Schleimklumpen im Medizinerkostüm

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da entschloss sich ein ruhiger, gelassener und vor allem stressbefreiter junger Held, so lange zu warten, bis er Hunger bekommen würde. Fünf Minuten später verließ er seine Burg, um erst heimzukehren, wenn er seinen erschreckend schnell eingetretenen und nun lauthals kreischenden Hunger befriedigt hatte. Am Hungerbekämpfungshort angekommen, kaufte er Essen für sich und die in der Heimatburg wartende Heldin. Nach getaner Arbeit kehrte er zurück nach Hause.

Er öffnete das Burgtor und fand seine Heldin umringt von zwei nach Deo und Gel stinkenden Schleimklumpen wieder. Die Klumpen begannen sofort, den leicht erschrockenen Helden mit einzuschleimen, begrüßten ihn, stellten sich vor und redeten, redeten, redeten und redeten. Wobei man hier eingrenzen sollte: Nur einer redete. Der zweite war einfach nur da. Er tat nichts, sagte nichts und nickte lediglich zwischenzeitig mit dem Kopf.

(Kurzer Einschub: Das Lexikon des Wissen in der großen Bibliothek des Wissens definiert “Schleim” wie folgt: “Meist in Gruppen auftretende menschenähnliche Wesen, die ein aufdringliches Verhalten vorweisen, ihren Opfern Gold aus der Tasche ziehen möchten, dies aber hinter Lobpreisungen und Komplimenten verstecken. Reagieren gereizt, wenn man ihre Angebote ablehnt.”)

Der Held unterbrach die auf ihn einprasselnden Worte zunächst, da er noch in voller Kriegermontur im Eingang stand und diese erst einmal ablegen wollte. Er entledigte sich seiner schweren Rüstung und verstaute die Tasche voller Nudel- und Wurstwaren an einem sicheren Ort. Er hatte Angst um seine Beute. In der damaligen Zeit konnte man schließlich nie wissen.

Nun gesellte er sich zu den beiden Klumpen und hörte zu. Sie waren gekleidet wie typische Mediziner, die einem im Notfall zur Hilfe eilten, konnten sich auch als solche ausweisen und stellten sogleich klar, dass sie die Reichtümer der zwei Helden nicht anrühren wollten.

Hätte der Held in der Gegenwart gelebt, hätten in diesem Moment seine Alarmanlagen laut musiziert. Aufgrund der fehlenden Technik harfte stattdessen ein Saiteninstrument bedrohlich klingende Melodien in seinen Kopf hinein. Das auffälligste, was Menschen, die Reichtümer anderer erbeuten wollten, tun konnten war, dies ungefragt und einleitend zu bestreiten.

In gewisser Weise wussten die Helden von diesem Moment an, was auf sie zukommen würde und man ging in Abwehrhaltung. Doch die beiden Schleimklumpen wären keine Schleimklumpen gewesen, wenn sie ihr Handwerk nicht verstanden hätten. Sie begannen zu schleimen. Sie sagten, dass sie anhand der in der Burg überall angebrachten Wandgemälde erkennen würden, dass man den gleichen Schattenspielgeschmack teilte. Auch den gleichen Freizeitbetätigungen würde man nachgehen. Und als sich dann auch noch herausstellte, dass der Held und der redende Schleimhaufen aus derselben Region stammten, machte der Schleim Freudensprünge, schüttelte den Kopf und stellte die aus heutiger Sicht vollkommen schwachsinnige These auf, dass die Welt unglaublich klein sei.

Worum es den beiden offensichtlich ungebildeten Klumpenlumpen eigentlich ging, stellte sich aber erst nach einiger Zeit des Geschwafels heraus. Sie gehörten einer medizinischen Organisation an, die Krankentransporte organisierte. Ob per Kutsche, Schiff oder Flugdrachen, alles war möglich. Der Drachen war zwar nur angemietet, doch “wer stellt sich schon eine Kuh in den Garten, wenn man nur einen Liter Milch in der Woche braucht”, sagte der Gesprächsklumpen intelligent grinsend. Gleichzeitig drückte man sich selbst auf die Tränendrüse und heulte schleimfördernd herum, dass die aktuellen Herrscher immer weniger Gold zur Erhaltung der Drachen zur Verfügung stellen würden.

Aufgrund der Wortüberfüllung im eigenen Gehirn langsam nervös werdend, versuchte der Held auf Sprüche dieser Art gar nicht mehr einzugehen. Es war im Grunde schon interessant, was einem hier berichtet wurde, doch war es eben dermaßen verpackt in Geschleime, dass die einzelnen Wörter beim Eindringen in die Heldenohren einen lauten Platscher von sich gaben. Und sowas bringt einen hungrigen Helden in Rage. Plötzlich erreichten ihn blutrünstige Gedankenblitze mit Erinnerungen an das im Nebenzimmer verstaute Schwert, doch verdrängte er diese Gedanken aufgrund der dadurch sicherlich entstehenden Konflikte mit dem Gesetz und dessen Vertretern umgehend. Stattdessen lauschte er unaufmerksam den weiteren Wortplatschern und übte sich an der von den Elfen aufgeschnappten Technik des Schlafens mit offenen Augen und zwischenzeitigem Nicken. Es klappte. Der Held betrachtete müde die auf und ab wabernde Mundregion des Schleims und stellte sich vor, es seien die eigenen, die gerade genüsslich eine Wurst verspeisten.

Irgendwann jedoch bemerkte er aber, dass sich nicht nur in der Mundregion der Schleime etwas bewegte, sondern auch in der Region der abstehenden Gliedmaßen. Der Redeschleim hatte ein Pergament in der Hand, füllte dieses aus, verteilte darauf Kreuze und als der Held diverse notierte Goldsummen erblickte, schob er die Elfentechnik beiseite und konzentrierte sich wieder voll und ganz auf die sich vor ihm abspielende Situation.

Der Moment war gekommen. Die Schleime entblößten ihre hinterhältigen Schleiminnereien. Wenn die Helden nicht sofort einschreiten würden, wären sie um einige Goldstücke ärmer. Und das Jahr für Jahr.

Den ersten Schritt wagte die Heldin. Sie gab unmissverständlich zu verstehen, dass man an Goldabgaben nicht interessiert sei. Die Schleime erwiderten (wenn man ihr Geschwafel in das übersetzt, was sie eigentlich damit sagen wollten) dass ihnen das egal sei und man sich nicht davon abbringen ließe, den eigenen Bereicherungsplan durchzuführen.

Da die Schleime offensichtlich auf stur stellten, taten es unsere beiden Helden nun ebenfalls. Man versuchte anfangs noch, die eigene Ablehnung zu erklären, doch die Schleime ließen weder die Heldin, noch den Helden ausreden. Man warf ihnen vor, geizig zu sein. Man sagte, dass das alles nur eine Sache des “Wollens” wäre. Und vor allem sei der eigene Verein gut, nützlich, wichtig und… wichtig.

Die Atmosphäre wurde gereizt, Argumente musste man mit einem dieser neumodischen Vergrößerungsgläser unter den auf dem Boden liegenden Stoffstücken suchen. Held und Heldin benutzten die Anti-Schleim-Taktik “Wiederholen ein und desselben Satzes”, bis die Schleime irgendwann endlich die ihnen entgegengebrachte Ablehnung verstanden. Sie sogen sie angewidert in sich auf und verließen resignierend die Burg.

Am Tor rief man Held und Heldin noch zu, dass man sich bei einem Notfall nur nicht beschweren solle. Schließlich sei man ja da gewesen und hätte sie gewarnt. Plötzlich zerbrach das zuvor aufgebaute Höflichkeitskonstrukt und die beiden am Tor zurückgebliebenen Helden überlegten, ob sie nun um ihr Leben fürchten oder doch lieber lachen sollten.

Man entschied sich letztendlich für zweiteres und widmete sich endlich dem eigenen Essen. Man ließ die Geschehnisse noch einmal vor dem inneren Auge Revue passieren und freute sich darüber, dass Schleimklumpen dieser Art in Zukunft sicherlich verboten werden würden. Zumindest hoffte man das.

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