Fußgängerampeln an die Leine

Dies ist ein Test. Keine Angst, oh holde Schülerschaft, dieser Text dient nicht der Wissenskontrolle eurer schon genug strapazierten Gehirne. Eher handelt es sich hier um einen Selbsttest. Ich möchte wissen, ob ich noch schreiben kann. Warum ich meine schreiberischen Fähigkeiten in Frage stelle? Dies entspricht eigentlich gar nicht den Tatsachen, ist aber ein toller Aufhänger für einen aus meiner Feder entsprungenen Text. Mit einer Feder schreibe ich übrigens nicht. Ich mag lediglich diese Floskel und hatte mir schon lange mal vorgenommen, diese zu verwenden.

Doch weg von den Floskeln, hin zum Ernst des Lebens: Vor kurzem lief ein Bericht im Fernsehen, der meine Aufmerksamkeit forderte, diese auch prompt erhielt, als ich seinen Inhalt wahrnahm. Alles drehte sich um ein kleines Mädchen, welches von einem unangebundenen Kampfhund angegriffen und für den Rest seines Lebens entstellt wurde. In diesem Thema ist an sich nichts lustiges zu finden, doch als ich ein wenig in den Hintergründen herumkramte, stellte sich meine These, dass das Leben eigentlich doch immer etwas lustiges zu bieten hat, wieder einmal als wahr heraus. Es wurde darüber diskutiert, ob man nicht die Gesetze gegen Hundebesitzer verschärfen sollte. Man wolle mehr darauf achten, dass Hunde von nun an angeleint sind und mit Maulkorb herumlaufen. Hundebesitzer, die diese Gesetze missachten, würden bestraft werden. Amüsiert schaltete ich mit dem Gedanken „Im Fernsehen laufen wirklich nur Wiederholungen“ ab und betrat stattdessen die Außenwelt.

Die Außenwelt ist großartig: Viele Menschen auf einem Haufen und jeder denkt, seine Meinung sei etwa zweieinhalbmal wichtiger, als die seiner Mitmenschen. Und ich mittendrin. Und wie ich so herumschlenderte und dabei in Gedanken versunken unangeleinte Kampfhunde zählend eine Straße überquerte, musste ich neben mir folgenden Satz hören: „Guck mal! Der Mann geht bei rot! Mach das bloß nicht nach, sonst kommst du ins Gefängnis!“

Ich war leicht verdutzt, erkannte aber das Problem. Ich hatte eine Fußgängerampel bei rot überquert. Warum? Weil kein Auto kam. Und zwar so richtig kein Auto. Die Straße war lang und gerade. Man hatte einen tollen Überblick und dieser Blick sprach mehr als tausend Worte. Es war nirgends ein Auto zu erkennen. Warum hätte ich die Straße also nicht überqueren können? Die Antwort ist ganz einfach: Rot. Klingt doof? Ist aber so.

Wenn ich während der „Rotphase“ (klingt wie Brotblase, was ein lustiges, jedoch absolut themenunbezogenes Wort darstellt, welches aber unbedingt einmal ausgesprochen werden musste) die Fahrbahn überquere, begehe ich eine Ordnungswidrigkeit. Jawohl. Ich bin ein Verbrecher und schreibe darüber.

Bevor ich jetzt bei meinem nächsten Außenweltaufenthalt von einer aufgebrachten Horde Ampeln verprügelt werde, sind mal wieder streitschlichtende Worte vonnöten. Ich habe nichts gegen Ampeln. In einer Welt, in der die Menschen von Autos dominiert werden, sind Ampeln nötig. An vielbefahrenen Straßen und Kreuzungen hätte man als fußender Mensch gar keine Chance mehr, die andere Seite zu erreichen. Dass es rot leuchtende Gebilde gibt, die der fahrenden Menschheit Rücksicht vorschreiben, kommt mir sehr gelegen. Dass ich als Fußgänger nicht einfach auf die Fahrbahn rennen sollte, ist mir ebenfalls bewusst. Ist viel los, warte ich gerne. Meine Gesundheit ist mir schließlich genauso wichtig wie anderen Leuten ein von Lackschäden befreites Gestüt.

Doch warum soll ich an Straßen warten, an denen mein Gesicht keiner Lackkonfrontation ausgesetzt ist? Richtig: Weil rot.

Wenn ich morgens zum Bäcker gehe, ist da manchmal auch viel los. Dann begegne ich Menschenmassen auf kleinstem Raum. Auch hier sind Verletzungen durch heftige Kontaktaufnahme möglich. Darum fordere ich Ampeln vor vielbegangenen Bäckereien, um Aufgehunfällen aus dem Weg zu gehen. Auch im Restaurant könnten Ampeln Wunder wirken. Man dürfte zum Beispiel nur noch während der Grünphase des eigenen Tisches auf die Toilette gehen, um nicht mit dem Stuhl eines zeitgleich aufstehenden Menschen vom Nebentisch zu kollidieren. Ampeln sind toll, werden bisher aber noch zu selten genutzt. Durch dichtere Beampelung wäre das Leben der Menschen einfacher und sicherer. Denken müsste beim Gehen auch nicht mehr fabriziert werden. Denn die Farben leiten von nun an die eigenen Schritte.

Alle, die den vorherigen Abschnitt als übertrieben und verallgemeinernd bezeichnen, können sich gerne persönlich bei mir beschweren. Überquert auf dem Weg in meine Behausung aber bitte keine roten Ampeln, denn nachher würde ich noch der Mittäterschaft bezichtigt werden und müsste mich an den Bußgeldern für gesetzeswidrige Straßenüberquerungen finanziell beteiligen. Eine Beteiligung ist aber aus genau dieser finanziellen Sicht bei mir gerade ein wenig schwierig und somit bitte ich meine Leserschaft um ein wenig Rücksicht. Bleibt zu Hause. Da ist es sicherer.

Da ich gerade Rücksicht anschreibe: Mittlerweile nehme ich bei der Überquerung von roten Fußgängerampeln auch keine Rücksicht mehr auf Kinder. Ich bin schon als Kind über rote Ampeln gerannt, wenn ich alleine oder in Begleitung meiner Freunde war und auch die heutige Jugend verhält sich in diesem Bereich nicht anders. Lediglich, wenn die Eltern dabei sind, wird gestanden. Und warum? Weil die Eltern das so wollen. Eltern stehen mit ihren Kindern immer demonstrativ vor jeder roten Ampel und warten nur darauf, dass ein armer Depp eine rote Ampel überquert, um ihn mit herablassenden Sprüchen zu bombardieren und dem Kind zu zeigen, wie der Abschaum der Randgesellschaft aussieht. Dem Kind ist dies ab einem gewissen Alter meist unangenehm, da es ohne Elternbegleitung ebenfalls zu diesem Abschaum zählt. Ein Teufelskreis der Kindererziehung.

Ich bin mal gespannt, ob ich in ein paar Monaten vielleicht einen Bericht über Leute wie mich im Fernsehen sehen werde. Ich sehe schon die Schlagzeile: „Ein Mann überquerte bei Rot die Straße! Auto wurde für den Rest seines Lebens entstellt! Es wird seitens der Regierung darüber nachgedacht, die brutale Gruppe der Rotgänger mit Fußkörben zu versehen und sie von nun an nur noch auf den Händen laufen zu lassen. Schließlich sind für Handgänger Fußgängerampeln ungültig und somit hat dieser rabaukischer Abschaum der Randgesellschaft keine Möglichkeit mehr, Straßen zu überqueren und Autos zu gefährden!“

Ich möchte diesen Text mit einem Witz beenden. Dieser stammt aus meiner Grundschulzeit und ist im Bezug auf mein heutiges Thema herrlich treffend:

Ein Mann spaziert umher. Plötzlich sieht er ein kleines Kind auf dem Bürgersteig einer durch Bauarbeiten gesperrten Straße sitzen und weinen. „Was ist denn los, oh holdes Kind?“, fragt der Mann. „Ich kann die Straße nicht überqueren.“, weint das arme Kind. Der Mann ist erstaunt und fragt: „Aber warum denn nicht?“ „Weil kein Auto kommt.“, schluchzt das Kind. „Weil kein Auto kommt?“, wiederholt der Mann verdutzt. „Ja. Meine Eltern haben gesagt, ich darf die Straße erst überqueren, wenn das Auto vorbeigefahren ist. Ich sitze hier jetzt seit drei Stunden und noch kein Auto ist vorbeigefahren.“

P.S.: All den lustigen Hirnwesen, die jetzt denken „Ich gehe immer drei Meter von Fußgängerampeln entfernt über die Straße, dann ist das auch nicht strafbar“ und dabei schelmisch lachen, muss ich leider sagen, dass das Gesetz diesen Fall berücksichtigt hat. Wenn die Ampel in zumutbarer Nähe ist, muss sie auch genutzt werden. Dumm gelaufen.

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