Genürsel 2013 – 19/52 – Kindergeburtstag

Genürsel 2013 - 19/52 - Kindergeburtstag

Es folgt eine kurze Liste von Dingen, die ich nicht leiden kann: Tabu, Outburst, Therapy, Activity, Nobody is perfect, Linq, Party Alarm, Indentik, Die Werwölfe von Düsterwald. Wer hier eine Verbindung erkennt, hat im Aufpassunterricht aufgepasst. Ich mag keine Gruppenpartyspiele. Warum? Weil ich Gruppen nicht mag. Vor allem Menschengruppen stoßen bei mir immer wieder auf Ablehnung. Viele Menschen auf einem Haufen? Nein, danke. Da habe ich Besseres zu tun. Spülen zum Beispiel.

Das ist jetzt natürlich ein wenig übertrieben. Nein, wartet, ist es nicht. Ich mag wirklich keine Menschenmassen. Ab einer gewissen Personenzahl fühle ich mich nicht mehr wohl. Aber das ist eigentlich eine ganz andere Geschichte. Ursprünglich wollte ich hier auf die oben genannten Spiele zu sprechen kommen. Gut, man kennt das mit den Zielsetzungen beim Schreiben. Da will man über Hosen schreiben und landet am Ende mit dem Flugzeug in Amerika und kauft sich Cheeseburger, obwohl man gar keinen Käse mag.

Was ich an Käse nicht mag? Den Geschmack. Was ich an Gruppenspielen nicht mag, kann ich leider nicht richtig in Worte fassen, was die perfekte Voraussetzung für einen guten Text ist. Nehmen wir doch Tabu: Man muss seinem Gegenüber einen Begriff erklären, ohne vorgegebene Wörter zu verwenden. Beispiel: Erklärt jemandem “Grün”, ohne dabei “Wurst”, “Brot”, “Kamel”, “Wurzelbehandlung” und “Pistolenmunition” zu sagen. Na? Gar nicht so leicht, oder? Und wenn man es dann doch schafft, bekommt man von den Gegenspielern ein “Boah! Du bist ja total gut in dem Spiel!” zu hören. Ja, ich kann gut Begriffe erklären. Ich bin der Beste in Tabu und stolz darauf. Darum bilde ich mir auch jeden Tag ein, total eingebildet zu sein und versuche, dies durch Aussagen wie “Bin ich gar nicht!” zu unterbinden. Aber leider klappt dies nicht immer.

Ich mag also keine Gruppenpartyspiele und kann nicht erklären, warum. Was ich dagegen erklären kann: Seit wann das so ist. Es fing nämlich nicht erst letzte Woche Donnerstag an, sondern in meiner Kindheit. Der erste von mir besuchte Kindergeburtstag fand vermutlich nicht an einem Donnerstag statt, war aber trotzdem der Tag, an dem mein Gruppenpartyspielehass anfing. Der Grund dafür war Topfschlagen. Topfschlagen wurde wohl auf jedem gepflegten Kindergeburtstag gespielt und immer, wenn Eltern mit einem Topf bewaffnet das Kinderzimmer betraten, bekam ich Schweißausbrüche. Das ist übrigens der Grund, warum ich heutzutage nicht so gerne Koche. Blödes Topfschlagen.

Da musste man sich die Augen verbinden lassen und mit einem Holzlöffel einem Kochtopf hinterherjagen, um diesen zu schlagen. Dabei riefen die anderen Kinder dann “heiß” oder “kalt”, je nachdem wie nah oder fern man dem Topf war. Unter dem Topf befanden sich Preise wie ein verstaubter Teppichboden, Bonbons oder beides zusammen. Nichts davon nahm ich als Kind gerne in den Mund und meiner Meinung nach lohnte es sich nicht, für dieses Zeug die Strapazen des Topfschlagens auf sich zu nehmen. Darum versuchte ich immer, mich um Spiele dieser Art zu drücken, indem ich mich hinter den anderen anwesenden Kindern versteckte.

Natürlich stets ohne Erfolg. Meistens hatte ich durch dieses Verhalten auch mehr Probleme, als wenn ich einfach mitgespielt hätte. Alle anderen Kinder schienen sehr viel Freude mit Topfschlagen zu verbinden und stritten sich förmlich um ihre Startplätze. Ich nicht. Ich war immer der Letzte, weil ich nicht wollte und am Ende von den Eltern des Geburtstagskindes gefunden wurde. “Du warst ja noch nicht!” “Ist nicht schlimm.” “Los! Hol dir deinen Preis!” “Ich hasse euch.” Zu diesem Zeitpunkt hatten die anderen Kinder bereits ihre Süßigkeiten erhalten und somit kein Interesse mehr am Spiel. Oder meinten, jetzt unbedingt etwas an den Regeln ändern zu müssen und den Topf auf eine erhöhte Position zu stellen. Ich zittere, während ich diese Zeilen schreibe und mich an das Kinderlachen erinnere. Kindergeburtstage mit motivierten Eltern und Spieleprogramm haben tiefe Wunden in meinem Gehirn hinterlassen, die immer wieder aufplatzen und eitrige Blutlachen produzieren. Ekelhaft.

Die besten Kindergeburtstage waren die, an denen man sich einfach beim Geburtstagskind mit ein paar Freunden zusammensetzte und spontan das tat, worauf man Lust hatte. Kein organisiertes Unterhaltungsprogramm, sondern Spaß. Das mochte ich. Spaß war toll. Mal ein Stündchen vor der Konsole “Street Fighter”, “Turtles in Time” oder irgendein Fußballspiel spielen, dann das Turtlesbrettspiel auskramen und zwischendurch Kuchen essen und dessen Krümel im Zimmer verteilen. Das war ein guter Kindergeburtstag. Leider nicht normal.

Wenn mich heutzutage jemand fragt, ob ich Tabu mitspielen möchte, dann sage ich “Nein!”. Das ist das Gute am Erwachsensein: Man kann selbst bestimmen, ob man etwas machen will oder nicht und muss sich zu nichts zwingen lassen.

Da fällt mir doch glatt etwas ein, was mir an Gruppenpartyspielen Spaß macht: Die Aussage “Aber das macht doch immer so viel Spaß.” ist ziemlich super. Da lache ich meistens noch mehrere Tage später drüber. Nein, die Spiele machen mir keinen Spaß. Ich gönne es jedem, wenn er irgendeine Form der Freude aus ihnen ziehen kann, will aber auch gleichzeitig damit in Ruhe gelassen werden. Sie machen mir keinen Spaß. Ich habe keinen Spaß. Kein Spaß. Wiederhole ich mich schon? Ich habe mal gelernt, dass Menschen nur etwas lernen, wann man es immer und immer wieder wiederholt. Darum mache ich das. Kein Spaß! Nein! Keiner! Ihr habt ohne mich mehr Spaß an Gruppenpartyspielen als mit mir! Genießt es!

Übrigens kontrolliere ich hin und wieder, ob sich meine Einstellung den angesprochenen Spielen gegenüber nicht doch geändert hat. Manchmal spiele ich mit und versuche, positiv an die ganze Sache ranzugehen und den Spaß mitzumachen. Vielleicht werde ich ja gut unterhalten. Bestimmt. Es macht ja allen anderen so viel Spaß. Leider kann ich den Optimismus aber nicht lange aufrechterhalten. Dann gebe ich nur noch nach außen hin vor, Spaß zu haben, während ich mir in meinem Innern die verkrusteten Erinnerungswunden aufkratze und wünsche, das Spiel einfach beenden zu können. Natürlich tue ich das nicht. Ich bin kein Spielverderber. Wenn ich ein Spiel angefangen habe, dann bringe ich es auch zu Ende, halte mich dann beim obligatorischen “Und? Noch eine Runde?” jedoch zurück, um nicht mit Erbrochenem um mich zu spucken.

Genürsel 2013 - 19/52 - Kindergeburtstag

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