Der erste Film des heutigen Tages auf dem Fantasy Filmfest 2015 begann erst um 14:15 Uhr. Das war ein wundervoller Luxus. Ganz entspannt frühstücken, Kaffee trinken, Brötchen essen und Schreiben. Wundervoll. Kein Blick auf die Uhr, keine Hektik, kein Stress. Durch mein langsames und entspanntes Vorgehen wurde es dann am Ende selbstverständlich doch ein wenig stressig. Aber lasst uns nicht weiter über Stress reden, sondern über Lebensfreude. Heute aß ich in einer Pause ein Fleischkäsebrötchen. Ich würde dieses Festmahl als die erste richtige Mahlzeit bezeichnen, die ich in den sechs Festivaltagen zu mir nahm. Das Fleischkäsebrötchen war wundervoll. Ich hatte das Randstück, und diese sind bekanntlich immer ein wenig dicker als die anderen Stücke. Der Metzgermann schnitt zunächst eine gewöhnliche Scheibe vom Fleischkäserest ab, erkannte daraufhin jedoch, dass der verbliebene Fleischkäserest nicht mehr separat als Fleischkäse verkauft werden konnte. Er war einfach zu dünn. Also legte er ihn mir einfach mit auf mein Brötchen. Ein Traum war das.
Geträumt habe ich interessanterweise kein einziges Mal während des Festivals, also zumindest kann ich mich an keinen Traum erinnern. Hin und wieder denke ich darüber nach, dass all die verrückten Filme mich während der Nacht doch eigentlich in irgendeiner Form beschäftigen sollten. Doch das ist nicht der Fall. Vielleicht habe ich das meinen Texten zu verdanken, schließlich verarbeite ich in diesen alle Gefühle und Gedanken und muss mich somit nicht mehr weiter mit diesen beschäftigen. Wobei zwischen Filmen und Texten ja immer eine Nacht liegt. Naja. Jetzt, wo ich es angesprochen habe, werde ich diese Nacht ganz bestimmt von Albträumen geschüttelt werden.
Apropos eine Nach: Dass ich immer erst am nächsten Tag diese Texte angehe, hat sich bereits als sehr gut erwiesen, da mir so viel Zeit bleibt, die Filme noch einmal Revue passieren zu lassen und sich ganz entspannt und in aller Ruhe eine Meinung bilden zu können. Für den einen oder anderen Film war das ein Vorteil. Für andere vielleicht aber auch eher ein Nachteil. Ihr wollt Beispiele? In meiner Familie hieß es immer: “Kinder die was wolln, kriegn was auf die Bolln.” Was nach einer Kindheit voller Schläge klingt, war selbstverständlich ganz anders. Wir fanden den Spruch einfach nur lustig. So lustig, dass ich ihn einfach nicht vergessen kann.
Vergessen habe ich dagegen das Packen von Kisten. Endete mein letzter Text noch mit einem motivierten “Ich packe jetzt!”, hatte ich das nach Onlinestellen des Textes bereits wieder zur Seite geschoben. So viel Zeit blieb dann doch wieder nicht. Man will ja schließlich duschen. Seht ihr? Ich kann hin und wieder auch an andere denken. Mit diesen Worten möchte ich nun an meine Leser denken, die vermutlich seit Minuten darauf warten, dass ich endlich über Filme schreibe. Na gut. Dann mache ich das jetzt.
Film 23 – 88
Traumatische Ereignisse in Asindika können bei linken Studentenhuren in Austrafrikopa Gedächtnisstörungen hervorrufen. Ach nein, das war ja der andere Film. Der mit den Schmetterlingen. “Kung Fu Killer”. Versteht ihr? Weil die da mit ihren Fäusten Dinge zerschmettern? Nein? Nicht gut? Dann lasst uns alle schnell traumatische Ereignisse durchleben, denn das kann dafür sorgen, dass man seine Erinnerungen verliert und eine neue Persönlichkeit entwickelt. Auf diese Art und Weise können wir alle ganz schnell diesen Absatz vergessen.
Der Protagonistin in “88” geschieht oben beschriebenes, also nicht das mit dem Zerschmetterling, sondern das mit dem Gedächtnis. Sie sitzt auf einmal in einem Café, weiß nicht, wie sie hergekommen ist, findet eine Knarre in ihrem Rucksack, wird mit der Knarre in der Hand von einer Kellnerin und ein paar in dem Café speisenden Polizisten gesehen und der Spaß kann beginnen. Wer ist die Frau, warum ist sie eine Frau, ähm, warum ist sie da, warum hat sie eine Waffe und woher kommt der Drang, andauernd Gläser voller Milch entweder leerzutrinken oder gegen Wände und Böden zu werfen?
All diese Fragen und noch viele weitere stellt sich der Zuschauer von “88”. Um die Antworten zu finden, muss man gut aufpassen, denn “88” greift auf die Erzählstruktur eines “Memento” zurück, indem man gleich mehreren Erzählsträngen folgen muss. Die Geschichte ab dem Café wird immer wieder von Erinnerungsfetzen unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen. Statt bei dem traumatischen Ereignis anzufangen, ist dies die Auflösung des Films. Die rückwärtsgerichtete Erzählweise macht Spaß, erwartet vom Zuschauer aber selbstverständlich auch ein großes Maß an Aufmerksamkeit. Man muss sich immer kleine Anhaltspunkte herauspicken, beispielsweise die Kleidung der Protagonistin, um eine Szene sofort richtig einordnen zu können. Das Ganze wird dabei jedoch nie zu kompliziert oder komplex. Am Ende von “88” hat man die Geschichte im Grunde zu 100% verstanden und erkennt, dass sie eigentlich gar nicht so etwas Besonderes darstellt.
Aber das war letztendlich nicht schlimm. Es gibt Bücher, die leben von der Sprache. Es gibt Lieder, die leben von der Musik, nicht von den Texten. Und genauso gibt es Filme, die von ihrer Struktur und Erzählweise leben. “88” ist ein solcher Film. Es hat Spaß gemacht, dem Thriller bei der Entwicklung zuzusehen. Leider war das Ende nun wirklich unglaublich vorhersehbar und ließ mich fast schon mit den Augen rollen, als daraus ein so großes Trara gemacht wurde. Trotzdem kann man sich “88” einmal ansehen. Er tut nicht weh.
Film 24 – Office
Die Arbeit in einem Büro kann unglaublich anstrengend sein. Ständig wollen die Firmenchefs irgendwelche Jahres-, Monats-, Wochen- und Tagesstatistiken von einem haben, die man dann nach der regulären Arbeitszeit in der Nacht erledigen muss. Da ist es verständlich, dass man nach einem harten Arbeitstag einfach mal nach Hause geht und seiner Frau sowie den zwei Kinder mit einem Hammer die Schädel einschlägt. Es gibt einfach Tage, an denen man für sich sein möchte. Da muss sich die Familie eben hinten anstellen. Wer sich nach einem solchen Tag ganz bestimmt nicht hinten anstellt, ist die Polizei. Die hält die beschriebene Umsetzung der “Ich brauche ein bisschen Abstand”-Gedanken für ein bisschen übertrieben und beginnt, gegen einen zu ermitteln. Nach einiger Zeit stellt sich dann heraus, dass der Hammermann sich nach seiner Tat wieder zurück in sein Büro zurückgezogen hat. Somit steht eine Sache fest: Irgendwo in einem riesigen Bürokomplex hält sich ein Killer versteckt. Als einer seiner ehemaligen Mitarbeiter ums Leben gekommen wird, spitzt sich die Lage zu.
Irgendwie fällt mir nicht viel zu “Office” ein. Er hat mir gut gefallen, hatte spannende Momente und über das Ende denke ich immer noch nach. Selbstverständlich werde ich dazu nichts mehr sagen, dennoch wollte ich es einmal betonen. “Office” lebt von seiner beklemmenden Büroatmosphäre. Zwischen gespielten Freundlichkeiten beherrscht das Konkurrenzdenken die Mitarbeiter. Man schenkt sich nichts, die Praktikantin wird nicht gemocht, die Chefs haben übertriebene Ansprüche und wer sich zu sehr in die Arbeit reinsteigert, wird ebenfalls nicht gemocht. Dass zwischen all diesen Elementen auch noch ein Killer durch das Büro marschiert, ist hier nur die Spitze des Eisbergs. All das hat mir wirklich sehr gut gefallen. Es gab zwar ein paar Längen, doch kann ich ohne Probleme über diese hinwegsehen. “Office” macht, was er machen will. Und das ziemlich gut.
Film 25 – Extraordinary tales
Edgar Allan Poe. Ein Name, wie er in Listen steht. Zum Beispiel in meinen Listen. Eine dieser Listen hat folgenden Titel: “Autoren, von denen ich endlich einmal etwas lesen möchte.” Vor einem Jahr stand auf dieser Liste beispielsweise Robert Gernhardt ganz weit oben, bis ich eines Tages ein ganzes Seminar über diesen besuchte und so endlich in den Genuss seiner Werke kam. Edgar Allan Poe dagegen steht weiterhin auf der Liste. Ich habe, zumindest nicht, dass ich wüsste, noch keinen einzigen Poe-Text gelesen. Das ist schade. Und ich will es wirklich sehr gerne nachholen. Allein mir fehlt die Zeit. Wobei seine Texte ja eigentlich gar nicht so lang sind. Einen Augenblick bitte.
Soeben habe ich mir Poes komplettes Werk auf mein Fire-Tablet gezogen.
Das hätte ich vielleicht VOR Sichtung des Films machen sollen. Dann hätte ich vielleicht nicht nur die visuelle Aufmachung bestaunt, sondern auch etwas zur Umsetzung der Geschichten schreiben können. Hier lag nämlich mein größtes Problem: Ich kannte keiner der erzählten Geschichten. Vielleicht sollte ich erst einmal etwas über “Extraordinary tales” an sich schreiben.
“Extraordinary tales” ist eine Sammlung animierter Kurzfilmen, die sich allesamt auf Geschichten Poes beziehen. Folgende Geschichten wurden umgesetzt: “The Fall of the House of Usher”, “The Tell-Tale Heart”, “The Facts in the Case of Mr. Valdemar”, “The Pit and the Pendulum” und “The Masque of Red Death”. Jede Geschichte hat einen eigenen Erzähler und einen ganz eigenen Animationsstil. Kommt der eine komplett in schwarz-weiß daher, erinnert der andere an einen animierten Comic und wieder ein anderer an ein sich bewegendes Aquarellbild.
Visuell war das Ganze wirklich fantastisch. Ein wahrer Augenschmaus, würde man diese abartige Floskel heute noch in einen Text einbauen dürfen, ohne sich dabei albern vorzukommen. Jeder Film hatte seinen eigenen Stil und in jeden schien für mein ungeschultes Auge unglaublich viel Arbeit reingeflossen zu sein. In dieser Hinsicht sollte “Extraordinary tales” definitiv von jedem Kunststudenten angesehen werden.
Leider haben mich die meisten Geschichten nicht wirklich mitgerissen und ich wage zu behaupten, dass sie mir in geschriebener Form deutlich besser gefallen werden. Selbstverständlich stelle ich diese Theorie auf, ohne je einen Poe-Text gelesen zu haben, aber ich kenne ein paar Lovecraft-Texte und bei diesen kann ich mir irgendwie auch nicht so richtig vorstellen, wie man sie angemessen “grafisch” umsetzen sollte. Es gibt eine gewisse Art von Grauen, das man bildlich nur schwer darstellen kann, weil es in der eigenen Vorstellung passieren muss. Bei “Extraordinary tales” hatte ich die ganze Zeit das Verlangen, den Originaltext lesen zu müssen.
“Extraordinary tales” wirkte für mich wie ein 70-minütiger Buchtrailer. Ein unglaublich hübscher Buchtrailer. Und er hat funktioniert. Ich werde Poe lesen. Ich bin gespannt.
Film 26 – Shrew´s nest
Der Trailer zu “Shrew´s nest”, der hin und wieder während des Festivals lief, hatte mich nicht besonders angesprochen, das muss ich hier zugeben. Da ich wie immer nichts über die Filme des Festivals wusste, war ich skeptisch. Dann hörte ich von den vielen Lobeshymnen auf den Film. In bestimmten Städten hatte er bei der “Fresh Blood”-Abstimmung sehr gut abgeschnitten, während der Ansprache vor dem Film wurde er auch noch einmal in den Himmel gelobt und so stieg meine Vorfreude. Meistens kommt nach einer solchen Einleitung dann ein großes ABER. ABER nicht heute. “Shrew´s nest” war gut. Ja, doch. Er war gut. Und sonst so?
Zunächst möchte ich über die Handlung reden. War der zuvor beschriebene “88” eine Art “Memento” (ohne behaupten zu wollen, “Memento” hätte die Form seiner Erzählstruktur erfunden, doch ist er meiner Meinung nach der bekannteste Vertreter dieses Stiles), ist “Shrew´s nest” eine Art “Misery”. In “Misery” findet eine Frau einen verunglückten Mann, bringt ihn zu sich nach Hause, lässt ihn nicht mehr gehen und ein gebrochenes Bein will ich an dieser Stelle ganz bestimmt auch nicht verschweigen. In “Shrew´s nest” geht es, ganz grob zusammengefasst, um das Gleiche. Ein Mann verunglückt im Treppenhaus, wird gefunden und festgehalten. Selbstverständlich gibt es diverse Unterschiede zwischen den Filmen, ganz besonders zwischen den Charakteren, dennoch halte ich den “Misery”-Vergleich für angebracht. Wer “Misery” kennt, kann sich unter “Shrew´s nest” jetzt etwas vorstellen. Wer “Misery” nicht kennt, hoffentlich auch.
In “Shrew´s nest” geht es vor allem um die Beziehung zweier Schwestern. Die Mutter stirbt bei der Geburt ihrer zweiten Tochter, der Vater zieht in den Krieg und kehrt nicht mehr zurück. Somit ist die ältere Schwester für die Erziehung der jüngeren verantwortlich. Weiter möchte ich auf die Charaktere nicht eingehen. Es ist unglaublich interessant, dem Film dabei zuzusehen, wie er seinen Protagonistinnen nach und nach immer mehr Charakter gibt, neue Personen einführt und merklich Schritt für Schritt auf einen Abgrund voller Gewalt zusteuert.
Ich habe mich nicht eine Minute lang gelangweilt. “Shrew´s nest” würde ich bisher als den Film mit der beeindruckendsten schauspielerischen Leistung des Festivals bezeichnen. Das wurde bereits vor Filmstart hin und wieder betont, darum kann es natürlich auch sein, dass ich in dieser Hinsicht beeinflusst wurde und Zeug nachplappere, dennoch muss ich die Rolle der älteren Schwester einfach lobend erwähnen. Eine wahre Augenweide war das.
“Shrew´s nest” ist hart, brutal, gemein, schonungslos und mehr fällt mir gerade nicht ein. Zwar mag ich “Misery” ein ganz kleines bisschen mehr, das hat aber etwas mit den dortigen Charakteren zu tun. Ein gefangener Schriftsteller, der von seiner Aufpasserin zum Schreiben gezwungen wird, sorgt bei mir einfach automatisch für Gänsehaut. Wie auch immer. “Shrew´s nest” war ein toller Film. Lediglich das Gelächter während der einen oder anderen brutalen Szene seitens der Zuschauer fand ich hin und wieder ein wenig unangebracht. Aber das ist eine Sache, an die man sich während der vielen Jahre auf dem Festival gewöhnt hat.
Film 27 – Backtrack
Da ist er ja, der Geisterfilm des Festivals. Ich bleibe bei meinen Vergleichen:
88 = Memento
Shrew´s nest = Misery
Backtrack = jeder Geisterfilm, den es gibt
Ein Typ verliert Tochter bei einem Unfall, als Ausgleich erhält er +3 auf die Fähigkeit “Geister kommen”. Sofort macht er Gebrauch von seiner neuen Fähigkeit und lässt sich gleich mehrfach ganz gehörig von Geistern ankreischen. Geister können wirklich gut kreischen. Wirklich gut. Und wirklich laut. Es ist ja schön, wenn ein Film auf von lauter Musik verursachte Billig-Jumpscares verzichtet, doch stattdessen einfach den Lautstärkepegel der Geister auf 11 zu stellen, ist meiner Meinung nach geschummelt. Im weiteren Verlauf geht es um unterdrückte Erinnerungen, das Aufdecken der Wahrheit und kreischende Geister, die einem ja eigentlich nur etwas mitteilen möchten.
“Backtrack” bietet einem im Genre der Geisterfilme nichts Neues. Lediglich die Geschichte fand ich interessant, wobei ich hier die Leistung der Polizisten beim im Film besprochenen Unfall ganz gehörig in Frage stellen möchte. Mehr kann ich dazu an dieser Stelle übrigens nicht sagen, da ich nichts verraten will.
Ich kann wirklich nicht mehr sagen. Ich habe mich erschrocken, weil mich ein paar Geister angeschrien haben, die Geschichte war in Ordnung, die Auflösung gefiel mir und ich verließ den Saal weder enttäuscht noch begeistert. Ha ha. Begeistert. Natürlich war ich begeistert, schließlich waren ja Geister anwesend! Das kann ich vermutlich nicht mehr retten. Genug von “Backtrack”. “Backtrack” war ein Geisterfilm.
Sechs Tage geschafft. 27 Filme gesehen. Halbzeit! Ab jetzt wird es immer weniger. Das Festival ist natürlich noch lange nicht vorbei, aber die 50%-Marke zu passieren, weckt stets die Freude in mir. Nicht, weil ich will, dass es endlich vorbei ist, sondern weil ich es bereits so weit geschafft habe.
Mein größtes Problem am heutigen Tag war übrigens die Tatsache, dass im Bereich der geführten Statistiken gar nichts zu holen war. Kein Hund starb und Fingernägel waren auch noch alle dran. Wobei “88” natürlich schon irgendwie mit dem Ende begann. Aber das war dann je eigentlich nur die Mitte. Ein merkwürdiger Sonderfall, den ich jedoch nicht weiter für die Statistiken berücksichtigen werde. Aus diesem Grund lasse ich die Statistiken jetzt auch einfach weg. Es ist nichts passiert. Und wenn ich Glück habe, vergesse ich so bis zu meinem nächsten Text die Statistiken, muss nicht mehr über sie nachdenken und habe so ein kleines bisschen mehr Freizeit. In dieser werde ich dann Umzugskartons packen. Bis morgen.