Im Blick zurück grenzt es manchmal an ein Wunder, dass bestimmte Dinge geschehen sind. Im Jahre 1999 besuchte ich die siebte Klasse eines Gymnasiums und interessierte mich zwar für Musik, aber nicht in dem Maße, dass ich mir Musikzeitschriften kaufte, geschweige denn sie in Zeitschriftenregalen überhaupt beachtete. Trotzdem schaffte es ein Klassenkamerad, den ich an dieser Stelle einfach nur M nennen werde, meine Aufmerksamkeit auf ein solches Magazin zu lenken. Lustigerweise hatte das absolut gar nichts mit Musik zu tun, sondern mit der Fernsehserie “South Park”.
Ich werde an dieser Stelle nicht viele Worte über die Serie “South Park” verlieren. Sie ist nur ein Beispiel, mit dem ich meine Aussage im ersten Satz dieses Textes belegen möchte. Es geht mir um das, was die Serie verursacht hat. Aber ich will nicht zu weit vorausgreifen.
Die Rede ist von der Musikzeitschrift “Visions” aus dem Jahre 1999, genauer gesagt von der Ausgabe mit der Nummer 79. Auf deren Titelbild blickten einem die vier jungen Protagonisten der Serie entgegen. In der Zeitschrift wiederum stieß man auf einen mehrseitigen Bericht, der dem Leser die Charaktere, das Konzept und die Inhalte der Serie näherbrachte. Auch wurde auf die deutsche Synchronisation eingegangen, hier wurde vor allem harsche Kritik an der schlechten Übersetzung von Schimpfwörtern geübt. Auch den Artikel will ich hier nicht im Detail besprechen. Ich weiß schließlich noch nicht einmal, was er überhaupt in einer Musikzeitschrift zu suchen hatte. Vermutlich ging es in der “Visions” nicht nur um Musik, sondern auch um das abartige Wort Lifestyle. Wie auch immer die Gründe lauten mögen, M legte mir die Zeitschrift vor die Nase, ich las den Artikel und war Feuer und Flamme.
Kurze Zeit später lief ich in den nächstbesten Zeitschriftenladen und kaufte mir ein eigenes Exemplar der “Visions”, was gleichzeitig das erste Exemplar einer Musikzeitschrift darstellte, das ich mir in meinem Leben gekauft hatte. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft ich den Artikel über “South Park” las, es muss dutzende Male gewesen sein. Ich verschlang ihn, zerkaute jedes Wort, bis nur noch ein zähflüssiger Brei übrigblieb. Das Ganze wurde unzählige Male wiederholt. Ich war ein lesender Wiederkäuer.
In der Schule unterhielt ich mich mit M über den Artikel. Wir waren empört über die schlechte Synchronisation, ohne auch nur eine einzige Folge der Serie gesehen zu haben. Als wir dann im Informatikunterricht eine eigene Internetseite erstellen sollten, um mit unseren HTML-Fähigkeiten anzugeben, stand unser Thema bereits fest: “South Park”. Wir programmierten eine Internetseite und füllten sie mit eingescannten und abgeschriebenen Inhalten aus der “Visions”. Ich erinnere mich noch daran, wie wir unseren Lehrer fragten, ob es in Ordnung sei, so viele Schimpfwörter zu verwenden. Ihm machte das nichts aus, wir fühlten uns erwachsen und packten jedes noch so kleine Schimpfwort auf die Seite, das wir in unserer Zeitschrift finden konnten. Sowohl das englische Originalwort als auch die deutsche, angeblich schlechtere, Übersetzung.
Als wir mit der Seite fertig waren, hatten wir große Pläne. Wir wollten eine inoffizielle, deutsche “South Park”-Fanseite erstellen. Leider wurde das Projekt nicht verwirklicht. Warum, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich es M zu verdanken habe, dass er mich mit Hilfe einer Musikzeitschrift auf die Fernsehserie “South Park” aufmerksam gemacht hat.
Warum dankbar? Die Serie wurde zu meiner absoluten Lieblingsserie. Sie war die erste Serie, über die ich mich im Internet informierte. So stieß ich irgendwann auf einen “South Park”-Fanchat, in dem sich regelmäßig eine kleine Truppe deutscher Anhänger der Serie traf und sich miteinander unterhielt. Es entstanden Freundschaften. Im Jahre 2001 wurde dann ein Treffen unter den Chattern organisiert. In Karlsruhe traf man zum ersten Mal in der Realität aufeinander. So kam es, dass ich den ersten, richtigen Blick auf meine heutige Frau werfen konnte.
2002, unzählige Chatstunden und ein paar persönliche Treffen später, schrieb ich ihr über das Internet, dass ich mich in sie verliebt hatte. 2005 zogen wir zusammen nach Frankfurt. 2009 heirateten wir.
Eine meiner Lieblingsszenen in “South Park” ist die Folgende: Ein Mann steht vor einer Karte der Vereinigten Staaten und erklärt den anwesenden Menschen etwas. Dieses Etwas hier genauer zu erklären, würde den Rahmen meines Textes, aber auch der Logik sprengen. Dabei markiert der Redner allerlei Dinge auf besagter Karte. Er zieht Linie um Linie und nach und nach erkennt der Zuschauer, dass hier gerade unbewusst ein Penis gezeichnet wird. Als ich die Szene zum ersten Mal sah, war mein bester Freund anwesend. Wenn einer von uns etwas lustig findet und mit dem Lachen beginnt, stimmt der andere stets mit ein. Unsere Freundschaft war und ist auch heute noch davon geprägt, sich gegenseitig mit dem Lachen anzustecken. Darin waren wir ziemlich gut. Und darum auch so gute Freunde. Man steigerte sich in einen Lachanfall hinein und fiel irgendwann zu Boden. Ein gezeichneter Penis. Freundschaft.
Mit der gleichen Person war ich einmal in dem Leslie-Nielsen-Film “Sehr verdächtig”. Hier gab es eine Szene, die ich unmöglich beschreiben kann. Kurz gesagt geht um den Protagonisten, ein wackelndes Auto und laute Musik. Warum wir diese Szene so unglaublich lustig fanden, ist wieder einmal eine Sache, die wohl niemals beantwortet werden kann. Wir lagen einfach plötzlich auf dem Kinoboden und lachten sowohl über den Film als auch die Tatsache, dass es dort unten ziemlich dreckig war. Und wir somit auch. Das Aufstehen gestaltete sich schwierig. Das Lachen stellte sich nur sehr langsam ein und außerdem klebten wir dank Popcorn- und Colaüberresten auf dem Boden fest.
Auch gut gelacht wurde während eines Barbarenfilms, obwohl der angesprochene Freund diesmal nicht dabei war. Dafür aber viele andere gute Freunde. Ebenfalls anwesend war ein Barbarenmann, der einen Löwen erschlug und dessen Kopf von nun an als Hut trug. Fantastisch. Ich fiel tatsächlich vom Stuhl und konnte nicht mehr.
Vor wenigen Tagen lachte ich darüber, wie jemand in einer Internetsendung über einen Witz lachte, den er soeben auf einem Zettel gelesen hatte. Der Witz sollte eigentlich vorgelesen werden, doch der Lachende konnte einfach nicht mehr richtig sprechen. Ich lachte mit, ohne den Witz zu kennen. Bis ich keine Luft mehr, dafür aber höllische Bauchschmerzen bekam. Ich verließ das Zimmer, in dem die beschriebene Sendung gerade lief, und begab mich in einen angrenzenden Raum. Dort fiel ich um. Mir wurde schwarz vor Augen und ich sah Sterne. Ob nun gleichzeitig oder nacheinander, kann ich nicht mehr rekapitulieren. Der Lachkrampf hielt noch einige Sekunden lang an. Kurz befürchtete ich, das Bewusstsein zu verlieren. Zum Glück riss ich mich irgendwann zusammen. Ich lache gerne. Auch, wenn es manchmal in harte und schmerzhafte Arbeit umschlagen kann.
Danke M. Du hast dafür gesorgt, dass ich ein “South Park”-Fan wurde und so meine Frau kennenlernte. Selbstverständlich will ich nicht behaupten, dass dies ohne dich nicht passiert wäre, doch gerade jetzt, in meinem Leben, in meiner Gegenwart, bist eben du dafür verantwortlich. Und das finde ich gut. Fast so gut wie das Penisbild. Das war, so ehrlich muss ich an dieser Stelle einfach sein, dann doch ein ganz kleines bisschen besser.