Fantasy Filmfest 2010 – Das “Fantasy Traumfest”-Tagebuch – Nacht #8

Liebes Tagebuch,

es ist endlich soweit. Ich gehe in ärztliche Behandlung. Heute ist vermutlich der letzte Tag, an dem wir voneinander lesen. In wenigen Stunden werde ich einen Psychologen aufsuchen. Endlich. Hoffentlich kann er mir helfen. Vor Aufregung habe ich heute recht wenig geschlafen und somit nicht so ausgiebig geträumt wie sonst. Dennoch war vor allem das Ende des Traums verstörend.

Aber von vorne: Ich war mal wieder eine Frau. Diesmal hatte man meine Tochter entführt und nutze diesen Umstand, um mich zu erpressen. Ich sollte für einen gemeinen Gangsterboss einen Auftrag erledigen. Weigerte ich mich, würde er meine Tochter töten. Der Auftrag klang einfach: Einer Gruppe französischer Krimineller einen Koffer klauen.

Man stellte mir ein Team aus ultracoolen Kumpanen zusammen und gemeinsam schlugen wir zu. Zuschlagen meine ich hier übrigens wörtlich. Wir waren kampfsporttechnisch extrem gut ausgebildet und sorgten unter unseren Gegner für diverse schwere Verletzungen. Leider ging dennoch etwas schief. Der Koffer gelang in die falschen Hände und ich zwischen die Fronten. Das war mir dann zu viel des Guten.

Ich zog mich zurück und nutze meine Kampfsporterfahrung stattdessen, um ein gefürchteter, plötzlich wieder männlicher, Krieger im Asien längst vergangener Tage zu werden. Da mir ein Schwert alleine nicht reichte, hatte ich gleich vierzehn davon. Zusammengepackt in einer technisch sehr gut durchdachten Kiste. Jedes der Schwerter hatte einen eigenen Zweck zu erfüllen. Eines war für Verräter am König, eines für mich selbst (sollte ein Auftrag scheitern) und so weiter. Es war wahnsinnig schwer, sich all diese Informationen zu merken und ich kam hin und wieder durcheinander. Darum ließ ich auch diesen Beruf irgendwann links liegen und ging stattdessen in Rente.

Als alter Mann lebte ich in einer kleinen Wohnung mitten in einem riesigen englischen Plattenbaukomplex. Leider war dort nicht alles voller alter Männer, sondern eher voller jugendlicher Krimineller. Ich konnte zwar ebenfalls auf eine kriminelle Laufbahn zurückblicken, aber im hohen Alter wird man bekanntlich intolerant und als auch noch mein bester und letzter Freund von diesen Jugendlichen umgebracht wurde, reichte es mir dann. Ich nahm das Gesetz selbst in die Hand und wollte mich an den Tätern rächen. Dafür war mir jedes Mittel recht und ich hätte auch vor nichts zurückgeschreckt, wenn der Traum nicht in diesem Moment eine unerwartete Wendung genommen hätte. Ich war plötzlich ein Autoreifen.

Ja, ein Autoreifen. Aber ein lebendiger Autoreifen. Mit telepathischen Fähigkeiten. Ich konnte zum Beispiel Hasen explodieren lassen. Oder Krähen. Oder Menschenköpfe. Das tat ich auch sehr ausgiebig. Keiner konnte mir etwas anhaben. Ich rollte und rollte und rollte, bis ich aufwachte. Neben meinem Bett liegend. Ich war heraus gerollt. Wenigstens war ich noch zu Hause und nicht in einem anderen Land.

Dieser Traum hat mir jedenfalls den Rest gegeben. Ich meine… ein Autoreifen? Sollte ich das dem Psychologen überhaupt erzählen? Ich bin ja gespannt, was er daraus schließt. Ein wenig Angst habe ich schon. Aber egal. Ich muss das jetzt durchziehen. Ich halte das wirklich nicht mehr aus.

Darum mache ich jetzt auch langsam Schluss. Ich möchte mich aber natürlich noch bei dir bedanken, liebes Tagebuch. Danke für die stets offenen Seiten. Ich wüsste nur zu gerne, ob du dir selbst Gedanken über mich und meine Träume gemacht hast. Die Resultate würde ich wirklich gerne lesen können. Noch einmal: Danke für alles. Vielleicht melde ich mich ja noch einmal bei dir. Aber um ehrlich zu sein: Ich hoffe nicht.

Guten Tag,

Dein spa.

Notizen des Tagebuchs:

Patient…

  • hat immer noch Frauenphantasien.
  • hat immer noch Probleme mit Franzosen.
  • wäre offensichtlich gerne kriminell. Gelangweilt vom eigenen Lebensstil?
  • gibt sich nicht mit wenig zufrieden.
  • denkt ans Altwerden.
  • nimmt das Gesetz auch mal gerne selbst in die Hand.
  • wäre gerne ein… Autoreifen.
  • mag es, wenn alles rund läuft.
  • hat immer noch einen unruhigen Schlaf.

Maßnahmen:

  • Drei Wochen Frankreich, eine Woche Griechenland.
  • Tägliche Freizeitaktivitäten einplanen.
  • Bescheidenheit lehren.
  • Am Bett festketten.

Schlussgedanken:

Ich habe es hier offensichtlich mit einer gestörten Persönlichkeit zu tun, die schizophrene und rassistische Gedanken hegt, äußerst ausgeprägte sexuelle Probleme hat, von Gewaltphantasien geplagt wird, keinerlei innere Ruhe verspürt und gerne ein Autoreifen wäre. Ich empfehle entweder eine sofortige Notschlachtung oder ein absolutes Hausverbot beim nächsten “Fantasy Filmfest”.

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