Geburtstage. Wäre ich die Evolution, ich würde sie verbieten. Zumindest das Feiern von ihnen. Was für ein Stress. Wie viele Geburtstage alleine unter Menschen gefeiert werden, ist bereits unvorstellbar. Das Ganze jetzt auch noch auf jede Spezies der Erde übertragen? Wahnsinn. Nicht mit mir. Hinfort! Ich würde vielleicht noch mit mir reden lassen, wenn man sich auf lediglich einen Geburtstag einigen könnte: den eigentlichen Tag der Geburt. Aber nur dieser darf gefeiert werden. Nicht das jährliche Entfernen von diesem.
Das jährliche Feiern von Geburtstagen ist sowieso den Spezies´ gegenüber unfair, die nicht älter als ein paar Monate werden. Lässt man diese der Fairness halber monatlich ihren Geburtstag feiern, kämen von diesem Moment an alle anderen Wesen auf die Idee, dies auch tun zu dürfen, da sie sich ungerecht behandelt fühlen. »Warum dürfen nur die da hinten monatlich feiern und wir hier drüben lediglich jährlich? Haben die mehr Recht auf Geburtstagsspaß als wir? Wo ist die Gerechtigkeit, wenn es um Gerechtigkeit geht?« Nein. Dann lieber keine Geburtstage mehr. Dann wären schließlich alle zufrieden.
»Happy Birthdays« geht da einen anderen Weg. Hier wird lediglich der Geburtstag einer ganzen Spezies gefeiert. Und zwar bei ihrem ersten Auftauchen. Das Krokodil entsteht? Super! Feiert! Aber anschließend ist dann auch mal wieder genug. Das Leben ist kein Kindergeburtstag. Außerdem muss ich das Krokodil ausrotten, damit die Kuh entstehen kann. Das ist natürlich Quatsch. Aber von guten Quatschbeispielen gibt es viel zu wenige auf der Welt. Lasst es uns genießen. Zum Ausrotten einer Spezies später mehr. Das habe ich auch schon immer mal schreiben wollen.
Es folgt eine Lebensweisheit: Lockt Euch eines Tages ein helles Licht in eine Höhle und möchte, dass Ihr mit seinem Evolutionswürfel spielt, tut es nicht. Bietet es Euch ein Eis an und möchte mit Euch hupend in einem Eiswagen durch die Höhle fahren, ist das in Ordnung. Aber spielt niemals mit dem Evolutionswürfel eines hellen Lichts in einer dunklen Höhle. Ich mag nun wie ein Opa klingen, der dies seinen Enkelkindern auf ein Kissen gestützt und den Spazierstock schwingend aus dem dritten Stock seines Zimmers im »Altersheim für anstrengende Menschen« hinterher brüllt, nachdem sie ihn drei Minuten besucht haben, um ihre Gewissensbisse zu besänftigen, jedoch meine ich das ernst. »Happy Birthdays« hat eine kurze Minikampagne und am Ende stellt sich raus, dass man ganz allgemein gesprochen die Finger von Evolutionswürfeln lassen sollte. Aber natürlich ist »Happy Birthdays« nur ein Videospiel. Also kein Grund zur Sorge.
Was kann man überhaupt mit einem Evolutionswürfel anstellen? Lasst mich erklären: Im Spiel gibt es verschiedene Spielmodi, in der Regel rede ich aber über den, der am meisten Spaß macht: den freien Modus. Hier wählt man einfach zwischen einem kleinen, mittleren oder großen Würfel und beginnt. Stellt euch nun vor, ihr nehmt einen Quader aus Glas und füllt diesen zur Hälfte mit Wasser. Auf dem Wasser schwimmt eine Steinplatte. Das ist im Grunde alles. Meeresspiegel und Steinboden. Fertig.
Ignorieren wir mal die Sonderfähigkeiten, die man im weiteren Spielverlauf erhält, kann man nun folgendes machen: Den Boden heben oder senken. Das ist alles. Klingt nicht nach viel? Tja. Aktion, Reaktion. Kennt ihr sicher, oder? Der Blödsinn mit dem Flügelschlag von Schmetterlingen. Und dem Tornado.
Würden wir das Spiel im freien Modus starten und tatenlos ein paar Millionen Jahre lang laufen lassen (dafür gibt es zum Glück eine Vorspulfunktion), würde nichts passieren. Es gäbe kein Leben und es würde auch niemals welches geben. Wo sollte es auch herkommen? Überall wäre Stein. Es gäbe kein Wasser, keine Berge, keine Täler, keine Flüsse, kein gar nichts. Die Temperatur würde sich bei etwa fünfundzwanzig Grad einpendeln und wir würden das Spiel etwas enttäuscht beenden. Aber nicht mit uns. Wir wollen evolutionieren! Also los!
Der Würfel ist unterteilt in Felder, die wir heben oder senken können. Senken wir das Land, wird die Gesamttemperatur höher, erhöhen wir das Land, wird sie niedriger. Je mehr Wasser sichtbar ist, desto wärmer wird es. Das ist tatsächlich alles, was wir zunächst benötigen, um die Evolution anzukurbeln. Wir brauchen Wasser! Den Ursprung des Lebens! Die Floskel aller Floskeln! Ist der Würfel von etwa dreißig Prozent Wasser bedeckt und stimmt die Durchschnittstemperatur, entsteht Phytoplankton. Haben wir davon genug, entsteht Zooplankton. Dieses bildet Stromatolithen. Und dann geht es erst richtig los. Ich weiß, Ihr könnt Euch kaum noch halten. Glaubt mir. Die Aufregung wird immer größer werden.
»Happy Birthdays« ist ein einziger Evolutionsbaum. Aus A entsteht unter den richtigen Bedingungen B. Aus B wird C. Und aus C wird sogar E und F. Plötzlich haben wir einen Brachiosaurus, der neben einem Laubbaum steht und einer Maus dabei zusieht, wie sie von einem Mammut zertrampelt wird. Bis dahin ist es aber ein langer Weg.
Unser Ziel lautet, die Umweltbedingungen herzustellen, damit eine bestimmte Art entstehen kann. Die eine hat es gerne kalt, die andere warm. Die eine entsteht in der Tiefe der Tiefsee, die andere auf dem höchsten Berg. So erhöhen wir die Durchschnittstemperatur, indem wir das Heben und Senken der Umgebung auf unsere Evolutionswünsche abstimmen. Wir brauchen eine hohe Temperatur aber auch Berge? Dann senken wir an einigen Stellen eben den Meeresboden. So wird es auch auf Bergen warm. Wir wollen kaltes Flachland? OK: Ein paar wenige sehr hohe Berge reichen aus, wenn wir dafür den Anteil des Meeres verringern. Die Ziele setzen wir uns selbst.
Ein Beispiel (Ich konzentriere mich hierbei mal ausschließlich auf die Temperatur. Es gibt noch viele andere Faktoren wie Wassergehalt, Nahrungsmittel, Anzahl der Fressfeinde und so weiter.): Ihr möchtet einen Elefanten? Dieser entwickelt sich aus einem Mammut. Benötigt wird neben dem Mammut zudem eine Temperatur von dreizehn bis fünfundzwanzig Grad. Um das Mammut zu bekommen, muss die Temperatur wiederum elf bis dreiundzwanzig Grad betragen. Es entwickelt sich aus einer speziellen Art von Maus, die wiederum bei fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Grad entsteht, wenn eine gewisse Anzahl anderer Mäuse existiert. Sie entsteht aus einer Echse, diese wiederum aus der Kombination aus zwei anderen Echsen. So geht es immer weiter den Evolutionsbaum hinauf, bis wir irgendwann wieder bei unseren Freunden Stromatolithen, Zooplankton und Phytoplankton angelangt sind.
Wer sich jetzt wundert, wie ein Mammut aus einer Maus entstehen kann: Irgendwo muss ein Spiel wie »Happy Birthdays« natürlich Abstriche machen und Evolutionsschritte weglassen. Der Evolutionsbaum besteht aus zweihundertfünfundneunzig Einträgen, die alle irgendwie zusammenhängen (abgesehen von ein paar Besonderheiten). Ich bin kein Biologe und kann nicht sagen, wie realistisch das alles ist. Die meisten Schritte klingen zumindest für einen Laien logisch, ob das Spiel eine gute Wahl für den Biologieunterricht darstellt, müssen aber andere entscheiden. Es vermittelt zumindest einen guten Überblick darüber, dass alles irgendwie zusammenhängt. Dass eine neue Art nicht einfach mit einem »Plopp« in der Weltgeschichte auftaucht, ist natürlich klar. Trotzdem funktioniert das Ganze sehr gut. Die Umwelt verändert sich, die Arten passen sich an und verändern sich gegebenenfalls.
Ich habe den kompletten Evolutionsbaum erforscht und jede Art wenigstens einmal gesehen. Um dies zu kontrollieren, gibt es eine durchnummerierte Liste, die vergleichbar ist mit dem Pokédex. Taucht ein Tier oder eine Pflanze zum ersten Mal auf, können wir es oder sie scannen und so in unserer Bibliothek abspeichern. Auf diese Weise kann man später jederzeit nachsehen, was man bisher gefunden hat und noch finden muss. Durch das Scannen erhält man ein paar kurze Informationssätze über die jeweilige Spezies und erfährt etwas über die Umweltbedingungen, die nötig sind, damit sie auf dem Würfel überleben können.
Spielerisch ist das tatsächlich alles. Man manipuliert die Welt, um Arten entstehen zu lassen. Ich hatte es bereits angesprochen: Mit der Zeit kann man zudem auf besondere Fähigkeiten zugreifen, mit denen beispielsweise eine Evolution oder Mutation erzwungen werden kann, auch wenn die eigentlichen Voraussetzungen auf dem Würfel noch nicht gegeben sind. Dadurch kann man der Art ein paar Sekunden lang dabei zusehen, wie sie wieder ausstirbt. Traurig? Ja. Aber für den Eintrag in der Liste reicht es. Und ja, so habe ich sie letztendlich vervollständigt. Ich habe nie behauptet, ein guter Evolutionsleiter zu sein. Hin und wieder muss eine Art sogar aussterben, damit eine andere entstehen kann. Hierfür gibt es auch eine Sonderfähigkeit. Wer für die Ausrottung einer Spezies nicht gleich die ganze Temperatur des Würfels ändern möchte, kann diese nach Herzenslust verwenden. Ausrotten per Knopfdruck. #Evolution.
Besonders gefallen haben mir die Temperatursteine, die in der Welt platziert werden können, und in einem bestimmten Radius die Temperatur um zehn, zwanzig oder dreißig Grad erhöhen oder senken. Auf diese Weise kann man Tiere entstehen lassen, die eigentlich in kalten Regionen entstehen, ohne gleich die ganze Wüste abreißen zu müssen, die man ja eigentlich wegen anderer Arten hat entstehen lassen. Man hebelt sozusagen in einem kleinen Teil des Würfels die Durchschnittstemperatur aus, um in diesem Bereich nach Herzenslust andere Wesen heranzuzüchten.
Es gab Tage, an denen ich mehrere Stunden lang auf »Happy Birthdays« gestarrt und meinen Würfel verändert habe. Das endete darin, dass ich nachts im Bett in meinen Träumen weiterspielte und in Gedanken weiter meine Umwelt anpasste. Das passiert mir tatsächlich sehr selten und nur, wenn ich mich sehr mit einem Spiel beschäftigt habe.
»Happy Birthdays« ist wahnsinnig spannend, wenn man etwas Zeit und Ruhe hineinsteckt, um mit den ganzen Systemen warm zu werden. Ich war anfangs sehr frustriert, weil das Tutorial alles andere als gut ausfällt und ich an einigen Stellen nicht verstand, was zu tun war, um das Aussterben meiner Tiere und Pflanzen zu verhindern. Aber letztendlich ist es wie bei einem Strategiespiel, das man ja auch erst einmal ein paar Runden spielen muss, um hinter die einzelnen Systeme zu kommen. Und dann gibt einem »Happy Birthdays« viel zurück. Ich mag das Design der Tiere, ich mag die Verknüpfungen unter den Lebewesen und ich mag das Anpassen der Umgebung.
Es liegt übrigens an einem selbst, ob man die Umgebung schön gestalten möchte oder einfach nur ein Auge auf die Temperatur hat. Die Welt muss nicht schön aussehen. Die Berge müssen keinen Sinn ergeben. Erhöht einfach vier Felder auf die maximale Höhe und fertig. Die Temperatur passt sich genauso an wie bei einer wundervoll gestalteten Bergregion. Mir hat es aber Spaß gemacht, meine Flüsse durch die Landstriche zu ziehen und halbwegs natürlich aussehen zu lassen.
Im Grunde war es das. Neben dem freien Modus und der kleinen Kampagne gibt es noch ein paar Dinosaurier-Herausforderungen, in denen man bestimmte Saurier entstehen lassen muss. In der Regel haben diese Szenarien noch bestimmte Sonderregelungen wie eine Zeitbegrenzung oder Einschränkungen bei der Umgestaltung der Umgebung. Eine nette Herausforderung, wenn man den Rest des Spiels gemeistert hat. Die ersten Szenarien kann man tatsächlich in wenigen Minuten schaffen, wenn man sich vorher im freien Modus darauf konzentriert, die Liste aller Arten zu vervollständigen.
Leider gelingt es »Happy Birthdays« nicht sehr gut, eine spannende Atmosphäre auf dem Würfel entstehen zu lassen. Die Tiere interagieren nicht miteinander. Man sieht niemals irgendwo einen Fleischfresser einen Pflanzenfresser fressen. Erscheint eine Spezies auf dem Würfel, rennt sie irgendwo darauf herum. So entsteht irgendwann ein ganz schönes Gewusel, jedoch eben ohne Interaktion. Jeder ist für sich selbst da und wartet auf die nächsten Aktionen der Spieler*innen. Wird man die nächsten eintausend Jahre überleben? Oder durch die Erschaffung einer Bergregion dahingerafft? Das wird die Zukunft zeigen.
Letztendlich handelt es sich bei »Happy Birthdays« um ein tolles Spiel, das mir viele unterhaltsame Stunden beschert hat. Am Ende habe ich mir sogar ein Wallpaper aus den Bildern jeder Spezies aus der Speziesliste gebastelt. Weil die Affen so cool sind. Und die Enten. Es gibt sogar ein paar lustige Spezialwesen wie den Yeti, Drachen oder Nessie. Man darf das Spiel nicht ZU ernst nehmen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass es Menschen das Konzept der Evolution näherbringen kann. Und das ist doch auf jeden Fall eine gute Sache.