Ist es nicht toll, dass es gegen unglaublich viele Krankheiten eine passende Medizin gibt? Kopfschmerzen? Kein Problem: Einfach eine Kopfschmerztablette einwerfen und schon sitze ich eine Stunde lang mit Magenkrämpfen auf der Toilette und habe andere Sorgen als einen schmerzenden Kopf. Super Sache. Wirklich! Ich sitze gerne auf der Toilette und habe dort bereits einige Lebenserfolge feiern dürfen. Vor allen im Bereich der Handheld-Videospiele. Ich weiß noch, wie ich mir einmal an der letzten “Mario Kart”-Strecke der GBA-Version die Zähne ausgebissen hatte, mich dann eines Tages frustriert auf die Toilette hockte und dort besagte Strecke beim ersten Anlauf auf dem ersten Platz beendete. Das ist kein Einzelfall. Schwere Picross-Rätsel? Geschicklichkeitseinlagen? Wenn alle Stricke reißen, setze ich mich einfach auf den Topf. Und gewinne. Die Toilette ist also nicht nur Medizin gegen Magenprobleme, sondern auch gegen Videospielfrust. Dass man die WiiU durch die Wohnung tragen kann, war mit der Hauptgrund, sie mir zuzulegen. “Bayonetta 2”? Komm nur. Ich habe keine Angst mehr. Ich werde vermutlich wie du eine Brille zum Bestehen deines Abenteuers benötigen, auch wenn meine nicht auf mir, sondern ich auf ihr sitze.
Dass Medizin gut ist, habe ich damit glaube ich ziemlich wissenschaftlich bewiesen, aber um ehrlich zu sein, nehme ich nur recht selten welche zu mir. Eigentlich versuche ich immer, ihre Einnahme zu vermeiden. Das ist so eine Kopfsache bei mir. Erst einmal dem Körper die Chance geben, die Sache selbst in den Griff zu bekommen und ein wenig die Zähne zusammenbeißen (außer bei Zahnschmerzen). Kopfschmerzen überstehe ich in der Regel durch Konsum extremer Wassermengen. Ich weiß eigentlich gar nicht, ob das hilft, aber ich rede es mir ein. An Kopfschmerztagen schüttele ich übrigens in regelmäßigen Abständen kurz den Kopf, um zu kontrollieren, ob ich auch wirklich noch Kopfschmerzen habe. Das verursacht dann meistens ziemliche Kopfschmerzen und ist mindestens genauso ziemlich dumm. Darum besser schnell einen Themenwechsel durchziehen, sonst stelle ich mich den Rest des Textes wieder als total fehlerhaft dar, um meine Kritikfähigkeit zu demonstrieren. Abartig ist das.
Leider gibt es nicht für jede Krankheit die richtige Medizin. Vor allem gegen schlechte Erinnerungen habe ich noch kein Medikament gefunden. Schlechte Erinnerungen sind mit das Schlimmste, das mir mehrmals die Woche über den Weg läuft. Nein, keine Sorge, ich hatte keine verkorkste Jugend. Über meine schlechten Erinnerungen würden sich manche Menschen vermutlich freuen. Ich denke häufig über Fehler nach, die ich in meinem Leben begangen habe. Ich bin zwar der Meinung, dass man aus Fehlern wunderbar lernen kann, leider hilft Lernen nicht immer dabei, die Erinnerungen an gemachte Fehler daraufhin wieder zu vergessen. Wenn ich nachts im Bett liege, dreht mein Gehirn gerne mal am Rad und erinnert mich an Situationen aus meiner Grundschulzeit, in denen ich mich falsch verhalten habe. Oder aus der Zeit am Gymnasium. Im Grunde ist meinem Gehirn Zeit völlig egal. Es springt wild durch meine Vergangenheit und erinnert mich einfach an alles, was mir in irgendeiner Form unangenehm sein könnte. In einem anderen Text habe ich bereits beschrieben, was ich mir ausgedacht habe, um nachts zur Ruhe zu kommen, darum möchte ich das Ganze hier nur kurz zusammenfassen: Ich erfinde fast jede Nacht eine Geschichte, die ich im Kopf nachspiele. Dadurch blende ich alles Reale um mich herum aus, verbanne die negativen Gedanken in den dunklen Geistesabgrund, aus denen sie gekrochen kamen, und kann so in Ruhe einschlafen. Ob man das Meditation nennen kann, weiß ich nicht, ist letztendlich auch egal. Man muss ja nicht immer gleich alles irgendwie benennen.
Obwohl ich also ganz gut mit negativen Erinnerungen umgehen kann, nerven sie mich. Ich erinnere mich zum Beispiel regelmäßig an eine ganz bestimmte Situation, in der ich als kleines Kind im Grundschulalter meine Mutter geärgert habe. Warum ich mich an diesen einen Moment erinnere, weiß ich nicht. Als Kind ist man eben manchmal gemein. Aber trotzdem macht es plötzlich klick in meinem Kopf und ich habe ein schlechtes Gewissen. Das ergibt doch nun wirklich keinen Sinn. Es ist ja schön, dass ich auch über zwanzig Jahre später noch weiß, dass ich in dieser Situation kein nettes Kind gewesen bin… aber daraus lernen kann ich nun nicht mehr wirklich etwas. Oder?
Genau da liegt mein Hauptproblem. Es gibt auch heute noch Situationen, in denen ich ein Arschloch bin. Entschuldigt die Ausdrucksweise, ich kann nichts dafür, dass mein Drucker so laut ist und es besteht keine andere Möglichkeit für mich, Texte auszudrucken. Oder mal einen Absatz keinen Blödsinn zu erzählen. Leider bemerke ich meine Arschlochexistenz immer erst nach ihrem Eintreffen. Diese Situationen sind mir dann immer sehr unangenehm. Manchmal bin ich daraufhin richtiggehend wütend auf mich selbst. Warum ich hin und wieder ein Arschloch bin? Keine Ahnung. Ich will eigentlich keins sein. Und grundsätzlich bin ich auch ein ziemlich netter Kerl. Aber eben nur grundsätzlich. Grundsätzlich bedeutet leider: Nicht immer. Also habe ich aus meinen Jugendsünden wohl doch nicht genug gelernt und habe schlechte Erinnerungen verdient. Oder?
Ich weiß es nicht. “Verdient” ist in diesem Zusammenhang sowieso ein bescheuertes Wort. Wer kann schon beurteilen, was man verdient hat und was nicht. Ich kann nur beurteilen, dass ich nicht weiß, ob ich eine Medizin für das Vergessen schlechter Erinnerungen trotz alledem tatsächlich schlucken würde. Ja, sie nerven und machen mich manchmal wirklich fertig. Aber auf der anderen Seite sollen sie mich ruhig an die Momente erinnern, in denen ich mich wie ein Vollidiot verhalten habe. Ich hoffe, dass sie mir dabei helfen, mich zu verändern. Es wird in meinem Leben wohl immer etwas geben, das mir unangenehm sein wird. Aber wenn Erinnerungen dafür sorgen, dass ich mich anders beziehungsweise besser verhalte, dann sollen sie ruhig bleiben. Der Film “Nothing” demonstriert wunderbar, wie ein Mensch seine Identität verliert, wenn er seine negativen Erinnerungen und Ängste einfach verschwinden lassen könnte. Am Ende wäre man nur noch ein Kopf ohne Körper, der durch das weiße Nichts springt und… nein… wartet… das war alles irgendwie anders. Ist ja auch egal. Popkulturelle Referenzen müssen hin und wieder einfach sein. Auch, wenn sie nicht passen. Wegen der Popkultur. Da steckt Kultur drin und das will man ja mit seinen Texten erreichen. Kultur erreichen. Was für ein Blödsinn. Hoffentlich erinnere ich mich noch viele Jahre lang an dieses Textrauerspiel.
Manchmal ist es lustig, sich eine Parallelwelt vorzustellen, in der man manche Dinge nicht getan hat. Wo wäre ich heute, wenn ich nicht mit dem Schreiben angefangen hätte? Wo wäre ich heute, wenn ich meiner ersten Liebe diese gestanden hätte? Diese Fragen werden vermutlich niemals beantwortet werden. Aber das müssen sie ja auch nicht. Ich habe genug mit den Dingen zu tun, die sich wirklich um mich herum ereignen und begehe dabei genug Fehler, aus denen ich lernen muss. Wie jeder andere auch. Jetzt nehme ich mal eine Tablette Lachgas. Das ist hier ja nicht auszuhalten!