Tag 1 – Vorspann
Es ist wieder soweit. Das Fantasy Filmfest ist in Frankfurt eingetroffen und selbstverständlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, dort wieder aufzukreuzen. Der Abholschein meiner Dauerkarte wurde voller Vorfreude wöchentlich entstaubt, am Tag vor dem Festival stimmte ich mich mit der Trash-Perle “Machine Girl” auf die folgenden Tage ein und am Mittwochabend war es dann endlich soweit: Das Kino rief und ich folgte.
Das Abholen der Dauerkarten verlief selbstverständlich problemlos. Man hatte sich dieses Mal auch wieder etwas Schönes einfallen lassen: Neben dem obligatorischen T-Shirt (auf dem im Gegensatz zum Vorherigen endlich wieder das Logo des Festivals groß auf der Brust prangt) gab es noch eine Stofftasche mit Festivallogo, die gefüllt war mit einer DVD (Inhalt: Festivaltrailer und zwei Kurzfilme vom letztjährigen “Get Shorty”), dem Programmheft und einem Watchmen-Button. Super Sache. Gerne wieder.
Nach Abholung musste Zeit totgeschlagen werden. 90 Minuten, um genau zu sein. Aber zum Glück befindet sich in der Nähe des Kinos ja ein Park. Rätselheft und in Stift ausgepackt und die Zeit verging wie im Fluge. Bis es plötzlich auch endlich soweit war. Die Türen zum Saal öffneten sich und man setzte sich zusammen.
Wie es sich gehört, wurde das Festival mit einigen Trailern begonnen, sie so gut wie jede spannende Szene der Filme zeigten, die ich sehen wollte. Also Kappe über die Augen, Blick gen Schuhspitzen richten und konzentriert weghören. Keine einfache Disziplin, nach vielen Jahren Festivalerfahrung aber kein Problem mehr. Nach den Trailern kam die Ansprache.
Zunächst einmal wurde der Film der Sneak Preview verraten, was selbstverständlich den Reiz und Spaß an einer solchen Vorstellung vollkommen ruiniert. Immerhin wurde es sinnvoll begründet. Die Sneak ist nur ein Deckmantel, um einen Film zu zeigen, der offiziell erst an einem anderen Datum angekündigt gezeigt werden darf. Bürokratengeschwafel. Ich werde sie mir jedenfalls ansehen. Der Film interessiert mich.
Nun folgte ein Highlight, welches auch für mich eine Novität auf dem Festival darstelle: Während des Eröffnungsfilms würden Männer mit Nachtsichtgeräten durch den Saal laufen, um auf diese Weise zu kontrollieren, dass auch ja nichts illegal mitgeschnitten würde. Dem lachenden Saal wurde sogleich entgegengeworfen, dass dies eigentlich nicht lustig sei, was mit weiterem Lachen quittiert wurde und so freute man sich bereits darauf beobachtet zu werden, während man selbst die Leinwand beobachtete. Ich beschloss, ausnahmsweise meine Hose während des Films nicht auszuziehen, um die umherirrenden Spione nicht vollends aus dem Konzept zu bringen und schüttelte noch einmal kurz den Kopf, um so meine Fassungslosigkeit gegenüber dieser ganzen Sache zu schütteln. So weit ist es schon gekommen? Aber immerhin sind Nachsichtgeräte besser, als während des Films das Licht an zu lassen.
Endlich ging es dann aber los. Der Saal verdunkelte sich, die Nachtsichtgeräte surrten und das Festival konnte beginnen. Für mich wie immer uninformiert. Über die Eröffnungsfilme wusste ich gar nichts. Es liefen ja nur diese beiden hintereinander. Somit war eh klar, dass ich sie sehen würde. Warum also Infos einholen? Letztes Jahr hatte diese Methode auch super funktioniert. Dieses Jahr wollte ich genauso weitermachen, wie ich es zuvor beendet hatte.
Film 1: Carriers
Vier Personen sitzen in einem Auto und fahren, wie man nach wenigen Minuten erfährt, gen Strand. Es macht den Anschein, als würde man hier Zeuge einer gewöhnlichen Urlaubsreise werden, doch schon bald stellt sich heraus, dass die Idylle trügt. Die Gruppe stößt auf ein quer auf der Straße abgestelltes Fahrzeug, vor dem ein Mann steht und nach Benzin fragt. Anstatt zu helfen, kurbelt man jedoch die Fenster hoch. Und als man dann ein kleines Kind mit blutüberströmtem Mundschutz im Fahrzeug des Fremden sieht wird einem klar, dass hier etwas nicht stimmt.
Die Menschheit wurde von einem gefährlichen Virus fast vollständig ausgerottet. Die wenigen Überlebenden fahren durch die Welt und suchen nach Hilfe. Wie das Virus heißt, wann und wo es zuerst ausbrach und viele weitere Details bleiben den Film über vollkommen unklar. Hier wird nur die Geschichte vier Überlebender erzählt.
Der Film wurde dabei sehr episodisch inszeniert. Die Gruppe fährt von Station zu Station und man kann nur ahnen, wie lange das schon so geht. Man trifft auf infizierte, andere Überlebende, wird überfallen, überfällt selbst und ständig verfolgt einen die Ungewissheit, wie es weitergehen soll.
Großen Wert wurde vor allem auf menschliches Verhalten in Extremsituationen gelegt. Hält man sich an die selbst aufgestellten Überlebensregeln, wenn es dabei um das eigene Überleben geht? Was macht man, wenn ein Freund plötzlich zu den Infizierten gehört? Diese und viele weitere Fragen stellen sich die Charaktere im Film diverse Male und auch der Zuschauer bleibt am Ende fragend zurück. Wie würde man selbst reagieren?
Letztendlich ist es schwer, Carriers einzuordnen. Der Film erzählt seine dramatische Geschichte auf sehr ruhige Art und Weise und die episodenhafte Erzählung mag dem ein oder anderen nicht gefallen, dennoch wurde ich an einigen Stellen an den heutigen Wahn um die Schweinegrippe erinnert.
Sicherlich gibt es bessere “Virus”-Filme als Carriers, die ihre Geschichte spannender erzählen. Und ich hörte einige enttäuschte Meinungen am Ende des Films, da es sich hier ja um den Eröffnungsfilm des Festivals handelte und er dafür ein wenig zu ruhig und “brav” war. Dennoch lasse ich sowas zunächst einmal nicht gelten. Ja, ich hatte auch einen “Kracher” erwartet, doch kann Carriers ja letztendlich nichts für seine Positionierung beim Festival. Er war in meinen Augen nie langweilig, hatte ein paar packende Stellen und konnte auf beklemmende Art unterhalten. Kein absoluter Knaller, dennoch eine interessante Eröffnung.
Film 2: Bronson
Michael Gordon Peterson kommt bereits in frühen Jahren mit dem Gesetz in Konflikt. Nach dem Überfall auf ein Postamt landet er im Gefängnis. Leider hat die Anstalt keinen positiven Einfluss auf seine Entwicklung. Er wird aggressiv, greift jeden an, der sich ihm in den Weg stellt, feiert sich selbst als Star des Gefängnisses und nennt sich letztendlich selbst nur noch “Charles Bronson”. Wie der Filmstar.
Bronson ist nicht etwa ein ausgedachter Gefängnisfilm. Es handelt sich hier um eine Biografie über den gewalttätigsten Sträfling Großbritanniens. Man kann es zunächst kaum glauben, doch dieser Mann existiert tatsächlich.
Das Besondere an diesem Film ist jedoch seine Inszenierung. Er stellt keine realistische Umsetzung eines Lebens dar, sondern eine überzeichnete Satire. Jede Szene erweckt den Eindruck, sie wäre von vorne bis hinten durchgeplant worden. Nichts wurde hier dem Zufall überlassen. Sieht man Bronson zunächst im Gefängnis, blickt man im nächsten Moment auf seine wenigen Tage in der Freiheit, die selbstverständlich schon bald wieder von Knastaufenthalten unterbrochen werden. Und immer sieht man den Protagonisten grinsend in die Kamera schauen. Um das verrückte Bild abzurunden begegnen dem Zuschauer plötzlich Szenen, in denen Bronson auf einer Bühne zu einem Publikum spricht und das, was im Film zuvor zu sehen war, auf humorvolle Art kommentiert und vom Publikum dafür Applaus erntet. Hier wird klar: Der Mann ist nicht nur verrückt, er hält sich wirklich für einen Star und der Film setzt die Gedankengänge dieses Kranken Menschen perfekt um. Es wirkt, als würde man aus den Augen Bronsons das eigene Leben Revue passieren lassen. Vieles ist übertrieben, nicht alles ist so passiert, wie es hier gezeigt wird, doch erzählt ja auch Bronson diese Geschichte. Er scheint keine Schwächen zu haben und stellt sich selbst als perfekt dar. Man muss den Film gesehen haben, um all das nachvollziehen zu können. Bronson ist ein auf Zelluloid gebanntes Mindfuck-Bild.
Am Ende bleibt man zunächst auf seinem Sessel sitzen und denkt über das Gesehene nach. Was war das gerade? Was sollte das? Wirklich beantworten kann ich diese Frage wohl nicht. Dennoch bin ich dem Festival jetzt schon dankbar. Ich bin mir sicher, dass ich den Film abseits des Festivals wohl nie gesehen hätte. Beim Festival gehe ich solche Experimente aber gerne einmal ein. Und wenn dabei so etwas herauskommt, dann gerne wieder.
Tag 1 – Abspann
Der erste Tag war mit diesen beiden Filmen dann auch schon beendet. Mehr gibt es wie immer nicht zu sehen. Zur Einstimmung bin ich aber dankbar, dass nicht mehr kommt. Schließlich muss ich mich erst einmal wieder an die Kinosessel und deren stundenlanges besetzen gewöhnen. Morgen geht es dann auch gleich mit vermutlich vier Filmen weiter. Ich bin schon sehr gespannt, muss jetzt aber unbedingt erst einmal schlafen gehen.
Gute Eröffnung mit zwei guten Filmen. Der erste war kein Oberhammer, der zweite dafür umso verwirrender. Bis morgen.