster. Manche von ihnen gucken zwar ganz lieb und nett aber letztendlich sind sie die Bösen. Nicht ich. Ich bin der Gute. Das dachte ich, bis ich die Glitzergrotte betrat. Darf ich vorstellen? Ein Sasquitsch. (Wieder einmal kann ich euch leider nur Handyfotos anbieten.)
Das Sasquitsch sieht nun nicht gerade bedrohlich aus. Ist es aber. In der Kreaturenbeschreibung ist von fiesem Gebrüll die Rede. Das pure Böse also. Wenn man die Augen ausblendet, ist ein Kampf gar nicht mal so ungerechtfertigt. Wisst ihr, was auch in der Glitzergrotte lebt? Ein Sasquatsch.
“Ein verspieltes Wesen.” Es wirft mit Schnee um sich, der sich auf seinem Kopf angesammelt hat. Das pure Böse? Natürlich! Sonst würde es mich ja nicht angreifen. Soll ich ehrlich sein? Durch das viele Monstergejage hat meine Truppe mittlerweile einen Charakterlevel erreicht, der Sasquitsche und Sasquatsche (wie auch immer die Pluralform jetzt lauten mag) vor mir fliehen lässt. Diese zwei Gesellen greifen mich nicht an. Ich greife sie an. Und das war noch längst nicht alles. Die zwei haben nämlich einen Vater. Den Sasquatsch-Papa.
Der sieht jetzt nicht mehr ganz so freundlich aus. Rennt aber auch vor mir weg. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt nie darüber nachgedacht, dass ich hier durch eine Höhle renne und ihre vor mir fliehenden Bewohner ausrotte. Bis mir die Sasquatsch-Mama über den Weg lief.
“Ihr Mutterinstinkt ist derart ausgeprägt, dass sie alles tun würde, um das Baby in ihrem Beutel zu beschützen.” Auch die Mama flieht vor mir, wenn sie mich sieht. Natürlich tut sie das. Sie möchte ja das kleine Baby beschützen, das sie in ihrem Beutel mit sich trägt. Dieses kleine, süße Baby. Aber lasse ich sie in Ruhe? Nein. Mein Sammeltrieb verbietet es mir. Ich habe 30 Mamas getötet, um eine zu fangen. Nein, nicht nur Mamas. Auch Babys. 30.
Ich weiß, dass ich der Held dieser Geschichte bin und ich weiß auch, dass man bei Spielen dieser Art nicht unbedingt über Dinge wie die oben beschriebenen nachdenken sollte… aber dann sollte man als Entwickler auch keine Sasquatsch-Mamas einbauen! Was soll denn das? Alle regen sich darüber auf, dass Lara Croft in ihrem neusten Abenteuer zu viele Menschen tötet. Über Oliver in “Ni No Kuni” habe ich bisher noch keine Klagen gehört. Dieser kleine Junge stürmt in eine Höhle und besiegt 131 Sasquitsch, 110 Sasquatsch, 30 Sasquatsch-Väter und 31 Sasquatsch-Mütter. Einfach so. Die Kreaturen fliehen vor ihm! Er muss sie nicht angreifen. Aber er tut es. Weil er ich ist. Ich bin Oliver. Und ich gehöre zu diesen verdammten Idioten, die gerne jedes Tier in einem Videospiel fangen möchten, wenn sie nur die Möglichkeit dazu haben. Komme was wolle. “Ni No Kuni” hat mich dieses Verhalten zum ersten Mal hinterfragen lassen. Immer, wenn ich einer Sasquatsch-Mama gegenüberstand, überkamen mich Zweifel. Ich wollte sie nicht bekämpfen. Aber ich musste.
Ich habe zum ersten Mal Angst vor den Monstern, die mir in den nächsten zwanzig Stunden begegnen werden.