Kaffeegenuss mit Hürden

Zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass ich über meine Sucht geschrieben habe. Zwei Jahre. Das ist eine lange Zeit und viel ist passiert. Zum Beispiel bin ich fast vollständig auf koffeinfreien Kaffee umgestiegen und trinke das Zeug tatsächlich nur noch wegen seines Geschmacks. Dafür habe ich nun ein anderes und viel größeres Problem. Aber dazu sollte ich vielleicht ein wenig ausholen.

Toll. Jetzt habe ich meine Frau geschlagen. Konnte ich ja nicht ahnen, dass sie gerade hinter mir steht. Oh, doch, hätte ich. Schließlich wollte ich ihr etwas zeigen. Das hatte ich ganz vergessen. Wie so oft. Hey, das könnte ich doch als Überleitung verwenden. Gute Idee. Geliebte Frau: Es tut mir leid, doch dein Schmerz muss warten!

Ich vergesse häufig Sachen. Aber warum erwähne ich das? Das geht vielen Menschen so. Ich will mich deswegen auch gar nicht aufspielen. Ein “Boah, der ist ja total der nachdenkliche Typ! Total mein Idol ab jetzt! So ein großartiger Mensch!” will ich nicht hören. Wirklich nicht. Ein gewisser Grad an Vergesslichkeit ist vollkommen normal. Jeder hat das mal. Kein Grund für Übertreibungen.

Ich habe sogar den Vorteil, dass ich weiß, worin meine Vergesslichkeit begründet liegt. Ich denke viel nach. Das klingt schon wieder etwas eingebildet. Das will ich nicht auf mir sitzen lassen. Hoppe hoppe Reiter, wenn er fällt, dann schreit er. So. Die Einbildung liegt im Graben und wird von Raben zerstückelt. Kein schöner Anblick. Dafür kann ich nun in Ruhe weitererzählen ohne wie ein Angeber rüberzukommen.

Ich denke also viel nach. Man sagt dazu auch “in Gedanken versunken sein”. Ich denke eher selten an intelligentes Zeug. Meistens geht es um Textideen, Formulierungen, Pinguincomics oder Wurst. Nicht um Weltfrieden, Politik oder ähnliche Dinge. Während ich meinen Gedanken nachgehe, blende ich vieles um mich herum aus. Zum Beispiel Türen. Vor einiger Zeit kam ich von irgendwoher zurück nach Hause, stand vor meiner Wohnungstür, dachte an Currywurstgewürze, zog meinen Schlüssel, steckte ihn ins Türschloss und merkte, dass ich gar nicht vor meiner Wohnung stand, sondern vor der meiner unter mir wohnenden Nachbarn.

Zu Hause ist das Ganze noch schlimmer. Hier weiß ich schließlich, wie ich mich bewegen muss, um nicht irgendwo gegen zu laufen. Also versinke ich noch tiefer im Gedankensumpf. Und nun möchte ich wieder zu meinem Kaffeekonsum kommen. Vor einiger Zeit bekam ich eine Kaffeepadmaschine geschenkt. Da ich nicht mehr so viel Kaffee trinke war das ziemlich gut. Morgens eine Tasse zubereiten und ab dann nach Bedarf. Zwei bis drei Tassen Kaffee am Tag. Dafür muss man keine Kanne belästigen. Ich freute mich.

Bis ich zum ersten Mal meine Küche unter Kaffee setzte. Ich sage bewusst zum ersten Mal. Mittlerweile ist es mir nämlich schon sechsmal passiert. In einem recht kurzen Zeitraum. Dazu kommen noch ein paar weitere fehlerhafte Aktionen meinerseits. Aber der Reihe nach.

Meine alte Kaffeemaschine hat mich nur selten im Stich gelassen. Natürlich tue ich ihr mit dieser Formulierung Unrecht. Wie sollte sie mich im Stich lassen? Sie führt nur Befehle aus. Die Schuld trage ich ganz alleine. Aber das möchte ich mir nicht eingestehen und darum trägt sie ein wenig Mitschuld. Ach, nein. Das ist lächerlich.

Rückblickend hätte ich das mit dem Umstieg auf eine Padmaschine niemals durchziehen dürfen. Die Probleme hatten sich doch angekündigt. Wie oft hatte ich vergessen, die Kanne unter meine Kaffeemaschine zu stellen? Viel zu oft. Ich weiß ja auch nicht, warum das immer wieder passierte. Da sitzt man am Schreibtisch, steht auf, füllt die Maschine mit Kaffeepulver, schaltet sie ein und setzt sich wieder an den Schreibtisch. Nach zwei Minuten schaut man zur Seite und siehe da: Da steht eine Kaffeekanne. Die Kaffeekanne, die eigentlich gerade unter der Maschine stehen sollte. So ein Mist. Zum Glück hatte meine Maschine einen Schutz für solche Fälle. Einen Auslaufschutz oder wie man das nennt. Ohne Kanne floss nichts an die Öffentlichkeit. So konnte ich die Kanne nachträglich drunter stellen und das recht starke Gebräu doch noch verwerten. Zum Abflussfreiätzen zum Beispiel.

Wirkliche Küchenunfälle produzierte ich dadurch nur selten. Ein paarmal passierte es, dass ich Wasser in die Maschine füllte, danach Kaffee in den Filter und letztendlich vergaß, die Filterkiste zu schließen. So prasselte das Wasser ungefiltert in die Kanne. Einmal hatte ich sogar diese vergessen unter die Maschine zu stellen. Keine gute Kombination. Aber es war nur Wasser. Heißes Wasser, wie ich nach dem Betreten der Küche und der sich darin vergnügenden Pfütze feststellen durfte. Trotzdem ist Wasser nicht so schlimm.

Meine Padmaschine hat wiederum keinen Auslaufschutz. Sie interessiert es nicht, ob gerade eine Tasse unter ihr steht oder nicht. Mich auch nicht. Die schnelle Art der Kaffeezubereitung hat dafür gesorgt, dass ich sie quasi gar nicht mehr beachte. Ich drücke einfach auf den Kaffeeknopf, gehe davon aus, zuvor eine Tasse bereitgestellt zu haben und verlasse die Küche. Und das hat mittlerweile zu den bereits angesprochenen Unfällen geführt.

Die Maschine hat dort, wo man die Tasse abstellt, ein Gitter. Dort kann Kaffee reinlaufen, wenn man keine Tasse benutzt hat. Praktisch, oder? Ja. Wenn man nur kleine Tassen benutzt. Das tue ich aber nicht. Wenn schon, denn schon. Ich brauche meine große Tasse. Da habe ich mehr von und ich muss nicht so oft aufstehen, um mir Nachschub zu holen. Ja, faul bin ich auch noch. Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es um Kaffe. Und davon kommt mehr aus meiner Maschine, als der Sammelbehälter fassen kann. Und dann beginnt der Spaß. Der Kaffee sucht sich eine passende Stelle, an der er überlaufen kann. Er fließt die Maschine herunter und sammelt sich erst einmal unter ihr. Dann fließt er in die Rille auf dem Küchentisch, an dem ich die Plattenverlängerung ausgezogen habe. Sagt man das so? Ich weiß es nicht. Muss ich auch nicht. Ihr wisst schon, was ich meine. Der Tisch ist zu klein, darum hat man unter der Platte zwei halbe Platte angebracht, die man ausziehen kann. Also nicht im Sinne von nackt machen, sondern im verlängernden Sinne. Und wenn man das macht, befindet sich zwischen großer und kleiner Platte eine Rille. Warum ich das so genau erkläre, weiß ich nicht. Das habe ich vergessen. Ich bin gerade ziemlich in Gedanken versunken. Mittels Rille fließt der Kaffe nun also über die gesamte Tischbreite, bis er an den Tischkanten ankommt und dort auf den Boden fließt. Das ergibt zwei Kaffeeflecken, die sich wiederum unter den Tischbeinen am wohlsten fühlen.

Puh.

Ich betrete in freudiger Erwartung eines Kaffees die Küche und sage, nachdem ich das Desaster gesehen habe, erst einmal gar nichts. Dann schließe ich die Küchentür und mich ein. Ich will nämlich nicht, dass meine Frau mitbekommt, dass ich wieder einmal die Küche geflutet habe. Natürlich hört sie das Abschließen und schreit nur laut: “Idiot, nicht schon wieder.” Ich will unbedingt das Küchentürschloss austauschen. Oder einen Schalldämpfer einbauen. Muss ich mir mal schnell irgendwo notieren. Ach Quatsch. Das kann ich mir schon merken.

Jedenfalls wische ich dann die Küche. Ich stelle die Maschine auf die Spüle und wasche das Auffangbecken aus. Dadurch verbreitet sich der unter der Maschine herumtollende Kaffe noch ein bisschen mehr auf dem Tisch. Nun muss ich den Tisch vollständig frei räumen. Aber das ist auch gut so. Schließlich muss ich das Ding nach dem Reinigen der Platte sowieso ganz wegstellen. Ihr erinnert euch vielleicht: Die Tischbeine. Diese Prozedur zieht man etwa zweimal durch und lacht darüber. Nach dem fünften Mal lacht man nicht mehr. Mittlerweile hege ich Mordgedanken.

Aber das ist ja noch nicht alles. Heute geschah folgendes. Ich öffnete das Fach für die Pads, warf das alte weg und legte eine neues ein. Danach startete ich die Maschine. Sie zeigte an, dass zu wenig Wasser im Tank sei. Also füllte ich den Tank. Danach öffnete ich das Fach für die Pads, warf das alte weg und legte eine neues ein. Ich stellte eine Tasse unter die Maschine (immerhin) und aktivierte die Kaffeeproduktion. Danach setzte ich mich an den Rechner. Wenige Sekunden später hörte ich lautes Weinen aus der Küche. Ich schaute nach. Es kam aus dem Mülleimer. Ich sah hinein und in ihm lag ein unbenutztes Kaffeepad, das sich zwischen den Müsliresten des Vortags sichtlich unwohl fühlte.

In diesem Moment beschloss ich, diesen Text zu schreiben. Ich bin kurz davor, die Padmaschine nicht mehr zu benutzen. Ich bin mit der Bedienung dieses Gerätes vollkommen überfordert. Ich weiß, dass es eigentlich simpel ist, sich mit dem Ding einen Kaffee zu zapfen. Aber irgendetwas daran funktioniert nicht in Kombination mit meiner Lebensweise.

Bevor ich meinem Küchentisch weitere Kaffeeduschen antue, steige ich wieder auf Pulver um. Ich habe sowieso gehört, dass Pulverkaffee viel besser schmeckt. Ich tue jetzt mal so, als würde ich das auch so sehen, um mich als Profifeinschmecker hinzustellen. Schließlich habe ich mich zu Beginn dieses Textes viel zu sehr als Ottonormalverbraucher dargestellt. Jetzt brauche ich mal wieder eine gehörige Ladung Ego. Hoffentlich vergesse ich nicht, mein Gehirn unter die Egomaschine zu stellen. Sollte ich nicht langsam einen Krankenwagen rufen? Meine Frau liegt immer noch regungslos auf dem Boden. Was ist eigentlich passiert?

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