Level-Editoren sind Konstruktionen, die das Konstruieren eigener Konstruktionen ermöglichen.
Die Idee für diesen Einleitungssatz übermannte mich kurze Zeit nach dem Start von »Puzzle Box Maker«. Was zunächst wie eine gute Idee klang, stellte sich letztendlich als Griff ins Klo hinaus. Nicht jede Idee ist gut. Nicht jede Idee funktioniert. Das ist schade, aber gleichzeitig eine wichtige Einsicht. Blöd nur, dass die Entwickler*innen von »Puzzle Box Maker« diese Einsicht übersehen haben.
Das klingt jetzt erst einmal total hart und negativ. Dabei ist es eher bedauerlich. »Puzzle Box Maker« liegt eine gute Idee zugrunde, die leider schlecht umgesetzt beziehungsweise genutzt wurde und schon nach wenigen Runden so ausgelutscht daher kommt, dass sie nicht einmal der Typ mitnehmen will, der bei uns in der Nachbarschaft Kinder anspricht und fragt, ob er ihre abgelutschten Lollistängel haben darf.
Pixel-Art! Toll, oder? Lenkt total schnell von fragwürdigen Menschen ab. »Puzzle Box Maker« hat dieses wundervolle Medium für sich entdeckt und gibt uns die Freiheit, Pixel-Grafiken zu erstellen. Gleich drei Leinwände stehen zur Auswahl, auf denen wir unsere Pixelpinsel kreisen lassen können. Ich bin immer noch ganz hin und weg. Endlich kann ich zeichnen, wie Bruce Wayne zu Batman wurde! Ach nein, das war etwas Anderes, mindestens genauso Durchgekautes. So durchgekaut, dass nicht einmal der Typ… ach nein… ich will nicht zu viele Details über meine Nachbarschaft veröffentlichen. Am Ende kommt mich noch jemand besuchen. Von denen. Oder Euch. Beides schlimm.
Endlich kann ich verpixelte Bilder zeichnen! Sprites anderer Videospiele klauen! Abpausen! Juhu! Der von mir geklauten Ideen anderer sind keine Grenzen gesetzt. Bis auf die Grenzen der angesprochenen Leinwände natürlich: 124×9? 26×15? 54×32? Was zunächst klingt wie die Aufgaben der Sphinx, nachdem sie die Nacht mit »Dr. Kawashimas Gehirnjogging« durchgemacht hat, ist der vom Spiel vorgegebene Rahmen meiner Kreativität. Mehr Pixel sind leider nicht möglich. Der Rahmen ist gesetzt. Es darf gezeichnet werden.
Wir gehen also auf Internetseiten, die Sprites aus Videospielen sammeln, suchen uns ein Bildchen aus, gucken, ob die Größe passt, und stellen dann fest, dass die Einschränkung von »Puzzle Box Maker«, lediglich vier Farben benutzen zu dürfen, nur noch davon getoppt wird, dass die Anzahl der überhaupt verfügbaren Farben nicht nur vorgegeben, sondern auch noch unglaublich gering ist. Fünfzehn Farben gibt es. Gelb zum Beispiel nicht. Darum sieht mein Pac-Man eher aus wie White-Skin-Man. Ist aber auch ganz schön. Wenn man nie wieder schlafen möchte.
Gut. Ignorieren wir die Einschränkungen, denn seien wir ehrlich: Manchmal ist dies zu unserem Vorteil. Wir kennen sie doch alle. Diese Bleistiftzeichnungen, die mit einem Kasten voller Buntstifte nicht besser geworden wären. Manchmal ist es gut, mit begrenzten Mitteln arbeiten zu müssen. Da reichen dann vier Farben.
Aber warum das Ganze? Warum sollte ich in »Puzzle Box Maker« zeichnen, wenn ich Pixel-Art auch in Bügelperlen erstellen kann? Weil es mehr ist. Weil es mehr macht. »Puzzle Box Maker« wandelt unsere Grafiken in Level um, in denen man sechs unterschiedliche Minispiele spielen kann. Beziehungsweise drei. Je nachdem, was man zeichnet.
Unterteilt wird in zwei Kategorien: Kategorie Eins besteht aus allen Bildern der Maße 124×9. Kategorie Zwei aus den Bildern der Maße 26×15 und 54×32. Aus jedem Bild einer der beiden Kategorien werden drei Spiele generiert. Kategorie Eins: Classic Mode, Run Mode und Kubi Mode. Kategorie Zwei: Copycat Mode, Bomb Mode und Kubi Mode. Ich werde die unterschiedlichen Modi an dieser Stelle kurz beschreiben. Das ist nötig, handelt es sich hierbei schließlich um das, was »Puzzle Box Maker« ausmacht. Man beschreibt bei Kampfspielen ja auch die unterschiedlichen Mechaniken. Oder bei Rennspielen das Fahrgefühl. Oder bei Spielen für die Nintendo Switch, warum die Grafik FÜR DIE SWITCH ja gar nicht mal so schlecht ist. Auf geht der Spaß:
Kategorie Eins, Modus Eins: Classic Mode: In diesem Modus bauen wir das Bild nach, das wir ausgewählt haben. Ladet Ihr also beispielsweise mein White-Skin-Man-Bild runter, wird Euch die Ehre zuteil, nachvollziehen zu können, wie ich mich gefühlt habe, als ich es erschuf. Das Bild wandert langsam von rechts nach links über den Bildschirm. Die einzelnen Pixel sind noch durchsichtig. Drückt die Taste auf dem Controller, der die entsprechende Farbe zugewiesen ist, und füllt so das ganze Bild aus. Es ist wie »Malen nach Zahlen« ohne Zahlen. Am Ende hat man ein Bild. Aber der Weg dahin war nicht das Ziel, sondern langweilig. Im Grunde eine schöne Idee als Einleitung für einen heruntergeladenen Level. Um ihn kennenzulernen. Wäre das in irgendeiner Form wichtig oder relevant. Oh. SPOILER!
Kategorie Eins, Modus Zwei: Run Mode: Ein Typ wird von einem rotierenden Dönerspieß durch die Hölle gejagt. Der Boden ist das Pixel-Bild. Springt über Abgründe, sammelt Punkte, schafft zwei »Runden«. Es gibt nicht nur einen Doppel-, sondern gleich einen Fünffachsprung. Ist aber auch nötig. Weil man ansonsten überall hängen bleiben würde. Warum man von Dönerfleisch durch die Hölle gejagt wird, weiß ich nicht. Liegt vielleicht am »New Games Journalism«. Man kann in einem Level zehn Münzen finden, um im Einzelspielermodus neue Level freizuschalten. Hat man alle zehn eingesammelt, kann man sich ruhig vom Dönerfleisch zerfleischen lassen. Ist alles egal. Bestzeiten oder so werden nirgendwo interessant oder vergleichbar aufbereitet. Die Münzen behält man, auch wenn man die zwei Runden nicht geschafft hat. Manche Münzen kann man nur erreichen, wenn man sich danach vom Dönerfleisch umbringen lässt, weil der Zufallslevelgenerator sie in Ecken platziert hat, aus denen man nicht mehr herauskommt.
Kategorie Eins, Modus Drei: Kubi Mode: Das Bild wird zu einem langen Level, in dem einundzwanzig Fliegen gefangen werden müssen. Man steuert Kubi, einen Quader mit Augen, durch die Level, muss Gegnern ausweichen, kann mit Bomben werfen und darf ein kleines, gelbes Etwas namens Pixo zu einem Fressnapf führen, damit es nicht verhungert. Ich würde diesen Modus als den videospieligsten von allen bezeichnen. Man muss etwas taktieren, springen, rennen, ausweichen und so weiter. Geschicklichkeit. Leider ist das Ganze äußerst unpräzise und die Physik ist nicht sehr gut darin, Lebensfreude zu vermitteln. Hin und wieder werden die Gegner bei Spielstart auch an Orten erschaffen, an denen sie nach zwei Sekunden den lieben Pixo berühren, was diesen sofort zerstört und uns einen »Game Over«-Screen verschafft. Das ist mindestens genauso frustrierend wie Frustration. Verhindern kann man es nicht, weil man nicht so schnell zu Pixo kommt, um ihn zu retten. In diesen Situationen muss man immer und immer wieder neustarten und hoffen, dass der Zufallslevelgenerator uns diesmal gern hat.
Kategorie Zwei, Modus Eins: Copycat Mode: Das Gleiche wie der oben beschriebene Classic Mode, nur ohne sich bewegendes Bild. Man sieht sofort das ganze Bild in voller Pracht. Also noch weniger spannend. Zudem können die Bilder wirklich riesig sein, was die Pixel äußerst klein erscheinen lässt. In dieser Größe kann man Dunkelgrün von Dunkelblau nicht mehr unterscheiden. Das macht es nicht leichter. Und auch nicht besser.
Kategorie Zwei, Modus Zwei: Bomb Mode: Na? Wisst Ihr noch? Bewegungssteuerung? Erinnert Ihr Euch noch an die Zeiten, in denen man Controller gegen die Schädel von Freund*innen gehämmert hat, weil das Bogenschießen simuliert? Wenn Ihr mal erreichen möchtet, dass ich mein Gehirn sehe, während es noch in meinem Kopf ist, zeigt mir einfach ein Videospiel mit Bewegungssteuerung. Das dadurch ausgelöste Augenrollen kann nicht einmal von der berühmten Filmszene beschrieben werden, in der Indiana Jones vor der Steinkugel wegrennt und aus Versehen Batmans Eltern tötet und ihn zu Spiderman macht. In diesem Modus kippt man den Controller oder, je nachdem, wie man gerade mit der Switch spielt, die Konsole nach links oder rechts, um den Schusswinkel einer Kanone zu bestimmen. Dann schießt man mit Bomben nach dem ausgewählten Pixel-Bild, bis man alle zehn Münzen mit Hilfe von Explosionen eingesammelt hat. Ich hasse diesen Modus. Man muss die Konsole drehen, die Bomben sind unpräzise, Präzision wurde ganz allgemein gesprochen im Bällebad von einem Dönerspieß vernichtet und es macht einfach keinen Spaß. Die Steuerung kann man selbstverständlich nicht umstellen.
Kategorie Zwei, Modus Drei: Kubi Mode: Der gleiche Modus wie der zuvor beschriebene Kubi Mode. Nur eben in einem weniger langen, dafür höheren Level. Man spielt in dem ausgewählten Bild, Plattformen und so weiter werden vom geliebten Zufallslevelgenerator erzeugt und so gut es geht an das Bild angepasst. Manchmal passt es gut, manchmal wirkt es etwas wahllos. Wie zuvor am ehesten das, was man als funktionierendes Videospiel bezeichnen kann. Aber es fehlt einfach die Präzision.
Und das war es. Sechs Modi, die eigentlich vier sind, von denen zwei, die eigentlich einer sind, ganz OK sind. Ich finde die Idee von »Puzzle Box Maker« auf dem Papier immer noch gut. Leider ist das mit dem Papier so eine Sache. Aktuell haben wir zum Beispiel nur noch wenige Blätter Druckerpapier im Haus, was ein Problem sein kann, wenn man Texte eigentlich für die finale Korrektur noch einmal ausdruckt und so überarbeitet. Wie auch immer. »Puzzle Box Maker« klingt nach einer guten Idee, leider macht es nur für kurze Zeit Spaß.
Es ist ganz lustig, ein paar Pixelbilder abzupausen und zu spielen. Dann merkt man aber, dass sich jedes dieser Bilder gleich spielt. Es sieht alles unterschiedlich aus, ist aber dennoch irgendwie identisch. Ich wollte »Puzzle Box Maker« eine faire Chance geben und habe deswegen tatsächlich jeden Level in jedem Modus gespielt. Sechsundneunzig Level mit jeweils drei Modi. Zweihundertachtundachtzig Runden. Das ist viel. Und es wurde nicht besser. Manche Bilder waren schön. Manche Bilder waren lustig. Aber dann musste man das Spiel spielen und war schlecht gelaunt. Das ist normalerweise nicht das Ziel eines Videospiels. Außer es will einem zeigen, dass Krieg total schlimm ist. Danach ist man dann auch immer schlecht gelaunt, weil man für diese Erkenntnis kein Videospiel braucht und für wie blöd wird man in der heutigen Zeit eigentlich gehalten?
Ich möchte noch etwas anmerken: Ich habe »Puzzle Box Maker« vor vielen Monaten gekauft, ein wenig gespielt und irgendwann abgebrochen, ohne groß darüber nachzudenken. Jetzt, für diesen Text, hatte ich es ein weiteres Mal ausgekramt und richtig gespielt. Das ist das Schöne an meinen Ansprüchen an mich selbst. Und das weniger Schöne, wenn man sich mit nicht so guten Spielen beschäftigen muss. Jedenfalls: Früher war alles anders. Buchstäblich. Als ich »Puzzle Box Maker« für diese Reihe das erste Mal wieder startete, wurde ein Update runtergeladen. »Version 2« nennen es die Entwickler*innen. Was wurde geändert? Alles.
Jeder Modus wurde von Grund auf überarbeitet. Ich kann Euch gar nicht beschreiben, wie schlecht der Bomb Mode früher war. Das haben scheinbar auch die Entwickler*innen gemerkt, ihn rausgeschmissen und durch eine neue Variante ersetzt. Die zumindest weniger schlecht ist. Ein anderer Modus, in dem man mit einer Kralle an einer Kette Punkte durch den Level tragen musste, wurde komplett entfernt. Auf der einen Seite finde ich es schade, dass ein Modus einfach entfernt wird und man ihn nicht mehr spielen kann. Andererseits war er nicht gut. Trotzdem: Man hätte ihn drin lassen sollen. Von mir aus als Bonusspiel. Entfernen ist immer blöd. Oder nicht? Ach, ich weiß es nicht. Letztendlich möchte ich Entwickler*innen nicht sagen, was sie zu tun haben. Ich weiß nichts besser und sie sollen mit ihren Spielen das machen, was sie für richtig halten. Und wenn Entwickler*innen ein paar Monate nach Veröffentlichung ihres Spiels merken, dass es keinen Spaß macht, dann sollen sie ruhig alles überarbeiten. Ich glaube schon, dass das Spiel dadurch besser geworden ist.
Das ändert aber nichts am Fazit. »Puzzle Box Maker« ist leider kein gutes Videospiel. Die Idee klingt gut, leider zeigt sich viel zu schnell, dass sie nach wenigen Minuten nichts mehr hergibt. Die Spielmodi sind nicht gut. Dass das Zeichnen so eingeschränkt ist, könnte ich noch verkraften. Aber es stimmt einfach zu viel nicht. Ich kann »Puzzle Box Maker« nicht empfehlen. Es nutzt sich alles viel zu schnell ab. Es steckt viel Liebe in dem Spiel. Aber das ändert, so leid es mir tut, nichts.
Wenn Ihr die von mir entworfenen Level spielen möchtet, erhaltet Ihr über diesen Link die Levelcodes. Aber kauft Euch bitte nicht extra deswegen das Spiel. Spielt »Mario«, »Bit Trip Runner« und »Art Academy«. Da habt ihr mehr von. Oder kauft Euch Bügelperlen. Danach hat man wenigstens Untersetzer für Kaffeetassen.