Ich fühle mich dazu berufen, einen ernstgemeinten Ratgeber zu veröffentlichen, der die Welt ein wenig lebenswerter machen wird. Es geht um Kassenopas und Kassenomas, also einen ganz speziellen Teil der menschlichen Bevölkerung, mit dem schon ein jeder von uns in Kontakt stand und auf den man ausschließlich in Supermärkten trifft.
Hat man im Supermarkt seine einzukaufenden Waren zusammen und bewegt sich auf eine Kasse zu, ist es enorm wichtig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was für Menschen gerade darauf warten, abkassiert zu werden. Wo befinden sie sich, die Kassenopas und -omas? Aber wie identifiziert man sie überhaupt? Ganz einfach: Beide sind, wie der Name vermuten lässt, älteren Kalibers. Kassenopas wirken gestresst. Sie schauen sich die ganze Zeit über um, schütteln den Kopf und versuchen, zwischen den Supermarktregalen Mitarbeiter zu entdecken. Kassenomas dagegen lehnen resignierend auf ihren Einkaufswagen, schütteln ebenfalls den Kopf und starren teilnahmslos auf den Supermarktboden.
Bei beiden Wesen ist es enorm wichtig, sie niemals direkt hinter sich stehen zu haben. Die Gründe dafür unterscheiden sich jedoch voneinander, weshalb ich separat auf sie zu sprechen kommen werde. Selbstverständlich dürfen folgende Regeln nur angewandt werden, wenn der Supermarkt gut gefüllt und der Weg zur Kasse ein langer ist. Bei Kassenopas gilt zudem: Eine Kasse darf nicht besetzt sein.
Kassenopas platziert man idealerweise direkt vor sich. Natürlich ist das nicht immer möglich, trotzdem ist zu beachten, sie niemals hinter sich stehen zu haben. Befindet sich ein nervöser Kassenopa hinter einem, sollte man ihn vorlassen. Egal, wie voll sein Einkaufswagen auch sein mag. Man kann davon nur profitieren.
Steht man noch nicht in der Schlange, sondern bewegt sich erst auf eine zu und sieht in diesem Moment hinter sich einen Kassenopa, sollte man unbedingt so tun, als würde man gerade noch etwas interessantes in irgendeinem Regal liegen sehen, stehen bleiben, den Opa passieren lassen und ihm dann so unauffällig und dicht auf den Fersen wie möglich folgen. Immer daran denken: Ein Kassenopa muss nah vor einem stehen.
Hat man sein Ziel erreicht, heißt es abwarten und mitspielen. Der Kassenopa wird sich umsehen. Immer und immer wieder. Dann wird er sich zu einem umdrehen, böse gucken und den Kopf schütteln. Dieses Balzritual sollte imitiert werden, um Vertrauen aufzubauen und den Kassenopa seelisch zu stärken. Sobald dieser so weit in der Schlange vorgerückt ist, dass er vor dem Ablageband der geöffneten und neben dem Ablageband der geschlossenen Kasse steht, geht es los. Er plustert sich auf, streckt die Brust einatmend nach vorne, lässt dabei seine Wirbelsäule knacken und gibt ein lautes “Kasse!” von sich. Gerne imitiert er dabei mit seinen Händen ein Megaphon, um seine Seriosität zu unterstreichen. Die umstehenden Einkäufer werden von seinem Ruf sofort in den Bann gezogen und verstummen abrupt. Der Kassenmitarbeiter schaut in Richtung Kassenopa. Beide sehen sich an. Nur wenige Sekunden lang. Dann geschieht es: Der Mitarbeiter drückt auf einen Klingelknopf oder benutzt das Marktmikrofon, je nach Ausstattung, um einen Mitarbeiter an die geschlossene Kasse zu rufen.
Der Kassenopa zeigt zunächst keinerlei Regung. Er schaut noch einmal kurz in Richtung des Mitarbeiters und geht dann ohne ein Wort zu sagen an die noch geschlossene Kasse. Für ihn ist es ganz selbstverständlich, dass er der Erste ist, der die neue Kasse benutzen darf. Schließlich ist ihre Öffnung ganz alleine sein Verdienst. Man selbst gönnt ihm diesen Erfolg, rückt ihm dabei aber gleichzeitig nicht von der Pelle. So schafft man es am Ende, als Zweiter an der Kasse zu stehen.
Es sollte klar sein, warum man einen Kassenopa niemals hinter sich stehen haben sollte. Bei beschriebenem Ritual könnte man versehentlich noch vor ihm zur neu geöffneten Kasse gehen und durch diese Tat eine volle Ladung Kassenopawut auf sich ziehen. Diesen Blick sollte sich niemand freiwillig antun, der in den nächsten Jahren noch beruhigt einschlafen möchte. Lässt man ihn dagegen passieren, steht man plötzlich den ihm folgenden Einkäufern gegenüber, die einem keine Chance lassen, sich irgendwo dazwischen zu quetschen.
Kommen wir nun zu den Kassenomas. Auch sie müssen vor einem stehen. Dies bringt jedoch keinerlei Zeitersparnis mit sich, sondern lediglich ein gesünderes Leben. Kassenomas sind nämlich Freunde der konstanten Vorwärtsbewegung. Um diese ungestört ausleben zu können, bewaffnen sie sich vor dem Einkauf stets mit einem Einkaufswagen, unabhängig von der Größe ihres geplanten Einkaufs.
An der Kasse wird dann geschoben was das Zeug hält. Steht der Vordermann nicht auf den Fersen seines Vordermanns, wird mit Hilfe des Einkaufswagens nachgeholfen. Ganz unauffällig fahren sie einem dafür in die Hacken. Immer und immer wieder. Dabei schenken sie dieser Tat keinerlei Beachtung und gucken zum Beispiel auf den Boden, wühlen in den Einkäufen herum oder begutachten die eigene Geldbörse. So blocken sie jedwede Form der Kritik aus Richtung des Befahrenen ab. Schließlich bekommen sie diese ganz gezielt einfach nicht mit. Diskussionen über die physikalische Unmöglichkeit der geforderten Bewegungsabläufe werden so im Keim erstickt.
Um sich vor Kassenomas zu schützen, kann man nichts anderes tun, als sie vor sich zu platzieren. Nähern sie sich mit einem zusammen der Kasse, wie bereits im obigen Kassenopafall beschrieben, kann man auf die gleiche Art und Weise verfahren. Ansonsten wird gelächelt und höflich vorgelassen. Kassenomas (und -opas) verstehen nicht, dass sich hinter der höflichen Fassade ein Zimmer voller Kriegsstrategien befindet.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Ratgeber den Einkauf meiner Leser angenehmer gestalten kann. Es handelt sich hier nicht gerade um komplizierte Regeln. Aber man muss sie kennen, um ein friedliches Leben mit den Kassenopas und -omas führen zu können.