Prolog
Bevor der erste Tag beginnen konnte, musste man sich zunächst einmal zum Kino begeben und die dort bereitliegende Dauerkarte abholen. Ich bestieg freudig die U-Bahn und durfte noch weit erfreuter feststellen, dass neben mir zwei junge Herren die Zeit mit einem Buch totschlugen, das sich mit dem schönen Titel „Knigge“ schmückte. Meine einseitig dazugewonnenen Kniggekumpel unterhielten sich interessiert über die drei Möglichkeiten, wie man im Restaurant nach dem Essen sein Besteck ablegen sollte, um dem Kellner zu zeigen, dass man fertig sei. Trotz des interessanten Themas verließ ich köstlich amüsiert die Bahn. Ich war am Kino.
Leider hatte ich die drei Besteckmethoden schon wieder vergessen. Gerne hätte ich den innerhalb der nächsten Tage auftauchenden Killern erklärt, wie sie nach getaner Arbeit ihre Messer in eine Leiche stecken müssen, um den Leichenfindern zu zeigen, dass man mit dem Morden fertig ist. Und es einem geschmeckt hat (man muss ja mit allem rechnen).
Vergesslich schritt ich zur Kartenverteilstation (einen Holztisch) und schnappte mir meine Karte. Als Dauerkartenbesitzer bekam ich zudem ein T-Shirt. Leider ist es dieses mal nicht so schön ausgefallen, wie das Shirt des letzten Jahres. Denn es hatte kein schönes großes Filmfest-Logo, sondern lediglich den Schriftzug eines Sponsors zu bieten. Schade. Aber wenigstens befindet sich auf der Rückseite ein kleiner Vermerk mit dem Inhalt „Fantasy Filmfest 22“. Sonst hätte mir das sicherlich auch niemand geglaubt.
Nun musste ich noch zwei Stunden totschlagen. Ich benutzte hierfür aufgrund der vorher aufgeschnappten Regeln aber keine scharfen Esshilfen, sondern aß bestecklos. Fast Food. Dabei ist Besteck nicht vonnöten und am Ende wird man auch nicht gefragt, wie es einem geschmeckt hat. Die Antwort möchte sowieso keiner dieser „Gastwirte“ hören.
Jetzt ist aber genug geprologt worden. Schließlich wollte ich Filme sehen. Und das tat ich dann auch. Zwei Stück, um genau zu sein. Die Eröffnungsfilme.
Film 1: Eden Lake
Umringt vom Sternenhimmel (Kinosäle können so schön sein) erwartete ich den ersten Film. Wie er hieß, wusste ich zunächst nicht. Ich wusste gar nichts. Wie letztes Jahr habe ich mir eine Woche vor dem Festival das Programmheft durchgelesen und angekreuzt, was ich sehen will. Danach war das Thema für mich erledigt und mein siebartiges Gehirn erledigte seine Arbeit.
Vor dem Film gab es noch die übliche Ansprache. Man freute sich, dass alle da waren und so weiter. Gleichzeitig hieß es, dass dieses Festival das härteste aller bisherigen Festivals sein sollte. Ich war skeptisch. Die Ansager neigten häufig zu Übertreibungen („Mein Lieblingsfilm vom Festival!“). Abwarten und Tee trinken. Oder Blut. Um mal ein paar Klischeesprüche rauszuhauen, die man momentan so häufig betrachten darf.
Endlich begann „Eden Lake“ und demonstrierte auf herrlich harte Weise, was der Ansager uns zuvor sagen wollte. Der Film war verdammt böse. Ein Paar fährt übers Wochenende an einen See, um dort zu Zelten. Dabei werden sie von einer Bande Jugendlicher mit Hilfe lauter Musik und einem Kampfhund aber gestört. Diese anfänglichen kleinen Streitereien steigern sich mit der Zeit immer weiter. Es kommt zu einem Autodiebstahl und plötzlich fließt Blut. Ein rasanter Überlebenskampf beginnt, der mich aufgrund der Erzählweise, der Realitätsnähe und der skrupellosen Härte mitgerissen hat.
Da ich aus dem kleinen Städtchen Lüdenscheid stamme weiß ich, was brutale Jugendgangs leisten können. Anfangs dachte ich, der Film wäre an der nahe an Lüdenscheid gelegenen Talsperre gedreht worden, dann hat mich die englische Sprache aber realisieren lassen, dass es Schlägerbanden auch in anderen Städten und sogar Ländern gibt. Und die Bande aus „Eden Lake“ würden einen Bandenkrieg gegen Lüdenscheider sogar gewinnen.
Ich will nicht zu viel verraten (auch wenn es hier aufgrund der simplen Hintergrundgeschichte nicht viel zu verraten gibt), aber das, was dem Zuschauer hier gezeigt wird, ist hart. Sehr hart. Während einer der Jugendlichen einem gefesselten Mann den Arm aufschlitzt, filmt ein Mädchen alles auf dem Handy mit. Da hat aber jemand im Jugendbandenknigge geblättert. Gute Leistung. Doch aufgrund der vielen Fernsehberichte über Handyfilme in letzter Zeit kommt der Film extrem realistisch rüber. Und das schaffen nicht viele Filme dieser Art.
„Edens Lake“ war letztendlich ein großartiger Filmfeststart. Er war durchweg spannend und bot auch einem nach Blut blickenden Wesen einige interessante Anblicke. Nur hat man hier nie „YEAH! BLUT!“ gerufen, denn dafür war das alles einfach zu ernst. Jeder weiß, wie sehr einen manchmal Jugendgruppen mit lauter Musik nerven. Jeder kennt die rumrempelnden Angeberproleten. Und nach diesem Film wird man sich sicherlich zweimal überlegen, ob man ihnen mal die Meinung sagt.
Film 2: Shiver
Allergien sind blöd. Ich selbst kann ein paar Tage im Jahr ein Lied davon singen, wenn ein paar dumme Bäume, Blumen und / oder Pflanzen der Meinung sind, mich mit ihren Spermien zu ärgern. Sie verteilen das Zeug in der Luft, lassen meine Augen schmerzen und die Nase siffen. Schrecklich. Aber warum beklage ich mich, wenn es auch viel schlimmere Allergien gibt? Der Junge aus „Shiver“ zum Beispiel hat ein Problem mit Sonnenlicht. Kommt er mit ihm in Kontakt, droht er zu sterben. DAS ist unangenehm.
Die Krankheit dieses Jungen ist jedenfalls der Grund, warum er mit seiner Mutter in ein kleines Dorf in einem Tal zieht, in dem sich so gut wie nie ein Sonnenstrahl blicken lässt. Dort richten sie sich häuslich ein, bis der Junge plötzlich in einen mysteriösen Mord hineingezogen wird. Irgendetwas hat einen Dorfjungen angefallen, aufgeschlitzt und angenagt. Und Santi (unser Allergiker) war dabei. Darum steht er jetzt unter Mordverdacht. Ein kurz darauf folgender zweiter Mord macht die Sache natürlich nicht besser.
Doch Santi hat etwas gesehen. Ein merkwürdiges Wesen mit menschlichen Zügen. Was haust dort im Wald? Und warum fällt es plötzlich Dorfbewohner an?
Um es gleich zu sagen: Shiver war ein durchweg durchschnittlicher Film. Er war weder langweilig, noch so großartig wie sein Vorfilm. Er hatte ein paar toll inszenierte Spannungsszenen zu bieten, die mich als Zuschauer sehr mitgenommen haben. Doch leider gab es vor allem gegen Ende ein paar Handlungsstränge, die man vielleicht besser weggelassen hätte. Es werden dadurch viel zu viele Fragen in den Kinosaal geworfen, die zuletzt aber nie beantwortet werden. Sie zu nennen würde an dieser Stelle den gesamten Film verhunzen, weshalb ich aber nicht weiter darauf eingehen möchte.
Trotz einiger Mängel (aus der Nachtsichtkamera hätte man zum Beispiel ein paar wirklich gute Schocker erstellen können, was aber leider ausblieb) war ich am Ende trotzdem zufrieden. Shiver wendet allem paranormalen den Rücken zu und entwickelt daraus eine schöne kleine Gruselgeschichte. Und nicht mehr ist der Film letztendlich auch.
Epilog
Tag eins ist geschafft und er war schnell vorbei. Das lag natürlich nicht nur an den Filmen, sondern auch daran, dass nur zwei davon liefen. Morgen wird die Zahl um drei zusätzliche Filme erhöht. Na großartig. Doch wen interessiert morgen? Erst mal noch ein paar Kleinigkeiten, die man zum heutigen Kinotag abschließend vermerken sollte, um Verluste durch Siebhirne zu vermeiden:
Als erstes grüße ich die spanischen Menschen, die neben uns gesessen haben. Es war nett, dass ihr euch die ganze Zeit auf Spanisch unterhalten habt. Dadurch wurde euer Gebrabbel eins mit dem Film (Shiver war spanisch mit englischen Untertiteln) und störte nicht ganz so sehr, wie deutsches Gebrabbel. Trotzdem war es unhöflich.
Und dann sind da noch ein paar Nörgler. „Der Film (Shiver) zeigte mal wieder, dass das Festival von Jahr zu Jahr schlechter wird.“ Sehr interessant. Ich stelle nun die Frage, warum ihr dann noch hingeht. Wenn ihr wisst, dass etwas schlechter wird, dann muss man es sich ja nicht mehr ansehen. Wenn eine Fernsehserie von Folge zu Folge schlechter wird, schalte ich auch nicht mehr rein. Warum sollte ich also Geld für Kinokarten ausgeben? Um am Ende zu meckern? Das geht auch billiger. Einfach am Kinoeingang warten und ein Schild mit der Aufschrift „Das Filmfest war sicher scheiße, denn das war es letztes Jahr bereits und es wird immer schlimmer.“ in der Hand halten.
Ich gehe aufs Festival, weil ich Abwechslung möchte. Ich möchte mich eine Woche lang mit Filmen zuknallen. So, wie andere ne Schachtel Kippen am Tag rauchen, verqualme ich in dieser Woche Filme. Und mir ist auch klar, dass nicht jeder dieser Filme gut sein wird. Doch darum geht es mir nicht. Ich will viele unterschiedliche Filme sehen. Und das Festival hat mir in dieser Hinsicht jedes Jahr so viel Interessantes zu bieten, dass ich wohl noch lange daran teilnehmen werde.
Lange Rede, kurzer Sinn. Nicht nur nörgeln. Es ist nicht alles gut. Aber es ist noch lange nicht alles so schlecht, wie andere behaupten. Ich frage mich, ob der Meckermann den ersten Film gesehen hat.
Als letztes möchte ich noch auf die positiven Reaktionen bezüglich des eingeblendeten Frankfurter Kennzeichens während des Films „Shiver“ zu sprechen kommen. Nicht nur, dass Deutsche in einem spanischen Film eine tragende Rolle spielen, nein, sie kommen auch aus Frankfurt. Schöne Sache.
So. Hiermit beende ich meinen ersten Tag. Morgen geht es ähnlich weiter. Dann aber mit mehr Film. Wobei ich über das Drumherum natürlich auch weiter berichten werde. Gerade löffle ich übrigens eine Suppe und überlege, ob es auch drei Ablagealternativen für Suppenlöffel gibt. Vielleicht werde ich morgen mehr darüber erfahren.