Gemeinsam lachen

Jeder weiß, dass Lästern einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Umgangs darstellt. Nichts ist schöner und fällt leichter, als über die Fehler Anderer zu reden. Außerdem findet man zu diesem Thema wirklich immer einen Gesprächspartner. Lästern verbindet und ich selbst zähle mich hin und wieder ebenfalls zu den Lästerern. So schreibe ich in meinen Texten zum Beispiel sehr gerne über beobachtete gesellschaftliche Fehler und die Menschen, die diese begehen.

Doch wer sind eigentlich die größten Lästermäuler der Gesellschaft? Sind es neugierige Nachbarn? Ist es die alte Frau, die den ganzen Tag über in ihrem Garten / auf ihrem Balkon / am Fenster auf ein Kissen gelehnt sitzt, jeden beobachtet, alles dokumentiert und dabei auch noch jeden Passanten in Tratschreichweite ansprechen muss? Auch, wenn diese Kandidaten definitiv an der oberen Spitze der Lästerkette sitzen, sitzen sie nicht auf deren Thron. Dort haben es sich nämlich Schüler bequem gemacht.

Zu dieser Erkenntnis komme ich immer wieder aufs Neue, wenn ich entweder morgens oder mittags mit der U-Bahn durch Frankfurt fahre und dort auf Schüler treffe, die entweder gerade zur Schule fahren oder von dieser kommen. Im Grunde wird in dieser Zeit nichts anderes getan, als gelästert. Die Lehrer sind schuld daran, dass man nichts lernt, Mitschüler werden nach Kriterien wie “Schönheit”, “Intelligenz” oder “Gesicht” sortiert und zum Schluss hat man die gesamte Schule in ein riesiges oberflächliches Schubladensystem gesteckt.

Dieses einmalige Gestecke reicht aber natürlich nicht aus, denn offenbar leiden Schüler unter einem siebhaften Gehirnaufbau der sie alles bereits besprochene nach nur einem Tag wieder vergessen lässt, wodurch man die obigen Themen immer wieder aufs Neue ausdiskutieren muss.

Mein bisheriges Lieblingsschulgespräch hat nicht nur mich, sondern auch die restlichen erwachsenen U-Bahnfahrer in dessen Umgebung erheitert. Zwei jugendliche Mädchen saßen sich gegenüber und das Eine erzählte dem Anderen ohne Pause, wie schlimm ihre Schulzeit gerade sei.

Es war wirklich gar nichts gut. Zusammenfassend kann man sagen, dass sie nichts lernte, weil die Lehrer nicht gut erklären konnten, sie aber gleichzeitig bereits alles wusste, wodurch die Lehrer ihr nichts Neues mehr erzählten. Gerne hätte ich sie gefragt, warum ein Alleswisser etwas erklärt haben wollte, doch ersparte ich mir die Frage und hörte der Rednerin weiter dabei zu, wie sie sich immer weiter in Widersprüche verstrickte.

Da sie ihre Rede in einer Lautstärke hielt, die man nur schwer überhören konnte, war es mir auch nicht möglich meine Gedanken in eine andere Richtung schweifen zu lassen als die ihre. Ich dachte kurz an meine Schulzeit und erinnerte mich daran, dass es damals genauso war. Es waren grundsätzlich die Lehrer Schuld am eigenen Leid und sollte dies tatsächlich einmal der Fall gewesen sein, hat einem dies kein Außenstehender geglaubt. Schließlich sagten das alle. Als mir dann bewusst wurde, dass ich das Wort “damals” verwende, wenn ich über meine Schulzeit nachdenke, kam ich mir alt vor und ich konzentrierte mich wieder auf das Mädchen vor mir.

In diesem Moment realisierte ich, dass ich nicht der einzige Mensch in der U-Bahn war, der Probleme damit hatte, seinen eigenen Gedanken nachzugehen. Die junge Dame war umgeben von grinsenden Gesichtern, die sich gegenseitig ansahen und mit dem Kopf schüttelten. Offensichtlich hörte der halbe Waggon den Schulproblemen einer Heranwachsenden zu. Dies allein war für mich bereits ein toller und erheiternder Anblick, die Situation gipfelte jedoch in kurzzeitigem lautem Gelächter, als die Schülerin folgendes sagte:

“Englisch ist zum Beispiel auch schlimm. Das habe ich ja bei der Frau Dingens (Name geändert). Die hat mir in meiner letzen Arbeit mal eine Formulierung angestrichen, die eigentlich richtig war. Das war nämlich gehobenes Englisch. Das hat die einfach nicht verstanden.”

In diesem Moment mussten sämtliche der sie umgebenden Mitfahrer lachen, einige schauten fassungslos in ihre Richtung und schüttelten den Kopf. Die gesamte Situation war großartig und auch ich konnte einen Lacher nicht unterdrücken. Das wollte ich aber auch gar nicht. Denn ist es nicht schön, wenn man mit fremden Leuten, ohne sich vorher abgesprochen zu haben, unfreiwillig so gut unterhalten wird, dass man in gemeinsames Gelächter ausbricht? Ich fand es großartig. Viele deutsche “Comedians” würden für eine solche Publikumsreaktion sicherlich töten.

Die Lästerin hat das Alles aber entweder nicht mitbekommen oder gekonnt ignoriert und sich nichts anmerken lassen. Kurz darauf musste sie aber auch aussteigen. Unter den Blicken erheiterter Menschen. Lästern verbindet.

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