Guten Tag, Moin und Hallo, ich finde sie nicht so gut

Heutzutage wird man immer wieder darauf hingewiesen, dass der erste Eindruck, den man hinterlässt, sehr wichtig sei. Neben optischen Dingen betrifft dies vor allem die verbale Begrüßung, die man im Falle eines Erstkontaktes mit anderen Menschen von sich gibt.

Ich war in dieser Hinsicht immer recht einfach gestrickt und habe mir nie groß Gedanken darüber gemacht, wie man sich bei einer Begrüßung verhalten sollte. Bei geschäftlichen oder offiziellen Anlässen gebe ich zum Beispiel ein einfaches “Guten Tag” oder “Hallo” von mir. Nichts Aufwändiges aber höflich.

Bei Freunden und Bekannten ist das natürlich anders. Ich bin überzeugter Verfechter des Wortes “Moin” und differenziere hier nie zwischen Uhrzeiten oder sonstigen uninteressanten Umständen. Erblicke ich ein bekanntes Gesicht, werfe ich ihm “Moin” entgegen. Es besteht nur aus einer Silbe, hat die wohlklingende Buchstabenfolge “oi” zu bieten und schließt diese mit den beiden Alphabetsmittelpunkten “m” und “n” ein. Wenn dies keine großartigen Gründe sind, die für das “Moin” sprechen, weiß ich auch nicht mehr weiter.

Leider teilt nicht jeder meine “Moin”-Faszination. “Moin? Was soll denn das? Es ist doch mitten am Tag!”, darf ich oft vernehmen und werde daraufhin gefragt, ob ich aus dem Norden stammen würde. Verneine ich dies, hakt man sofort (sich eines unglaublich humorvollen Witzes bewusst breit grinsend) nach, ob ich also gerade erst aufgestanden sei. Ich ignoriere diese Fragen und indirekten Vorwürfe bezüglich meiner Tagesplanung in der Regel gekonnt und antworte, dass ich das immer so sagen würde. Stimmt schließlich auch.

Da einem aber jede zu oft gestellte Frage irgendwann auf die Nerven geht, habe ich mir eine Alternativbegrüßung angewöhnt, die ich mittlerweile immer häufiger bei Leuten verwende, die ich entweder nicht einschätzen kann oder bei denen ich befürchten muss, mit dem oben beschriebenen Fragenbombardement konfrontiert zu werden. Diese lautet “Hallöchen”. Warum nicht nur “Hallo”? Ich weiß es nicht. Ist aber auch egal. Vielleicht möchte ich mit Hilfe des lustigen Wortteils “öchen” nur das mir häufig unterstellte fröhliche Temperament unterstreichen, das sich angeblich in mir tummelt.

Mit dieser Begrüßung hatte ich bis jetzt auch noch keine Probleme. Niemand stellte Fragen, ich wurde angelächelt und zurück begrüßt. Ich war zufrieden und freute mich des Lebens. Bis zu dem Zeitpunkt, als ein mir bekannter Mensch seine Interpretationsfähigkeiten unter Beweis stellte und eine absurde Behauptung aufstellte. Ich möchte diese Situation in gewohnt gewürzter Kürze wiedergeben:

Es gab einen Streit. In diesen war ich nur indirekt verwickelt, denn er betraf meine Verlobte und jemand anderes. Dieser Jemand wurde von mir im Text “Der Lügenplaner” ausreichend porträtiert (Huch, jetzt habe ich alles verraten, was Schulklassen nach meinem Tod erst interpretieren und erarbeiten sollten!) und hatte die Angewohnheit, sich Sachen einzureden, die weder wahr, noch möglich waren. Eine dieser Einredungen lautete, dass ich und er total gute Superkumpel seien. Als ich lachend nachfragte, wie er diese Behauptung untermauern könnte, hieß es, dass ich ihn ja immer mit “Hallöchen” begrüßen würde, was ja zeige, dass wir megalocker miteinander umgehen würden. Und Freunde seien. Gute Freunde. Und darum sei es auch schade, dass ich mich in besagter Streitsituation nicht auf seine, sondern auf die Seite meiner Verlobten gestellt hätte.

Ich hatte ja keine Ahnung. Ich wusste nicht, dass das Wörtchen “Hallöchen” eine tiefere Verbundenheit miteinander symbolisiert, als ein am Finger getragener Verlobungsring und eine geplante Hochzeit. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, mit wem ich nach dieser Wortdeutung alles befreundet bin, wird mir schwarz vor Augen. Ich benötige unbedingt ein größeres Adressbuch. Ich muss neue Freunde notieren. Viele Freunde. Gute Freunde.

Nach diesem Vorfall denke ich ernsthaft darüber nach, wie ich die angesprochene Person beim nächsten Mal (sollte es ein nächstes Mal überhaupt geben) begrüßen soll. Äußere ich ein neutral und auf Abstand bedachtes “Guten Tag.”? Ein abweisendes “Na?”? Oder doch besser ein “Ey, du, ich find dich nicht so gut.”? Gibt es irgendwo ein Definitionsbuch für Begrüßungsfloskeln, in dem ich mich über eine situationsbedingt angebrachte Wortwahl informieren kann? Und wenn nicht: Würde ich viel Geld damit verdienen, brächte ich ein solches Werk auf den Markt?

So viele Fragen und noch immer keine Antwort. Vielleicht streiche ich “Hallöchen” einfach wieder aus meinem Wortschatz und greife erneut vollständig auf “Moin” zurück. Insgesamt sind mir die sich ewig wiederholenden Nachfrager dann doch lieber, als Menschen, die sich einreden, ich würde sie mögen und das dann auch noch rumerzählen.

Zum Schluss schon mal eine Notiz bezüglich eines Eintrags in mein Floskelbuch:

“Hallöchen”: Negiert Verlobung, Hochzeitsversprechen und ähnliche Treuegelöbnisse. Verpflichtet zur ewigen Unterstützung der Person, der es entgegengebracht wurde und in Streitfällen zum bedingungslosen auf dessen Seite stellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert