Gestresste Rolltreppen zum Umsteigen

Durch Stillstand geht die Welt zugrunde. Schnelligkeit, Aktualität, Hektik. Dies sind die wohl wichtigsten Eigenschaften, die die heutige Generation von Menschen anscheinend benötigt, um überleben zu können.

Dies lässt sich leicht erkennen. Mal eben schnell zum Bäcker, eben schnell einkaufen, eben schnell dahin fahren und gleich danach mal eben dorthin. Dies ist der ganz alltägliche Tagesablauf eines jeden Menschen. Stress ist wichtig, denn man macht ihn sich absichtlich. Warum denn unbedingt “schnell” zum Bäcker? Kann man nicht “gemütlich” zum Bäcker? In Ruhe hin und in Ruhe wieder zurück? So einfach wäre das. Aber nein. Bloß keine wertvollen Minuten im Leben verlieren. Es gibt ja noch so viel zu tun.

Zunächst möchte ich aber noch anmerken, dass ich zwischen zwei verschiedenen Arten von Stress unterscheide. Zuerst einmal haben wir da den “nötigen Stress”. Dieser kommt bei jedem vor und ist auch vollkommen normal. Ein Beispiel wäre es, wenn man um 12 Uhr einen wichtigen Termin hat und um 11:50 Uhr plötzlich bemerkt, dass der Wecker kaputt ist und man deswegen verschlafen hat und, wenn man sich an die eigentlich gewöhnlichen Hygieneabläufe am Morgen halten möchte, man den 15 Minuten langen Weg zum Treffpunkt niemals schaffen würde. Hier würde auch ich sagen, dass der Stress gerechtfertigt und vollkommen angebracht ist (es sei denn, man mag die Person, die man treffen sollte, eigentlich überhaupt nicht und hat, wenn man mal genauer darüber nachdenkt, irgendwie schon absichtlich verschlafen (was ich zutiefst verurteilen würde)).

Aber dann gibt es da noch die von mir “unnötigen Stress” genannte Stressform. Hierunter verstehe ich Situationen wie bereits im früheren Verlauf meines Textes (ich hoffe, sie haben nicht einfach in der Mitte angefangen zu lesen) erläutert habe. Immer wenn ich in der Stadt bin, sehe ich Leute herumhetzen, ihre Kinder mit sich ziehen und ganz gestresst andere noch viel gestresstere Leute anrempeln. Warum tun sie dies? Vielleicht weil sie sonst ihren Bus verpassen würden? Ja und? Nehmen sie eben den nächsten. Dann können sie sich auch noch mehr Zeit beim Einkaufen lassen. Haben diese Leute vielleicht Angst, dass jemand ihnen das geplante Kaufprodukt vor der Nase wegschnappt? Diese Sorge halte ich für sehr unangebracht.

Je länger ich darüber nachdenke wird mir klar, dass ich unser heutiges Zeitalter des Stresses nicht verstehe. Klar, es kann ja mal vorkommen, dass man die Zeit ein wenig vergisst und sich wirklich beeilen muss. Das geht jedem so. Aber dass einige Leute bei allem gleich in Panik ausbrechen müssen… unverständlich.

Ein gutes Beispiel, welches diese unnötigen Stress-Situationen demonstriert, erlebe ich des öfteren am Bahnhof. Wenn ich umsteigen muss informiere ich mich (am besten bevor es zum Akt des Umsteigens kommt) darüber, wo ich hin muss und gehe dann zielsicher (Logik ist schon was feines) zu besagtem Gleis. Dort steht dann (wenn alles geklappt hat) ein Zug. In diesen muss ich eigentlich nur einsteigen. Ich gehe also los… und dann passiert es: Die Menschenmasse, die ebenfalls aus meinem Zug ausgestiegen ist (mit dem gleichen Zug als Umsteigeziel) stürmt los.

Jeder kennt doch diese Tierfilme in denen riesige Horden von wilden und mordlustigen Büffeln auf die Kamera zurennen. Dieses Bild habe ich in solchen Situationen vor Augen, wenn ich mich, aufgrund des lauten Trampelns und Schnaufens hinter mir, umdrehe um zu sehen, was diese animalischen Laute hinter mir erzeugt. Da kann man schon Angst bekommen.

Aber das ist ja noch nicht alles. Das sensationellste an diesem gruppenorientierten Herumstürmen ist die verwirrende Tatsache, dass viele Leute zunächst am Zug vorbeirennen! Sie steigen nicht gleich ins erste Abteil ein um von dort aus in Ruhe weiter nach vorne zu gehen um sich dort einen gemütlichen Platz zu suchen. Nein, die rennen noch vier oder fünf Abteile weiter! Völlig im Stress hetzen sie weiter nach vorne in der Angst, der Zug könnte einfach so losfahren. Der Schaffner könnte ja blind sein und nicht merken, dass da noch Leute direkt neben dem Zug herumlaufen um in diesen einzusteigen. Völlig außer Atem bespringen sie dann irgendwann die Tür eines ein klein wenig weiter vorne liegenden Abteils um ihre scheißgebadeten Körper schwitzend in Sitze zu siffen, die bereits vorher von aus genau dem gleichen Grund schwitzenden Menschen vollkommen eingesifft wurden. Erst hier beginnen sie, sich zu beruhigen.

Gleich darauf betrete ich dann den Zug. Ruhig, ausgeruht, voller Energie. So gehe ich dann ganz ruhig in eines der vorderen Abteile und setze mich auf einen leeren und nicht eingeschwitzten Sitz. Denn um nach hier vorne zu kommen fehlt es den vollkommen erschöpften Rennmonstern von vorher einfach an Energie. Man kann also sagen, dass ich von der Rennlust der Menschen profitiere.

Um mich mal wieder ein bisschen von den fahrenden Elementen zu entfernen, möchte ich nun auf einige rollende Objekte zu sprechen kommen. Hiermit meine ich Rolltreppen. Ich bin eigentlich ein sehr energischer Rolltreppenbenutzer, denn wenn ich erst mal auf einer stehe, dann stehe ich auch darauf. Sich stehend fortbewegen ist meiner Meinung nach eines der ersten wirklichen Zeichen des Fortschritts von dem im Augenblick alle reden und den auch irgendwie alle ganz ganz toll finden.

Was ich dann wiederum nicht verstehen kann ist, dass es einige Leute gibt, die buchstäblich diesen Fortschritt mit Füßen treten! Ich rede hier jetzt nicht von den Leuten, die kurz bevor die eigene Rolltreppenstufe den Boden erreicht, man diese bereits verlässt und vielleicht zwei oder drei Stufen weitergeht. Ich rede von den Leuten, die die GESAMTE Rolltreppe belaufen. Können die nicht einfach die normale Treppe nehmen und all die gewissenhaften Rolltreppler wie mich einfach in Ruhe rolltreppeln lassen? Nein! “Kann ich wohl mal eben vorbei?” Wenn ich das schon höre! Ein kleiner Schups, den Schnürsenkel zwischen zwei Treppen klemmen, warten und “schwups” ist das Problem gelöst. Leider hat man nach einer solchen Aktion ein größeres Problem mit sogenannten Hütern der Ordnung weshalb ich diese hier beschriebene Methode zur Herstellung absoluter Ruhe bisher auch noch nicht ausgeführt habe.

Ich frage mich in solchen Situationen immer, warum die unbedingt da hoch laufen müssen. Sie scheinen ja einen Haufen Zeit durch das ruhige Herumrollen zu verlieren. Ist ja auch unglaublich zeitaufwändig.

Eine Lösung wären vielleicht extra eingerichtete Expressrolltreppen. Diese haben die gleiche Geschwindigkeit wie die normalen Rolltreppen, sind aber extra für Leute, die dort hoch rennen möchten. Die Stufen könnte man zur Sicherheit ja noch mit extra rutschfesten Böden ausstatten, um die Verletzungsgefahr zu verringern.

Sollte diese Forderung tatsächlich irgendwann mal durchgesetzt werden, fordere ich aber natürlich auch gleich einen Gemütlichen Teppich und vielleicht einen kleinen Sessel auf jeder Stufe der Rolltreppe für die normalen Rolltreppler.

Um das ganze hier nun zu einem Ende zu bringen bedanke ich mich einfach bei allen, die diesen Text hier in Ruhe gelesen und damit ihr Leben bereichert haben. Ihr habt vielleicht ein paar Minuten eures Leben verloren, wurdet aber hoffentlich im Gegenzug ein klein wenig unterhalten. Wenn nicht, sprecht mich einfach, wenn ihr mich mal sehen solltet, auf einer Rolltreppe darauf an, denn im Stehen vorwärts kommen und dabei auch noch intelligente und interessante Diskussionen führen… ja… DAS nenne ich wirklich Fortschritt!

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