Prolog
Mein Nacken bringt mich um. Über Nacht hat er seinen kaputten Zustand beibehalten. Aber was solls. Wenn es ihm so gefällt. Im Kino sitze ich eh nur rum und brauche meinen Hals nur, um meinen Kopf zu stützen. HAHAHA, NACKEN! MICH MACHST DU NICHT FERTIG! BIEST DER FINSTERNIS!
Geschlafen habe ich bis etwa 12:15 Uhr und es war ein geiler Schlaf. Morgen wird das leider nicht gehen, da der erste Film bereits um 13:00 Uhr anfängt und nicht erst um 14:45 Uhr. Ich liebe die Woche.
Während der Hinfahrt hat sich nichts Besonderes ereignet. Keine vollen Züge, keine Kniggefetischisten. Die Welt hat sich scheinbar beruhigt. Ist ja auch fast Wochenende. Und so komme ich ohne lange Rede gleich zu den heutigen vier Filmen.
Film 8: Mad Detective
Polizist Bun hat sehr eigensinnige Ermittlungsmethoden. Er besitzt die Fähigkeit, Menschen so zu sehen, wie sie in ihrem Inneren sind. Aufgrund einiger verrückter Taten (Sich selbst ein Ohr abzuschneiden, um es seinem Chef zu schenken wäre da zum Beispiel eine dieser verrückten Dinge, die ich mir als Notfallgeschenk für vergessene Geburtstage auf jeden Fall mal hinters Ohr schreiben werde.) wird er irgendwann vom Dienst suspendiert. Einige Jahre später bittet ein junger Polizist ihn aber wieder um Hilfe. Es geht um das Verschwinden eines Polizisten, einer Dienstwaffe und eine Reihe von Morden. Daraus entwickelt sich ein Fall, der Buns Fähigkeiten vollkommen in Anspruch nimmt.
„Mad Detective“ war eine grandiose Tageseröffnung. Die Darsteller liefern eine großartige Leistung ab, ganz besonders Polizist Bun. Er ist dem Zuschauer von Anfang an sympathisch, trotz seiner kleineren Macken. Denn er leidet unter einer ausgeprägten Schizophrenie und zudem unter persönlichen Problemen.
Doch neben den Darstellern hat mir besonders die Inszenierung sehr gut gefallen. Da Bun die Gabe hat, das Innere eines Menschen zu sehen, scheint es so, als würde er manchmal mit unterschiedlichen Personen reden. Mal zeigt die Kamera das Geschehen aus Sicht eines Zuschauers, mal aus der Sicht Buns. Und da wird aus einem Polizisten plötzlich eine keifende und herumschreiende Frau. Oder auch ein kleiner Junge.
Diese Persönlichkeitswechsel werden dann vor allem beim Mordverdächtigen auf die Spitze getrieben, denn dieser hat in seinem Inneren nicht nur eine, sondern sieben Personen vereint. Und die Dialoge mit dieser Person (oder besser Gruppe) sind die Highlights des Films. Ich war begeistert.
Das Finale wurde dann ebenfalls so inszeniert, dass ich den Film unbedingt ein weiteres Mal sehen muss. Eine DVD-Anschaffung steht fest. Großartig!
Film 9: Mum & Dad
Ein junges Mädchen arbeitet am Flughalfen als Reinigungskraft und säubert von Satan persönlich verschmutzte Toiletten. Am Abend verpasst sie leider den Bus in die Stadt und geht daraufhin mit einer gerade erst kennengelernten Kollegin nach Hause. Dort stellt sich heraus, dass deren Familie alles andere als normal ist. Vater und Mutter sind psychopatische Irre, die das Mädchen gefangen nehmen, quälen und so versuchen, es in die eigene Familie einzubinden.
„Mum & Dad“ fasziniert vor allem aufgrund der Titelgebenden Eltern. Sie sind brutal und verrückt, möchten aber gleichzeitig eine Familie um sich versammeln, die zusammenhält. Ihre beiden Kinder scheinen bei der Sache mitzuspielen (auch, wenn sie allem Anschein nach nicht die Leiblichen Kinder sind, sondern so wie die Hauptperson gefangen und „bekehrt“ wurden). Die Eltern machen den Film zu etwas besonderem, denn alles andere wäre ohne diesen Hintergrund Standartware der Marke „Typin wird gefangen, gequält und noch ein wenig mehr gequält. Das Quälgenre boomt.
Wirklich brutale Szenen bekommt man letztendlich nicht geboten. Vieles wird angedeutet oder man bekommt nur die (blutigen) Resultate vorgeworfen. Hier hätte man sicherlich mehr machen können. Schließlich lässt das Genre sowas erhoffen.
Was bleibt, sind zwei kranke Eltern, zwei kranke Kinder, ein armes Opfer und ein paar Überraschungen, die die Familie dem Zuschauer immer wieder präsentieren kann. Das weiß zu unterhalten, gefesselt hat es mich (im Gegensatz zur Hauptperson) aber an keinen Stuhl. Schade eigentlich. Denn die beiden Eltern fand ich großartig. Auf einem Elternsprechtag wäre ich aber nur ungerne ein Lehrer gewesen, der ihnen sagt, wie brutal ihr Kind sich gegenüber seinen Mitschülern verhält.
Durch das großartige Finale fliegt der Film knapp über den Durchschnitt. Kinder, die Angst vor ihren Eltern haben, sollten den Film aber nicht sehen. Und vor allem nicht ihren Eltern zeigen. Sie könnten auf dumme Ideen kommen.
Film 10: The Warlords
Mittlerweile ist es Tradition geworden, dass ich mir Monumentalfilme aus Asien auf dem Festival ansehe. Schließlich ist das die einzige Möglichkeit, diese Filme auf einer großen Leinwand zu genießen. Und genossen habe ich „The Warlords“ wirklich.
Im Film geht es um einen Soldaten, der als einziger Soldat seines Trupps (über 1.000 Mann) eine große Schlacht überlebt hat. Indem er sich totgestellt hat. Dass dies alles andere als Ehrenhaft war, weiß er selbst und so kehrt er nicht wieder zurück nach Hause, sondern schließt sich ein paar Banditen an, um so weiter zu leben. Doch irgendwann ziehen auch die Banditen in den Krieg. Sie schließen sich der Armee an und beginnen eine Schlacht, die immer größere Ausmaße annimmt.
„The Warlords“ fängt mit einer großen Schlacht an. Die erste Stunde ist extrem actionreich und wird nur durch vereinzelt auftauchende Handlungsstränge unterbrochen. Erst gegen Ende kehrt ein wenig Ruhe ein, da man sich ein wenig von den Schlachten distanziert und mehr Wert auf die Entwicklung der Hauptpersonen legt. Und das hat mir auch so gefallen. Was der Krieg aus ein paar Menschen machen kann, wird hier sehr direkt gezeigt. Wie skrupellos man sein muss, um zu überleben und auch den eigenen Trupp nicht zu verlieren, wird in einer Szene auf brutale Weise demonstriert.
Und somit ist dieser Film kein unterhaltsamer Massenschlachtenfilm. Wenn gekämpft wird, dann zwar äußerst brutal und sehr gut in Szene gesetzt, doch geht es auch um die Charaktere in diesem Krieg, ihr Verhalten und wie sie von „oben“ beeinflusst werden. Jet Li spielt seine Rolle grandios, aber auch die anderen Darsteller müssen sich nicht verstecken.
Freunde des Genres müssen zuschlagen. Ich bedanke mich beim Festival dafür, dass ich diesen Genuss auf der großen Leinwand haben durfte.
Film 11: Martyrs
Ware das Programmheft zum Festival kurz angebunden, hätte es diesen Film sicherlich nur mit einem „BÄM“ beschrieben. So zumindest kam es mir vor, als ich die Ansage vor dem Film zu hören bekam. Es hieß, dass er das heftigste sei, was hier gezeigt würde. Dass schon Leute den Saal verließen und sich jemand übergeben hätte. „Alles klar.“, dachte ich mir. „Auf geht’s!“. Und es ging los.
Ein kleines Mädchen wurde von einer Frau und einem Mann in einer Fabrikhalle eingesperrt und jahrelang misshandelt. Irgendwann konnte es zwar entkommen, die Täter wurden aber nie geschnappt. 15 Jahre später kämpft das Mädchen, mittlerweile älter geworden, mit ihren Erinnerungen. Durch einen Zeitungsartikel wird sie zufällig auf ihre Peiniger aufmerksam (die nach außen hin ein normales Leben führen), findet ihre Adresse heraus und nimmt blutige Rache an ihnen. Eine Freundin hilft ihr dabei, doch beide haben keine Ahnung, was noch auf sie zukommen wird.
Ja. „Martyrs“ war sehr brutal. Und es war kein lustiges Herumgematsche, sondern ernste Brutalitat. Man bekam einiges zu sehen, was schwache Nerven sicherlich nicht gerne sehen und alles wirkte sehr verstörend. Zu Beginn wird eine ganze Familie brutal abgeschlachtet, doch das ist noch nicht alles. Im letzten Drittel gibt es eine plötzliche Wendung, die den Film noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lässt. Und leider hat mir diese Wendung nicht gefallen.
Die ersten zwei Drittel des Films waren toll. Sie waren spannend, gut inszeniert, äußerst brutal, laut und es gab sogar ein paar Schockmomente. Doch leider kam dann die bereits angedeutete Wende (die ich hier nicht nennen kann, denn dann wäre es keine Wendung mehr). Zwar geht es auch hier äußerst brutal zu, doch sind die Hintergründe des ganzen ein wenig weit hergeholt und trüben das ansonsten so schöne Bild ein weinig.
Zurück bleibt eine sehr zwiegespaltene Meinung. Einerseits hat mir der Film sehr gut gefallen, andererseits fand ich den Schluss aber missraten. Schade eigentlich. Hätte man weniger gewollt und früher aufgehört, hätte der Film deutlich besser abgeschnitten.
Aufgrund der Brutalität kann ich den Film aber jedem empfehlen, der es gerne hart möchte. Es geht hier wirklich schonungslos zur Sache. Wer aber schon bei Kriegsfilmen wegguckt, sobald Kugeln auf Fleisch treffen, sollte einen großen Bogen um den Film machen. Hier gibt es deutlich mehr als das.
Letztendlich lehrt der Film dem Zuschauer, dass man alten Menschen niemals trauen sollte. Was die so hinter dem Rücken der Jugend abziehen, sollte verboten werden. Wobei es das schon ist.
Epilog
Hier endete Tag Nummer drei. Zwar gab es auch heute noch eine Nachtvorstellung, diese konnte ich aber nicht besuchen, denn ein Freund wartete am Bahnhof, der von nun an die restlichen Filmfesttage mit uns zusammen durchstehen möchte (nicht der Bahnhof, sondern der Freund). Da der Film, den ich heute ansonsten geguckt hätte, an einem anderen Tag noch einmal wiederholt wird, fällt das alles nicht schwer.
Ansonsten hat mich der Andrang vor „Martyrs“ noch sehr beeindruckt. Als ich aus dem Kinosaal schaute dachte ich, gegen eine Menschenwand zu blicken. Gut, dass Dauerkartenbesitzer auf ihren Sitzen bleiben dürfen. Ich genoss dies und beobachtete die hereinstürmenden Massen.