Lange habe ich die Welt und ihre Bewohner von meinen Worten verschont. Nicht, weil ich der Menschheit eine Ruhezeit gönnen wollte. Der eigentlich Grund lag darin, dass ich besseres zu tun hatte, als mich über dumme Leute und deren Angewohnheiten aufzuregen. Doch dann ist irgendwann doch wieder der Punkt im unruhigen Inneren meiner Selbst erreicht worden, an dem mir der Kragen platzte und ich die Dinge, die sich auf all meinen Notizzetteln und Gedankenblättern angesammelt hatten, laut herausschreiben musste, um diese der eben angesprochenen Welt um die Augen zu hauen.
Nach diesem wahnsinnig übertriebenen Einleitungsfirlefanz (der lediglich von meiner akuten aber zugleich tragischen Schreibfaulheit ablenken sollte) werde ich mich mal wieder beruhigen und meine Glühstrümpfe gen Boden recken um dort zu verweilen und in ruhe zu burtzeln. Wer jetzt nur Bahnhof versteht bekommt von mir dicke Pluspunkte in mein Sympathiepunkteheftchen. Doch zudem werde ich meine Rolle als Aufklärer der Neuzeit per Zangengeburt zutage fördern und Erklärungen zum eben angesprochenen Kauderwelsch liefern: Wovon hier eigentlich die Rede ist, sind die total komischen Geburtstagsgrußverlustigungen “Herzlichen Glühstrumpf” und “Alles Gute zum Burtzeltag”. Zwei Phrasen, die nicht nur meine diese Klänge vernehmenden Ohrkanäle vor Ekel Schmalz spucken, sondern auch schleimige Eitertropfen aus den diese Phrasen lesenden Augen austreten lassen.
Doch zunächst muss ich etwas ausholen. An all die sich nun duckenden Menschen: Natürlich nicht im schlagenden sondern im inhaltlichen und wörtlichen Sinne. Denn auf diese Phrasen stoße ich zumeist nicht etwa in der realen Welt sondern im Internet. Das Internet ist groß. Darum tummeln sich dort auch eine ganze Menge Menschen. Doch keine Angst. Es folgt nun kein Gequatsche über Leute, die kein Leben haben, vor Bildschirmen versumpfen, Freunde nur vom Hörensagen kennen, Beziehungen zu virtuellen aufklickbaren Pixelpuppen pflegen und dabei auf ihrer Tastatur den neusten Trendhit per Tastendruck erklicken lassen. Denn ich gehöre selbst zu dieser sumpfenden Fraktion der Bildschirmgucker und habe trotzdem ein tolles Leben.
Viel mehr betrachte ich die textlichen Ausscheidungen dieser im Internet kursierenden Menschenmasse, welche sich zumeist in Chats, Foren oder sonstigen virtuellen Absteigen tummelt. Durch die Masse dieser sich hier bewegenden Menschen hat auch jeden Tag mindestens eine unwichtige Person Geburtstag. Nun verhalten sich alle so, als wären sie auf deren Geburtstagfete eingeladen und gratulieren dem Geburtstagkind (ich gratuliere nur den Leuten, die ich mag. Bei allen anderen sage ich einfach nichts zu diesem Thema. Wer jetzt laut “Arschlochverhalten” schreit braucht sich nun nicht mehr fragen, warum ich ihm nicht zum Geburtstag gratuliert habe).
Und genau dieses Gratulieren lockt die lustige Rasselbande der Witzgesichter an. Eine Gruppe von Leuten, die wirklich aus jedem noch so unwichtigen Fliegenschiss ein total witziges Ereignis basteln müssen. Als wären sie die Nacht zuvor in einer Witzekiste von einem Clown vergewaltigt worden kommen sie angelacht und rufen laut “Herzlichen Glühstrumpf!” oder “Alles Gute zum Burzeltag!”. Es gibt noch viele weitere Humorkombinationen dieser Art. Doch diese beiden Phrasen der Verdammnis haben sich bisher am häufigsten in den Glückwünschen eingenistet.
Am liebsten würde ich in diesen Situationen einen gern verwendeten Spruch aus meiner Grundschulzeit mit dem Wortlaut “Noch so’n Spruch: Kieferbruch.” einwerfen, doch möchte ich meine Kindheitserinnerungen nicht mit solchen Fehlgriffen des lustigen Lebens in Kontakt bringen. Zudem würde es sowieso nichts bringen, denn diese Frohnaturen würden es sowieso nicht merken, dass ihr Humor bei mir auf eine ausgetrocknete Wüstenlandschaft trifft und meine Äußerung vielleicht sogar als einen Witz auffassen und sich in ihren Dummfloskeln bestätigt fühlen. Das versuche ich zu vermeiden, indem ich gar nicht erst darauf eingehe (was ich zum eigenen Erschrecken mit diesem Text gerade getan habe).
Man sollte diese Sprüche aus den Hirnen ihrer Verfasser reißen, in einen Briefumschlag stecken und an einen Kindergarten schicken. Dort würde man sich sehr über ein solches Geschenk freuen und sich köstlich über die Witze amüsieren. Denn in eine solche Umgebung gehören sie auch.
Ich vernehme bereits Rufe wie “Jeder hat halt einen anderen Humor!” oder auch “Menschen sind halt anders” aber diese “halt”-Rufe verdursten genauso wie die Glühstrümpfe und die Burtzeltage in meiner inneren Ignoranzwüste und werden vom Treibsand des Hasses aufgefressen. Sollten sich nun immer noch Leute beschweren: Burtzelt euch weiterhin die Strümpfe, wenn euch danach ist. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Aber seinen eigenen Geschmack verkünden, das wird man doch wohl noch dürfen.