Wenn ich ein großes Rollenspiel wie “Skyrim” starte, dann erstelle ich mir als Charakter immer einen Typen und nenne ihn Sven. Warum? Weil ich kein Interesse daran habe, in eine andere Rolle zu schlüpfen als meine. Ich spiele weder Frau, Katzen- oder Echsenwesen. Ich spiele mich selbst. In “Skyrim” sehe ich deswegen so aus:
Das bin ich. Der Sven. Mit einem ähnlich lächerlichen Bartwuchs wie in der Realität. Die Haare sind etwas länger, beim Gesicht habe ich mir so ziemlich überhaupt keine Mühe gegeben aber letztendlich ist das doch sowieso egal. Es steht schließlich von Anfang an fest, dass man meine Gesichtsbratze niemals zu Gesicht bekommen wird. Ich bin ein Krieger. Mit Axt, Schild und schwerer Rüstung. Ein wichtiger Bestandteil einer schweren Rüstung ist ein schwerer Helm, der mein Antlitz verdeckt. Im Grunde könnte ich somit problemlos Frau, Katze oder Echse spielen. Schließlich wird man meinen Körper nach wenigen Spielminuten gar nicht mehr erkennen. Aber ich kann mich einfach nicht selbst belügen. Ich weiß, wer oder was sich hinter der Maske verbirgt. Und ich kann damit nicht leben. Vor allem keine mehrere Hundert Stunden lang. So lange spielt man “Skyrim” schließlich. Habe ich gelesen. In einem Fachmagazin über Zeitverschwendung.
Weil ich spa-zone.de so unglaublich sehr liebe, habe ich mir dann auch kurzerhand einen gelben Streifen ins Gesicht tätowieren lassen. Irgendwie muss man seine Heimat ja repräsentieren. Das ist wie beim Hip Hop. Die Leute sollen erfahren, aus welcher Hood ich komme. Da das mit dem Rappen in “Skyrim” irgendwie noch nicht möglich ist (ich hoffe noch auf die fleißige Mod-Community), griff ich auf ein Tattoo zurück. Das ist wie Graffiti. Lassen wir das doch lieber mit den Vergleichen.
Viel lieber möchte ich auf einen gemeinen Identitätsdieb hinweisen, der mir gleich im ersten kleinen Dorf über den Weg gelaufen kam. Das hier ist Sven:
Sven ist ein mieser, kleiner Drecksack, der genauso blond aber deutlich hässlicher ist als ich. Er steht die ganze Zeit über faul in der Gegend herum und spielt Laute. Ich habe mir fest vorgenommen, ihn irgendwann umzubringen. Wann genau, weiß ich aber noch nicht. Gerade wäre es ungünstig, einen Mord zu begehen. Ich will nicht festgenommen werden. Die Wachen würden mir meine gestohlenen Gegenstände wegnehmen. Dazu würde mein momentan ausgerüsteter Bogen zählen, den ich aus irgendeiner Schatzkammer entwendete, als niemand hingesehen hatte.
Woher die Wachen wissen, dass ich den Bogen gestohlen habe? Na, an der roten Hand natürlich, die in meinem Inventar hinter dem Namen jedes gestohlenen Gegenstands zu sehen ist. Wer das erfunden hat, sollte einen Orden verliehen bekommen. Den würde ich ihm dann nämlich stehlen und beim nächstbesten Händler verscherbeln.
Was rede ich denn da? Als würde ich mich jemals von einem so interessanten Gegenstand trennen können. Ich kann mich ja nicht einmal von einer Kinderpuppe trennen, die ich eines Tages mitten in einem Räuberlager gefunden hatte.
Nicht unbedingt ein hübsches Ding, aber irgendwie hängen da jetzt Erinnerungen dran, die es nie wieder los wird. Mittlerweile habe ich übrigens mehrere dieser Puppen gefunden. Natürlich werden diese abscheulichen Imitate verkauft. Ich brauche nur eine Kinderpuppe. Man will es ja auch nicht übertreiben. Die Kinder “Skyrims” sollen schließlich auch etwas zum Spielen haben. Diese verdammten Kinder “Skyrims”. Einmal habe ich einem dieser Blagen aus nächster Nähe einen Pfeil in den Schädel gedonnert, weil es meinte, ich würde die Stiefel seines Vaters lecken. Keine Sorge: Das hat natürlich nichts gebracht. Die Kinder “Skyrims” können nicht getötet werden. Der Vater wiederum fand die Geschichte mit dem Pfeil nicht sehr lustig. Er griff mich an, ich tötete ihn, zog ihn bis auf die Unterhose aus und bewarf den zuvor noch so großmäuligen Sohn mit den eingesammelten Schuhen. Sollte er sie doch lecken. Am Ende lud ich natürlich ein Savegame vor der Pfeilattacke und machte das Geschehen rückgängig. Ich nahm die Sprüche des Kindes von nun an mit einem Grinsen hin. Ich wusste schließlich, dass er in einer Paralleldimension gerade heulend in einem Waisenhaus saß und an den blutigen Käsemauken seines Vaters nuckelte.
Vermutlich werdet ihr euch jetzt wundern, warum ich hier die ganze Zeit über Bögen schreibe. Hatte ich nicht weiter oben von einer Axt gesprochen? Keine Sorge! Natürlich spiele ich einen Nahkämpfer. Das mache ich doch immer. Aber das heißt ja nicht, dass man sich nicht hin und wieder einen Spaß erlauben darf. Um Magie mache ich selbstverständlich einen großen Bogen. Ich spiele in Rollenspielen nie einen Magier. Ich kann ja auch in der Realität nicht zaubern. Aber eine Axt führen? Einen Bogen benutzen? Theoretisch wäre das möglich. Darum habe ich einen Bogen dabei. Wenn man schon einen ultramultra Elfenbogen geklaut hat, dann soll der auch benutzt werden. Betrete ich eine Räuberhöhle, läuft das immer so ab: Ich suche mir das nächstgelegene Opfer, spanne den Bogen, gebe einen Schuss ab, lenke die Aufmerksamkeit auf mich und bereite mich auf den Nahkampf gegen einen geschwächten Gegner vor. Das klingt jetzt bestimmt total taktisch. Es erklärt aber nicht, warum zum Beispiel das nun folgende Opfer gleich drei Pfeile im Schädel stecken hat.
Der Grund dafür ist einfach: Ich bin kein guter Bogenschütze. Aber trotzdem macht es tierisch Spaß. Das FUMP des Bogens klingt in “Skyrim” fantastisch. FUMP “Was?” FUMP “Ist da wer?” FUMP “Ich glaube, ich habe etwas gehört.” Unglaublich. Die Räuber “Skyrims” mögen nicht zu den intelligentesten Kreaturen zählen, aber ganz bestimmt zu den unfreiwillig komischsten. Einmal schaffte ich es tatsächlich, einen mächtigen Räuberhäuptling auch nach dem sechsten Pfeil in seiner Rüstung durch geschicktes Stillstehen im Nebenraum davon zu überzeugen, dass gerade überhaupt niemand auf ihn schoss. Wie er mein Gelächter überhören konnte, weiß ich bis heute nicht. Lag vermutlich daran, dass ich “Skyrim” am PC spiele und nicht an der stets mitlauschenden Xbox. Haha. Damit hätte ich einen solchen Witz auch endlich mal gebracht.
Aber kommen wir endlich zum eigentlichen Grund für diesen Text. Das hat jetzt aber wieder einmal ziemlich lang gedauert. Tja. So ist das, wenn man über “Skyrim” scheibt. Wo fängt man an? Wo hört man auf? So viel kann passieren. So viel passiert. Einmal war da dieser Orkkrieger, der einen letzten, ehrenvollen Kampf haben wollte, bevor er das Zeitliche segnete. Ich erklärte mich selbstverständlich sofort bereit, ihn auf seinem Weg in den Tod zu unterstützen. Ich tötete ihn und klaute ihm seine Hose. Und den Rest seiner Kleidung. So ließ ich ihn dann ehrenvoll am Straßenrand liegen und verwesen.
Ich glaube, der Kerl liegt da heute noch. “Skyrim” merkt sich erschreckend viel. Überall liegen nackte Wesen herum. Schlimm ist das. Was wirft denn das für ein Bild auf mich? Als würde ich in der Realität an nichts anderes denken als an das Entfernen der Kleidung meiner Gegenüber. So eine absurde Vorstellung!
Jedenfalls! Ich schreibe diesen Text, um Abschied zu nehmen. Ich nehme heute Abschied von den drei treusten Gefährten, die mir bisher auf meiner Reise durch “Skyrim” Gesellschaft geleistet haben. Es fällt mir schwer, sie zurückzulassen. Aber ich habe nicht wirklich eine Wahl. Ich habe bessere Alternativen zu ihnen gefunden. Von wem ich rede? Das will ich, wie man hoffentlich merkt, ein wenig verheimlichen. Damit die Auflösung des Ganzen lustig ist. Ach du meine Güte, ihr werdet euch kaputtlachen, wenn sich endlich herausstellt, dass ich nicht von Lebewesen rede, sondern von Fässern! Ha! Oh. Moment. Mist. Witz versaut. Naja. Machen wir das Beste draus.
Zwei meiner treuen Gefährten sind stets vor dem Drunken Huntsman in Whiterun anzutreffen.
Auf dem folgenden Bild sieht man sie besser. Sie stehen direkt rechts neben dem Eingang.
Ich meine die beiden Fässer! Und jetzt stellt euch mal vor, wie ihr gelacht hättet, hätte ich nicht kurz zuvor den Witz versaut! Köstlich! Ich labe mich noch ein wenig an eurem vorgestellten Gelächter. Währenddessen könnt ihr euch die zwei Fässer ja noch einmal genauer ansehen. Hier ist noch ein Bild.
“Skyrim” ist riesig. Und gigantisch. Und ein viel zu großes Spiel, das merkwürdige Kommentarbereiche verursacht. Ich lasse mich leicht ablenken. Das ist wie bei “Minecraft”. Ich will einen Baum boxen, weil ich das Holz für eine Tür benötige, sehe plötzlich eine Höhle, renne sofort in sie hinein und drei Stunden später frage ich mich dann, wieso ich einen Leuchtturm aus Wolle errichtet habe und wie es dazu kommen konnte. Schließlich wollte ich Holz und keinen Wollturm. Das Gleiche passiert mir in “Skyrim”. Nur ohne Baumboxen. Wobei. Das habe ich auch einmal gemacht. Die Gründe dafür möchte ich euch aber ersparen.
Nach fast dreißig Stunden Spielzeit habe ich es noch nicht geschafft, weit in der Hauptgeschichte vorzudringen. Seit Stunden soll ich auf einen Berg klettern, weil mir dort eine Truppe namens “Die Graubärte” erklären will, wie ich richtig schreien kann. Zumindest glaube ich, dass sie das wollen. Irgendwann hatte ich mal einen Drachen getötet und werde seitdem “Drachenblut” genannt. Und kann schreien. Einmal am Tag. Genaueres wollen mir “Die Graubärte” erklären. Aber ich schaffe es einfach nicht zu ihnen. Immer und immer wieder finde ich mich plötzlich in einer Höhle wieder und habe meine Taschen voller Käseräder.
So viele Käseräder. Dabei mag ich doch gar keinen Käse. Aber ich nehme ihn trotzdem mit. Man kann die Dinger ja vielleicht irgendwann mal gebrauchen. Zum “Das Rad neu erfinden” zum Beispiel. Ich präsentiere: Die Käsekutsche! Das ist wie der Frankfurter “Ebbelwei-Express”. Nur nicht ganz so albern. Nun gut. Käseräder also. Die habe ich in meinen Taschen. Und einen Haufen Waffen und Klamotten, die ich meinen Feinden abgenommen habe. Zurück bleiben nackte Leichen. Nackte, entwaffnete, hilflose Leichen. Wie sie da herumliegen. So nackt. Öhm. In “Skyrim” ist der Inventarplatz begrenzt. Muss ich das wirklich erklären? Na gut. Aber nur kurz. Jeder Gegenstand in “Skyrim” wiegt etwas. Eine Stahlrüstung mehr als ein Käserad, ein Käserad wiederum mehr als ein Heiltrank. Ein Charakter kann nur ein begrenztes Gewicht an Zeug herumtragen. Überschreitet er dieses Gewicht, explodiert er nicht, sondern kann nicht mehr schnell laufen. Dann muss man abladen. Und hier kommen endlich meine zwei zuvor vorgestellten Fässer ins Spiel.
Im linken Fass lagerte ich immer meine wichtigen Dinge. Verzauberte Gegenstände, die ich sammle, weil sie so schön funkeln. Tränke. Essen. Materialien. Bücher. So viele Bücher. Wie viele Bücher es gibt! Wahnsinn. All diese wichtigen Dinge landeten also im linken Fass. Käseräder auch. Weil man ja mal könnte. Die Sachen, die ich verkaufen wollte, kamen wiederum ins rechte Fass. Also zum Beispiel Lederrüstungen (Wie kann man nur so etwas tragen?) oder Zauberstäbe (Hihi. Zauberstäbchen. Hex hex!).
Diese Sortierung hatte den Vorteil, dass ich nicht jedes Mal, wenn ich in die Stadt kam, sofort alles verkaufen musste. Das ist in “Skyrim” nämlich gar nicht so einfach. Händler haben nur ein begrenztes Geldvorkommen und nachts schlafen sie. Ja. Sie schlafen. Der pure Wahnsinn. Trotz Riesenhelm sprechen mich die Wachen und Passanten in Städten regelmäßig auf meine ungesunde Hautfarbe an und raten mir zu einer Mütze Schlaf. Natürlich ignoriere ich das. Eine Mütze Schlaf ist bestimmt nicht so beeindruckend und stählern wie mein behörnter Eisenhut. So etwas Lächerliches setze ich mir bestimmt nicht auf.
Jedenfalls helfen mir meine beiden Fässerkumpel dabei, mein Zeug zu sortieren. Da sowohl das wichtige Fass als auch das Schrottfass unendlich viel Platz bieten, musste ich mir keine Sorgen mehr machen, wenn ich nach meinen Höhlenforschungen vollbeladen mit Kleidungsstücken in die Stadt kam und die Händler schliefen. Einfach abladen und weiter ging die Entkleidung, Entschuldigung, Reise.
Ging es dann doch mal ans Verkaufen, kam Gehilfe Nummer drei ins Spiel. Er befand sich direkt neben der Schmiede.
Im folgenden Bild könnt ihr ihn im Hintergrund stehen sehen.
Gehilfe drei war das helle Fass links neben dem Eingang zur Schmiede. Hier links im Bild.
An dieses Fass trat ich immer dann, wenn es ans Verkaufen ging. Ich entledigte mich aller Gegenstände, die ich bei mir trug. Also denen, die ich auf meinen Reisen immer dabei hatte. Meine Axt, mein Bogen, meine Pfeile, meine Rüstungen und meine Tränke. All das packte ich in besagtes Fass. Ich benötigte den Platz im Inventar. Außerdem wollte ich nicht versehentlich meine Hauptwaffe verkaufen. Am Ende hätte ich noch den Schmied töten und ausrauben müssen. Das will ja irgendwie auch niemand. Zumindest noch nicht. Habe ich schon erzählt, wie ich vor vielen Jahren, als ich beschlossen hatte, dass mir “Oblivion” nicht gefiel, einfach in jede Stadt rannte und alle umbrachte, die umgebracht werden konnten? Vermutlich nicht. Eine düstere Geschichte war das. So viele Hosen!
Ich entkleidete mich also vollständig. Alles wurde in Fass Nummer drei verstaut. Daraufhin machte ich mich auf zum Müllfass und steckte alles ein. So trat ich nackt vor den Schmied, ignorierte seine Sprüche und verkaufte so lange Zeug, bis er kein Geld mehr hatte. Dann ging ich weiter zum Gemischtwarenhändler und zu allen anderen Menschen, die mir Geld für Müll anboten. Auf dem Weg wichen Menschen schockiert zurück. Sie sagten mir, ich solle mir etwas anziehen. Ich hörte nicht auf sie. Ich hatte gerade keine Zeit für Kleidung. Ich musste Kleidung verkaufen. Die Kleidung meiner gefallenen Gegner. Meine nun nackten Gegner. Nackt. Nackidei, Nackidei, alle singen Nackidei. Ging das Lied so? Ich glaube schon. Vielleicht sollte ich mich mal auf den Marktplatzt vor der Drachenfeste stellen und dieses Lied mit der Laute anstimmen. Nein. Was für ein absurder Gedanke. Ich will nicht, dass man mich mit diesem faulen Halunken Sven verwechselt. Den muss ich auch noch umbringen. Und ausziehen. Gleich mal in meinen Kleiderklaukalendern eintragen. Der natürlich gar nicht existiert.
Nach dem Verkauf meiner Waren, kehrte ich zu meinem Fass Nummer drei zurück und erstrahlte kurze Zeit später in gewohnter, bekleideter Pracht. Die Reise konnte weiter gehen. Hosen konnten gesammelt werden.
Tja. Doch jetzt heißt es Abschied nehmen. Ich brauche meine Fässer nicht mehr. Warum? Weil ich mittlerweile das hier habe:
Ich habe mir ein Haus gekauft. Auch das ist in “Skyrim” möglich. Das Ding sieht von Innen zwar noch nicht wirklich berauschend aus, doch zum Meckern bleibt keine Zeit.
Es gibt eine Kiste und zwei Kommoden. Genug, um mein Fässersystem fässerlos weiterzuführen. In meinen eigenen vier Wänden. Ich muss nicht mehr Angst davor haben, dass irgendein betrunkener Barde aus der Kneipe getorkelt kommt und mir über meine verzauberten Klamotten kotzt. Meine Sachen sind nun sicher. Irgendwie fiel mir der Abschied schwer. Aber die Fässer sind natürlich nicht aus der Welt. Sie stehen noch immer an ihren gewohnten Plätzen. Hin und wieder gehe ich noch an ihnen vorbei, öffne sie und werfe einen kurzen Blick hinein. Ich will mich vergewissern, dass es ihnen gut geht. Und ich kein Kleidungsstück beim Umzug übersehen und vergessen habe. Das wäre doch schade. Um all die Hosen.
Mit meinem neuen und vor allem geschützten Ordnungssystem kann ich jetzt jedenfalls ganz beruhigt durch “Skyrim” ziehen und Abenteuer erleben. Ich kann alles mitnehmen, was mir auf meinem Weg begegnet. Ich muss keinen Gedanken mehr an den Verlust von Gegenständen verschwenden. Ich kann endlich ganz und gar ich selbst sein und Erz aus einer Erzader kloppen, während ich auf einem nackten Ork stehe. In einer Höhle voller Mammutrüssel.