Adventserzählungen 2022 – Tag 05

Vor vielen Jahren lud ein bekannter Forscher mich zu einer Reise ein, bei der ich einfach nicht Nein sagen konnte. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, das Bermudadreieck zu erforschen, wobei ich ihm sehr gerne Gesellschaft leisten wollte. Es sollte direkt angemerkt werden, dass das Bermudadreieck nicht wirklich mysteriöser ist als alle anderen Ecken der Erde. Überall kann man etwas Spannendes erleben, wenn man nur genau hinschaut. Das sollten meine bisherigen Berichte mittlerweile gezeigt haben. Dennoch ist das ganze Gebiet natürlich umgeben von Geschichten, spannenden Beobachtungen, Sagen und Legenden. Immer und immer wieder hört man von irgendwelchen paranormalen Ereignissen, die im Bermudadreieck geschehen sein sollen. Und schon zu dieser Zeit hatte ich dem Dreieck ein paar Besuche abstatten dürfen und war nur selten enttäuscht worden.

Das war auch der Grund, warum mein Freund mich eingeladen hatte. Er wusste, dass ich mich in Teilen dieses Gebiets gut auskannte, und wollte sich mein Fachwissen zunutze machen. Als Ziel hatte er sich eine Stelle ausgesucht, die ich selbst tatsächlich auch noch nicht erforscht hatte, weshalb ich einwilligte und ihn tatkräftig unterstützte.

Mein Freund hatte bereits eine fünfköpfige Crew um sich geschart, mit uns beiden befanden sich also sieben Personen auf dem kleinen Boot, mit dem er das Bermudadreieck erforschen wollte. Das Boot war tatsächlich recht klein, da wir uns aber nicht allzu weit von den überall an diesem Ort verteilten, kleinen Inseln entfernen wollten, reichte es für das, was wir vorhatten, vollkommen aus.

Mein Bekannter hatte es auf eine bestimmte Meerenge zwischen zwei Inseln abgesehen, die ich an dieser Stelle nicht weiter erwähnen möchte. Wie immer will ich vermeiden, Sie in Gefahr zu bringen. Meistens verzichte ich auf Ortsangaben, außer sie sind so vage, dass sie Ihnen nicht weiterhelfen können.

Wie auch immer. Wir bestiegen das Boot und machten uns auf den Weg. Die meiste Zeit verbrachten wir auf dem Meer. Hin und wieder steuerten wir eine kleine Insel an, um uns dort auszuruhen, unsere Messinstrumente zu kalibrieren oder auch einfach nur ein paar Stunden um ein Feuer herum zu sitzen, um unsere Sachen zu waschen und anschließend zu trocknen.

Wir waren bereits seit vier Tagen auf See, als sich das Unglück ereignete.

Es war mitten in der Nacht, wir alle hatten es uns in unseren Betten an Bord gemütlich gemacht, als wir plötzlich von lautem Poltern geweckt wurden. Es klang, als hätte etwas unser Boot gerammt. Dieser Eindruck wurde durch das Schwanken unseres Gefährts nur noch untermauert. Etwas hatte uns nicht nur gerammt, sondern war noch immer in unserer Nähe. Wir rannten sofort an Deck und sahen uns um. Ein lautes Plätschern erregte unsere Aufmerksamkeit. Wir liefen an die Stelle, von der es aufstieg und schauten ins Wasser. Tatsächlich. Etwas befand sich unter uns. Genau an der Stelle, an der sich unsere Schiffsschraube befand.

Wir holten ein paar Lampen und richteten sie auf die Wasseroberfläche. Zunächst konnten wir nichts erkennen, dann jedoch tauchte auf einmal eine große, graue Hinterflosse auf. Irgendein großes Tier war dort unten. Aber was für eins? Dann erkannten wir das Blut. Was war nur geschehen? Wir holten weitere Lampen und konnten auf diese Weise endlich mehr erkennen. Zwar war noch immer nicht genau auszumachen, welches Tier sich unter uns befand, jedoch hatte es sich allem Anschein nach mit der Rückenflosse in unserer Schiffsschraube verfangen. Merkwürdig. Sie war doch gar nicht eingeschaltet gewesen. Aber letztendlich war es natürlich dennoch möglich, dass sich irgendein Tier darin verfing, wenn es nur schnell und feste genug gegen diese schwamm.

Dann sahen wir das Licht.

Das Tier wandt sich, strampelte mit der Hinterflosse und versuchte mit aller Kraft, sich zu befreien. Aber es blieb erfolglos. Je mehr es strampelte, desto stärker wurde das Leuchten unter unserem Boot. Ich schaute genauer hin und forderte die Besatzung dazu auf, kurz alle Lampen auszuschalten, die sie noch immer auf das Meer gerichtet hatten. Man tat, was ich verlangte, und es bestand kein Zweifel mehr. Zwei Lichtquellen befanden sich unter uns und bewegten sich im Rhythmus zu den Bewegungen des Tieres. Manchmal verschwanden sie unter dem Schiff, dann tauchten sie wieder auf und je länger ich dem Schauspiel zusah, desto sicherer war ich mir, dass es sich hier um die Augen des Tieres handeln musste.

Sofort wusste ich, was zu tun war. Ich gab der Besatzung Befehle, die diese sofort ausführte. Mein Bekannter hatte allen erklärt, dass man im Notfall auf mich hören sollte. Und das hier war ganz offensichtlich ein Notfall, denn dieses Tier hatte sich nicht nur unter uns verfangen, es war auch sehr stark und brachte unser Boot so stark zum Schwanken, dass wir uns nicht mehr sicher waren, ob es das Ganze unbeschadet überstehen würde. Es galt, schnell zu handeln.

Ich ließ mir ein Seil umbinden. Dann befestigte man dieses am Mast. Die Länge war so bemessen, dass ich nicht bis zur Wasseroberfläche heruntergelassen werden konnte. Ich wollte kein Risiko eingehen, mir aber gleichzeitig unseren unfreiwilligen Besucher aus der Nähe ansehen. Langsam ließ man mich herunter, ich hielt gleich zwei Lampen in der Hand und versuchte, so viele Details wie nur möglich zu erhaschen.

Je näher ich dem Wesen kam, desto nervöser wurde ich. Ich konnte spüren, dass es mitbekommen hatte, wie ich mich ihm näherte. Und das gefiel ihm gar nicht. Aber es hatte keine Optionen. Es hing unter unserem Boot fest und konnte sich nicht so bewegen, dass es mich erreichen konnte.

Als ich erkannte, um was für ein Tier es sich handelte, musste ich mich kurz zusammenreißen, nicht in Panik auszubrechen. Das Tier war etwa vier Meter lang. Kein Wunder, dass es unser Boot dermaßen in Aufruhr versetzen konnte. Aber das war noch nicht alles. Es handelte sich um einen Hai. Aber um einen Hai, von dem ich in meinem Leben noch nie gehört hatte. Nicht nur, dass er riesig war, er wirkte äußerst… wie soll ich sagen… wuchtig. Verstehen Sie mich nicht falsch! Er war nicht dick. Er wirkte eher auffällig muskulös. Als hätte man einen Weißen Hai für ein paar Jahre in ein Fitnessstudio gesteckt. Und dann waren da noch die bereits angesprochenen Augen. Ja, es waren die Augen, die gelb leuchteten. Immer, wenn der Hai erneut versuchte, sich von der Schiffsschraube zu befreien, leuchteten sie auf, als würde seine Anstrengung das Leuchten erst auslösen. Es war unglaublich faszinierend, diesem enormen Körper dabei zuzusehen, wie er darum kämpfte, sich wieder zu befreien.

Aber womit kämpfte er?

So ein Tier verfing sich nicht einfach so an einer Schiffsschraube. Vor allem nicht, wenn diese zu einem so kleinen Boot gehörte. Unser Boot war gerade einmal doppelt so lang wie der Hai. So etwas sollte eigentlich keine Herausforderung für ihn darstellen, das konnte ich ihm ansehen. Etwas Anderes musste ihn festhalten. Ich justierte meine Lampen so, dass ich mehr von der Schraube sehen konnte, und dann erkannte ich endlich das Problem. Ein Netz. Ein großes Fischernetz. Es war scheinbar über ihn geworfen worden, hatte sich an seiner Rückenflosse verheddert und sich anschließend um seinen gesamten Körper gewickelt. Und dieses Netz hatte sich nun in unserer Schraube verfangen. Je mehr der Hai sich anstrengte, seinem Gefängnis zu entkommen, desto mehr wickelte er das Netz um die Schraube.

Ich musste ihm helfen.

Ich gab der Besatzung den Befehl, mich wieder hochzuziehen. Oben angekommen ließ ich mir ein großes Messer bringen und dieses an einen langen Metallstab binden. Zunächst dachten meine Begleiter, dass ich das Tier töten wollte, doch erklärte ich ihnen schnell, dass ich das Gegenteil vorhatte. Wieder ließ ich mich an dem Seil herunter, wieder baumelte ich nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche. Langsam ließ ich mein Werkzeug nach unten, was das Tier nur noch weiter in Panik versetzte. Aber daran konnte ich nun auch nichts mehr ändern. Ich wusste, dass ich den Hai befreien musste. Diese Tiere überlebten eine solche Situation nicht lange. Der Hai blutete bereits, irgendwann würde er keine Kraft mehr haben. Und dann würde er hier unter uns verenden. Das konnte ich nicht verantworten.

Als mein Messer die Wasseroberfläche berührte, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Ich atmete tief ein und aus und versuchte, alles um mich herum zu vergessen. Das Boot schwankte hin und her, ich baumelte in der Luft, die Luft war kalt, das Wasser spritze mir ins Gesicht und ich fror. Aber all das war gerade egal. Der Gelbhai benötigte Hilfe. Was auch immer das hier für ein Tier war, es hatte etwas Besseres verdient, als unter einem kleinen Boot zu verrecken. Vielleicht hatte es auch einen besseren Namen verdient, aber in Extremsituationen konnte ich mich immer damit beruhigen, den unbekannten Dingen vor mir einen Namen zu geben.

Ich bewegte das Messer mit der mir bestmöglichen Präzision. Tatsächlich erreichte ich das Netz an der Schraube und begann, das Messer auf und ab zu bewegen, als würde ich aus der Entfernung versuchen, eine Gurke in Scheiben zu schneiden. Nach und nach zerschnitt ich die einzelnen Elemente des Netzes. Ich zerschnitt Seil um Seil und tatsächlich: Keine drei Minuten später machte der Gelbhai eine kraftvolle Bewegung und zerriss die noch an der Schraube hängenden Reste. Er löste sich von der Schraube und nicht nur das: Als er davonschwamm, tauchte an einer Stelle das Netz auf. Es hatte ihn losgelassen. Der Gelbhai war wieder frei. Und wir auch. Unser Boot lief nicht mehr Gefahr, von einem gigantischen Tier zerstört zu werden. Wir kontrollierten den Innenraum auf Schäden, konnten aber zum Glück nichts finden. Es war noch immer mitten in der Nacht, weshalb wir beschlossen, uns wieder hinzulegen.

Wir erwachten einige Stunden später, als erneut ein Ruck durch unser Schiff ging. Das konnte doch nicht sein. Schon wieder ein Gelbhai? Ich rannte nach oben und erkannte sofort, dass diesmal ein ganz anderes Problem auf uns wartete. Ein großes Fischerboot stand genau neben uns. Das laute Geräusch war aufgetreten, als es uns gerammt hatte. Nicht, um uns zu versenken. Es war eher damit vergleichbar, als hätte man beim seitlich neben uns Einparken nicht ganz auf den Abstand zwischen und geachtet. Als ich den wütenden Kapitän an Bord des Schiffes sah, war mir auch sofort klar, dass es sich bei diesem Manöver nicht um ein Versehen gehandelt hatte.

Der Mann schrie auf mich ein. Als der Rest meiner Besatzung auftauchte, schrie er auch auf diese ein. Er schrie und schrie. Zunächst konnte ich kein Wort verstehen, doch nach einiger Zeit erkannte ich, dass er zwar Englisch sprach, dies aber mit einem ungewöhnlichen Akzent angereichert hatte, dessen Sinn es zu sein schien, die Sprache so undeutlich wie möglich erklingen zu lassen.

Worum es ging? Ganz einfach: Wir hatten ihn um seine Beute gebracht. Er hatte einen merkwürdigen Hai gesehen und auf diesen Jagd gemacht. Er hatte ihn bereits mit einem Netz einfangen können, jedoch hatte sich dieses von seinem Schiff gelöst und das Tier war entkommen. Jetzt hatte er das Netz im Meer herumtreiben sehen, in der Nähe unseres Bootes, hatte es einholen und kontrollieren lassen und anschließend festgestellt, dass es von jemandem zerschnitten worden war. Und dieser Jemand konnten nur wir sein.

Ich überlegte lange, wie ich ihm der Situation angemessen reagieren konnte und entschied mich letztendlich für das Heben meines Mittelfingers. Ich hasste Menschen wie ihn, die ein großes Tier sahen und an nichts anderes denken konnten, als dieses zu jagen und zu töten. Ich freute mich, ihm ins Handwerk gepfuscht zu haben.

Doch dann sah ich auf einmal, wie die große Harpune an Bord des Schiffes auf uns gerichtet wurde. Bevor wir auch nur reagieren konnten, gab sie einen lauten Knall von sich und das gigantische Geschoss bohrte sich in die Seite unseres Bootes. Niemand wurde verletzt, jedoch war der Schaden irreparabel. Wir sahen, wie von Außen Wasser ins Boot floss und wussten, dass wir uns schon bald auf dem Boden des Meeres wiederfinden würden. Obwohl wir in der Nähe einer kleinen Insel waren, war das Meer hier bereits sehr, sehr tief. Außerdem war es gerade mal vier Uhr morgens, die Sonne machte noch keine Anstalten, sich zu erheben, wodurch wir die Insel nicht einmal am Horizont erkennen konnten. Würde man uns hier zurücklassen, würden wir uns ins Rettungsboot setzen und hoffen müssen, dass wir nicht weiter aufs Meer hinaus trieben.

Den Jäger interessierte das überhaupt nicht. Er begann, laut zu lachen. Der Rest seiner Besatzung stimmte mit ein. Man sah zu uns herunter, seine Reling befand ich etwa zwei Meter über der unseren. Wir sahen uns an und überlegten, was wir tun konnten. Aber unsere Blicke verrieten bereits alles. Wir hatten keine Chance. Die Harpune steckte immer noch in unserem Schiff und an Bord unserer Gegner machte man sich gerade daran, diese wieder einzuholen.

In diesem Moment ging auf einmal die Sonne auf.

Nein, natürlich ging die Sonne nicht auf. Dafür war es zu früh. Außerdem tauchte sie in der falschen Himmelsrichtung auf. Ich schaute in die Richtung, aus der das helle Licht zu uns strahlte. Auch die anderen Anwesenden vergaßen für einen kleinen Moment den Konflikt, der hier zwischen unseren beiden Parteien herrschte. Alle sahen zum Licht.

Es war, als würden sich uns unzählige Glühwürmchen unter Wasser nähern. Ich wusste sofort, was das bedeutete. Gelbhaie. Und zwar unzählige. Sie kamen direkt auf uns zu. Auch unsere Feinde schienen zu erkennen, worum es sich hier handelte. Der Kapitän gab sofort das Zeichen, die Harpune einzuholen. Gleichzeitig ließ er seine Besatzung mit kleinen Handharpunen bewaffnet Stellung an der den Gelbhaien zugewandten Seite des Schiffes beziehen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Es waren eindeutig mehr Gelbhaie auf dem Weg zu uns, als Harpunen an Bord des Schiffes.

Meine Besatzung und ich taten nichts. Einfach nichts. Was sollten wir auch tun? Wir waren an unsere Feinde gekettet wie der Gelbhai vor ein paar Stunden an uns. Nur leider hatten wir nicht das Glück, dass unser Gegenüber alles daran setzte, uns wieder zu befreien.

Zuerst hörten wir, wie Harpunen abgefeuert wurden, aber um ehrlich zu sein, bezweifelte ich deren Wirkung. Es waren kleine, gewöhnliche Handharpunen. Und die Gelbhaie waren riesig. Außerdem schienen die Haie gar nicht nahe an uns herankommen zu wollen. Stattdessen machten sie etwa zehn Meter vor uns kehrt und umkreisten uns. Alle schwammen in einem perfekten Kreis um unsere beiden Boote herum. Nach wenigen Sekunden hatten sie den Kreis um uns herum geschlossen. Selbst wenn wir noch hätten fahren können, hätten wir nirgends mehr eine Stelle gefunden, an der wir den Kreis, der sich um uns gebildet hatte, hätten durchfahren können.

Plötzlich brach ein einzelner Hai aus der Gruppe aus und schwamm direkt auf uns zu. Seine zwei Augen leuchteten heller als die der anderen. Offensichtlich machte er sich für einen Angriff bereit. Als ich meinen Blick auf ihn richtete, fiel mir auf, dass sich unser Boot und das Schiff der Anderen bewegten. Wir drehten uns. Die Gelbhaie schwammen so schnell um uns herum, dass sie einen leichten Strudel bildeten. Das war unglaublich. Die gelben Augen leuchteten immer heller und heller und schon bald gingen die hellen Streifen der einzelnen Licher in einander über. Es sah aus, als hätte man unter Wasser einen leuchtenden Kreis um uns gezogen. Das Wasser bewegte sich immer schneller und wir drehten uns mit ihm.

In diesem Moment sprang der Gelbhai, der sich auf uns zu bewegt hatte, in die Luft. Aber er attackierte keines unserer Fahrzeuge. Stattdessen sprang er zwischen uns beiden hindurch und biss in das Seil der großen Harpune, die unsere Gegner noch immer nicht aus unserem Boot gezogen hatten. Es gab einen großen Ruck und als der Gelbhai wieder die Wasseroberfläche erreicht hatte, setzten wir uns in Bewegung. Dieses beeindruckende Tier hatte nicht nur das Seil der Harpune zerbissen, sondern es nach der Landung im Maul behalten. Und jetzt zog er uns hinter sich her.

Ich hatte mich also nicht getäuscht. Als ich dieses unglaublich beeindruckende Tier aus dem Wasser aufsteigen sah, fiel mir seine Wunde auf, die seinen Rücken zierte. Es musste sich hier einfach um das Tier handeln, das wir erst vor Kurzem befreit hatten. Doch was hatte es vor?

Es zog uns mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit auf die uns immer noch umkreisenden Gelbhaie zu. Kurz bevor er seine Artgenossen erreicht hatte, senkte sich der Kreis an dieser Stelle um etwa zwei Meter nach unten. Es bestand kein Zweifel mehr. Sie ließen uns passieren.

Der Hai zog uns über den leuchtenden Kreis hinweg. Als wir genau über ihm waren, trauten wir unseren Augen nicht. Was für ein Schauspiel. Wie viele Gelbhaie befanden sich in diesem Moment unter uns? Es mussten hunderte sein. Aber zum Zählen blieb keine Zeit. Wir hatten den leuchtenden Kreis genauso schnell hinter uns gebracht, wie wir auf ihn zu gezogen worden waren. Immer weiter entfernten wir uns von diesem Spektakel, jedoch interessierten wir uns gar nicht mehr für den Ort, an den uns unser neuer Freund ziehen wollte, stattdessen warfen wir alle einen Blick in Richtung der Jäger.

Nur noch der Mast des Schiffes war zu sehen, der sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit um die eigene Achse drehte. Die Gelbhaie hatten wahrhaftig einen Strudel erzeugt, der das Schiff ihrer Feinde langsam in die Tiefe des Meeres zogen. Von Sekunde zu Sekunde verschwand der Mast vor unseren Augen, bis er nicht mehr zu sehen war. Was dann geschah, konnten wir nicht erkennen, da die Distanz zwischen uns und diesem Spektakel zu groß geworden war. Lediglich das helle Leuchten der Augen war noch zu erkennen.

Auf einmal bemerkten wir, dass wir langsamer wurden. Wir sahen nach vorne und sahen gerade noch rechtzeitig, dass es an der Zeit war, sich festzuhalten. Der Gelbhai drehte nach links ab, hatte das Seil der Harpune aber losgelassen. Unsere Reise war zu Ende. Etwa zehn Meter vor uns sahen wir bereits den Strand der Insel und unser Boot bewegte sich schnell auf diesen zu. Dann gab es einen Knall, als die Unterseite den Grund berührte und sich in diesen bohrte. Zum Glück hatten wir alle Halt gefunden, sonst wären wir eventuell über Bord geschleudert worden. Aber auch das wäre nicht so schlimm gewesen. Wir steckten im Grunde in einer Insel fest. Wir waren in Sicherheit.

Von den Jägern haben wir nie wieder etwas gesehen. Von den Gelbhaien ebenfalls nicht. Wir hatten es uns auf der Insel einigermaßen gemütlich gemacht und zum Glück noch genug Verpflegung, um ein paar Tage zu überleben. Als wir ein Schiff am Horizont sahen, machten wir mit Hilfe einer Leuchtrakete auf uns aufmerksam. Tatsächlich sah und rettete man uns. Einige Tage später befand ich mich wieder bei mir zu Hause und hatte endlich Zeit, in Ruhe über mein Erlebnis nachzudenken.

Ich weiß nicht, wie diese Geschichte ohne den Gelbhai ausgegangen wäre. Vermutlich hätten wir unsere Forschungen normal fortgesetzt, wären den Jägern nie begegnet und wer weiß schon, was wir stattdessen gefunden hätten.

Aber so blieb uns allen die Gewissheit, ein spektakuläres Lebewesen gefunden zu haben, dessen Taten mich noch heute sprachlos zurücklassen.

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