Binary Domain – Zielhilfe unerwünscht

Dieser Text erschien vor genau einem Jahr auf polyneux.de. Ein Jahr später veröffentliche ich ihn nun auf dieser Seite.

Binary Domain - Zielhilfe unerwünscht

Achtung, es folgt zunächst eine Anekdote, die auf Erinnerungen basiert, die vermutlich keinerlei Fakten beinhalten. Ich weiß nicht, ob man mich damals belogen hatte oder alles den Tatsachen entsprach. Das ist aber auch gar nicht wichtig. Wer legt schon Wert auf die Wahrheit, wenn die Geschichte gut ist? Also los: Eines schönen Tages vor vielen Jahren (ich war noch jung und unvernünf… ich war noch jung) stattete ich einem Freund einen Besuch ab. Dieser empfing mich lachend und musste mir sofort erzählen, was ihn so amüsierte. Er hatte am Abend zuvor etwas im Fernsehen gesehen. Und zwar bei “Wolffs Revier”. Natürlich versicherte er mir zunächst, um seine Ehre als angesehener Außenseiter zu retten, dass er nur zufällig beim Durchschalten auf die gleich folgende Szene gestoßen war. Es ging um Videospiele. In welchem Zusammenhang? Weiß ich nicht mehr. Was ich aber weiß: Man spielte “Quake 3”. Im Fernsehen. Wahnsinn.

Dass “Quake 3” gespielt wurde, war aber gar nicht so wichtig, geschweige denn witzig. Nicht das Was brachte meinen Freund zum Lachen, sondern das Wie. Man spielte nämlich mit einem Joystick. Ein paar vollkommen überdrehte, junge Klischeespieler saßen in einem heruntergekommenen Zimmer und spielten Quake 3. An einem PC mit Joystick. Sie wechselten sich dabei sogar ab. Landete einer einen Frag, freute er sich, die Gruppe rief “Yeah, Alter, geil!” und ein anderer Typ war mit Spielen an der Reihe. Hier musste auch ich lachen. Schließlich spielten mein Freund und ich zu dieser Zeit selbst Quake 3. Nur nicht mit Joystick.

Warum ich das erzähle, habe ich vergessen. Ich mag Roguelikes. Ach nein, entschuldigt. Den Text habe ich ja schon geschrieben. Worauf ich hinaus wollte: Auf einem Pferd. Ist schon ziemlich toll, wenn man auf einem Pferd sitzend das Haus verlässt. Jedenfalls finde ich es abartig, ein Spiel wie “Quake 3” mit einem Joystick zu spielen. Nun ist es aber heutzutage so, dass man Joysticks fast ausschließlich nur noch in Spielen nutzt, in denen man mit Flugzeugen unter Brücken durchfliegen kann. Das reizt mich nicht. Mein Joystick befindet sich “irgendwo in meiner Wohnung”, was vermutlich alles sagt. Dafür gibt es mittlerweile aber Konsolen. Seit etwa drei Wochen. Oder so. Und auf diesen Konsolen kann man ebenfalls Spiele wie “Quake 3” spielen. “Halo” zum Beispiel. Mit einem Gamepad. Was für mich überhaupt nicht infrage kommt.

Ich steuere 3D-Actionspiele der ersten oder dritten Person ausschließlich mit der Maus. Punkt. Hm. Bedeutet “. Punkt.” jetzt “…”? Um zum Punkt zu kommen: Einen Ego-Shooter mit Gamepad zu spielen, funktioniert bei mir einfach nicht. Ich möchte das “bei mir” hier noch einmal betonen: BEI MIR! Wenn andere Leute das hinbekommen, möchte ich ihnen dazu gratulieren. Und den Entwicklern des Spiels. Die haben nämlich eine ordentliche Zielhilfe programmiert, die die unpräzise Steuerung verschleiert und den Spielern den Eindruck vermittelt, sie hätten es voll drauf. Ist ja auch eine Leistung.

Keine Leistung ist dann aber das, was mich zuletzt bei “Binary Domain” erwartete. Am Erscheinungstag landete dieses auf meiner Festplatte und ich begann, laut zu fluchen. Als ich das Menü sah, dachte ich mir noch nichts Schlimmes. Ich griff zur Maus, um es zu bedienen, und dachte mir Schlimmes. Keine Maussteuerung im Menü. Erster Gedanke: Konsolenportierung. Ich schüttelte den Kopf und machte weiter. Versuchte es zumindest. Die Pfeiltasten versagten mir leider den Dienst. Aber gut, ein erfahrener Spieler wie ich weiß, was zu tun ist: WASD. Und tatsächlich. Ich konnte durch das Menü blättern. Ich wählte “neues Spiel” und betätigte die Eingabetaste. Nichts passierte. Doch, etwas passierte. In meinem Inneren. Irgendwas ging kaputt. Meine Gute Laune. Egal. Noch hielt ich Ausschau nach Hilfe. Und ich fand sie. Leider kam die Hilfe gerade von einem Kostümball und hatte sich als Nutzlosigkeit verkleidet. In Form eines grünen “A”s und eines roten “B”s. “A” für weiter, “B” für zurück. Auf dem Gamepad der XBox. Weinend lachte ich vor Wut. Eine Träne fiel auf die Leertaste und aufgrund meiner schweren Trauer wurde sie dadurch betätigt. Ich startete ein neues Spiel. Aha. A ist also die Leertaste. Schon mal gut zu wissen. Aber was ist jetzt B? Wird sich schon zeigen. Ich mache es kurz: Tat es nicht. Das Spiel begann mit einer kleinen Hilfesequenz, während der mir die Steuerung hätte erklärt werden sollen. Was leider nicht geschah. Denn ich spielte mit Maus und Tastatur und hatte keine Ahnung, wo sich bei dieser Kombination die rechte Schultertaste befindet.

Langsam wurde ich sauer. Nein, ich war bereits sauer. Aber ich wurde sauerer. Wie das Kind eines Glases abgestandener Milch und einer Zitrone. Ich nutzte die geheime Superkraft meines PCs (ALT+F4) und öffnete daraufhin das Einstellungsmenü des Spiels. Ja, man musste dazu das Spiel beenden. Im Spiel konnte man über Optionen lediglich die Lautstärke und ähnliche Dinge regeln. Oberflächliche Kindergartenthemen. Also das, was Konsolenspieler gerade so nicht überfordert. Interessantes Zeug bekam man erst nach Beenden des Spiels vorgesetzt. Wichtiges Zeug wie die Tastaturbelegung.

Diese rief ich auf. A=Leertaste. B=F. X=E. Y=Q. Mit diesem Wissen ging ich zurück ins Spiel und startete zum zweiten Mal die Kampagne. Ich verstand langsam, was los war. Menü aufrufen: Eingabe (nicht Escape wie überall sonst auf der Welt). Menü bedienen: WASD. Menüpunkt auswählen: Leertaste. Zum vorherigen Menü zurück: F. Fähigkeitenmenü aufrufen: Q. Ergibt Sinn. Hust. Reine Übungssache. Jetzt erst mal spielen.

Nun musste ich mich aber an etwas anderes gewöhnen: Schnelle Mausbewegung = langsame Drehung der Figur. Langsame Mausbewegung = Schnelle Bewegung der Figur. Logisch? Nein. Ich fühlte mich wie ein Typ, der gerade auf einem Boot im Herzen eines Sturms vor seinem Rechner hockt und versucht, Moorhuhnjagd zu spielen. So etwas Schwammiges war mir seit der PC-Umsetzung von “Dead Space” nicht mehr untergekommen. Nach wenigen Spielminuten stellte ich fest, dass mein Küchenschwamm zu mir rüber gekrochen war und ganz verliebte Blicke auf meinen Bildschirm warf. Ich warf böse Blicke zurück und ihn daraufhin wieder in die Küche. Ich nahm mir fest vor, abends zur Strafe einen großen Topf Tomatensuppe anbrennen und ihn diese Sauerei ganz alleine bereinigen zu lassen. Natürlich tat ich das nicht. Ich mag gar keine Tomatensuppe.

Nach wenigen Minuten hatte ich keine Lust mehr auf “Binary Domain”. Ich beendete es und beschäftigte mich für fünf Minuten mit anderen Dingen. Dann musste ich wieder an SpielerZweis Text über das Spiel denken. Ich wollte es mir schon gerne mal ansehen. Also ging ich wieder zurück ins PC-Einstellungsmenü. Und fluchte. Ganz, ganz, ganz, ganz, ganz unten bemerkte ich plötzlich ein Auswahlfeld. “Tastatur- statt Controllertasten anzeigen”. Autsch. Aufregen ist am schlimmsten, wenn man sich dessen Grundlosigkeit bewusst wird. Erst über Konsolenspieler lachen und dann so etwas. Zurück im Spiel stellte ich zufrieden fest, dass ich endlich das ausführen konnte, was das Spiel von mir verlangte.

Motiviert schaute ich mich noch ein bisschen im Spielmenü um. und was fand ich? “Zielhilfe”. Sie war aktiviert. Ich musste Lachen. Zielhilfe? Wo bin ich denn? An einer Konsole? Ich deaktivierte den Punkt, lachte aber noch mehrere Minuten in mich hinein.

Das Problem mit der Bewegungsgeschwindigkeit konnte ich leider nicht beheben. Aber ich kam irgendwann damit klar. Außerdem stellte sich heraus, dass “Binary Domain” ein ziemlich gutes Spiel ist. Aber dazu lest am besten einfach SpielerZweis Text. Dem stimme ich nämlich zu.

Und jetzt kommt der Knüller: Wenige Tage nachdem ich “Binary Domain” durchgespielt hatte, erschien ein Patch. Hier ein Ausschnitt aus den Patchnotes:

– Added basic keyboard and mouse navigation to the menus.

– Updated mouse sensitivity; mouse aiming should generally feel more comfortable now.

– Changed the default button prompts to the keyboard icons.

Tja. Was soll ich sagen? Ich habe das Spiel nach dem Patch noch einmal gestartet und bin daraufhin vor Freude durch die Wohnung gesprungen. “Binary Domain” spielt sich endlich richtig, richtig gut. Mein Küchenschwamm hat das Interesse am Spiel verloren, ich dagegen habe es zurück gewonnen. Ich spiele tatsächlich mit dem Gedanken, es ein weiteres Mal durchzuspielen, um mir die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten bei der Kommunikation mit den Teamgefährten anzusehen.

Schön, dass die Entwickler die Fehler erkannt und vernichtet haben. Schade, dass das erst eine Woche nach Erscheinen des Spiels geschehen ist. Ich kann mir vorstellen, dass ein paar Leute das Spiel frustriert in eine Ecke geworfen und seitdem nie wieder angerührt haben. Sollte einer von euch so gehandelt haben: Gebt dem Spiel eine zweite Chance. Es hat sie verdient.

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