Zunächst ein kurzer Einschub. Nach meinem letzten Genürsel sah die Kiste mit den Genürselthemen fogendermaßen aus:
Ich will ehrlich sein: Ich war ein bisschen stolz auf mich. Zwar hatten sich in den letzten zwei Wochen des Jahres mangels Zeit ein paar Themen angesammelt und ich dadurch etwas aufzuholen, doch man will ja auch nicht zu kleinlich sein. Letztendlich habe ich es tatsächlich geschafft und das Genürsel ein Jahr lang durchgezogen.
Nun stand ich vor der Wahl: Aufhören oder einfach weitermachen? Wirklich lange musste ich nicht überlegen und griff schnell zu bekanntem Papier.
Diesmal ließ ich aber nicht ausschließlich meine Frau auf die Zettel los. Letztes Jahr hatte sie sich noch alle 52 Begriffe ausgedacht, diesmal waren es nur 26. Ich sprach nämlich gleichzeitig noch meinen spadry-Freund UsbekDry auf das Genürsel an und bat ihn, die zweite Hälfte zu übernehmen. Er willigte ein, schickte meiner Frau die Begriffe und sie begann, zu falten.
Das Resultat?
52 neue, mir unbekannte Begriffe warten darauf, von mir bearbeitet zu werden. Durch die Abfertigung der Nachzügler hinke ich bereits eine Woche hinterher, doch diese werde ich noch diese Woche wieder aufgeholt haben. Ab dann läuft alles wieder wie gewohnt ab. Jede Woche ein Text. Nicht mehr und hoffentlich auch nicht weniger. Ich bin gespannt, ob auch das zweite Genürsel-Jahr funktionieren wird. Mit dem Resultat des Jahres 2013 bin ich jedenfalls mehr als zufrieden.
Genug geredet. Zeit für den ersten Begriff. Ich wünsche euch wie immer viel Spaß!
Am Ende eines Märchens wird den Lesern gerne dessen Moral erklärt. “Und die Moral von der Geschicht´…” sollte jedem ein Begriff sein. Märchen erzählen erfundene Geschichten, aus denen man etwas lernen soll. Sie möchten Werte vermitteln. Setzt eure Kinder im Wald aus und sie verbrennen alte Damen. Guckt zu lange in den Spiegel und euch erscheinen Zwerge. Kümmert euch um alte Familienmitglieder und ihr werdet von Wölfen gefressen. All diese lehrreichen Ratschläge haben meine Eltern mir damals als Märchen verpackt mit auf den Lebensweg gegeben und mich so zu dem gemacht, was ich bin.
Ich lese fast täglich Artikel über die Moralvorstellungen in Märchen. Das ist natürlich eine Lüge, aber man will in seinen Texten ja professionell rüberkommen. Während des Lebens dieser Lüge ist mir aufgefallen, dass es keinerlei Moralanalysen zu den größten Märchen der Neuzeit gibt. Dies stimmte mich zunächst traurig, motivierte mich kurze Zeit später jedoch dazu, es einfach selbst zu versuchen. Das ist schließlich meine Lebenseinstellung: Gibt es im Internet etwas nicht, was ich gerne hätte, mache ich es selbst. Ich präsentiere also: Die Moral hinter Wrestlingfehden. (Wie wenig über diese Dinge geschrieben wird, beweist mir in diesem Moment übrigens mein Schreibprogramm, das “Wrestling” nicht als existierendes Wort anerkennt. Skandalös.)
Ich werde in diesem Text nicht auf einzelne Wrestlingfehden eingehen, da dies nicht nötig ist. Wie in anderen Medienbereichen üblich, wird hier letztendlich sowieso immer das Gleiche erzählt. Es geht um Liebe oder Ehre oder beides. Gut, manchmal geht es auch um die Farbe der Unterhose. Oder die Größe der Unterhose. Oder die Größe der Unterhosenfüllung. Egal. All diese Themen haben ja irgendwie auch etwas mit Ehre zu tun. Oder Liebe. Oder beidem.
Um über die Moral hinter Wrestlingliebesgeschichten zu schreiben, sollte ich eine solche zunächst kurz und ganz allgemein zusammenfassen:
Der nette Wrestler A verliebt sich in die nette Wrestlerin A. Die beiden kommen zusammen und sind glücklich bis an ihr Lebensende, was im Wrestling “etwa drei Episoden lang” bedeutet. Drei Episoden später taucht Wrestler B auf, der total verwegen ist und ein Rocker und ein Raufbold und ein Rabauke. Wrestlerin A fühlt sich auf einmal zu Wrestler B hingezogen, weil er so anders ist als Wrestler A und sie genug hat vom Spießbürgertum. Sie verlässt Wrestler A und will Wrestler B heiraten. Während der Hochzeit taucht der mittlerweile wütende und schwarze Kleidung tragende Wrestler A auf und verprügelt den Priester. Daraufhin verprügelt Wrestler B Wrestler A. Wrestlerin A bekommt Mitleid mit Wrestler A, weil sie nicht wollte, dass es so weit kommt. Wie hätte sie das auch ahnen sollen? Sie hätte sich nie zu träumen gewagt, dass Wrestler A in der Lage ist, Schwarz zu tragen. Darum verlässt sie Wrestler B und ist wieder mit Wrestler A zusammen. Um das Ganze endgültig zu klären, beschließen Wrestler A und Wrestler B, sich noch ein letztes Mal so richtig auf die Fresse zu hauen. Während sie dies tun, ist Wrestlerin A übrigens längst eine Beziehung mit dem Ringrichter eingegangen, weil dieser intelligenter ist als Wrestler A und Wrestler B zusammen.
Und die Moral von der Geschicht´? Hau allen auf die Fresse, die dafür sorgen, dass dein Leben nicht mehr in den gewohnten Bahnen verläuft, an die du dich so sehr gewöhnt hast. Deine Frau verliebt sich in jemand anderen, weil du langweilig bist? Wirf den anderen kopfüber von einer Leiter durch einen Tisch. Ganz einfach. Lass dir nichts gefallen. Und noch viel wichtiger: Nicht darüber reden. Lass Taten sprechen. Hm. Redet man nicht irgendwie auch, wenn man Taten sprechen lässt? Ich weiß es nicht. Ich werfe einfach nur schnell ein “Man kann nicht nicht kommunizieren” in die Runde, weil man das immer so macht, wenn es um Reden geht. Das habe ich im Kommunikationsknigge nie gelesen, da ich noch nie einen Kommunikationsknigge gelesen habe, das Wort Kommunikationsknigge aber so schön finde, dass ich es unbedingt dreimal verwenden musste.
Ehregeschichten laufen im Wrestling meistens nach einem ähnlichen Schema ab, nur sind hier normalerweise lediglich zwei Wrestler involviert.
Wrestler A geht zu Wrestler B und sagt: “Hey, du! Ich finde dich nicht so gut!” Wrestler B fühlt sich beleidigt und haut Wrestler A eine runter. Daraufhin fühlt sich Wrestler A beleidigt und haut Wrestler B eine runter. Das wiederholt sich, bis den Geschichtsschreibern der jeweiligen Wrestlingliga etwas Besseres eingefallen ist.
Das Ganze lässt sich selbstverständlich beliebig variieren. Eine Familiengeschichte? Kein Problem. Man muss einfach nur die Einleitungsaussage verändern: “Hey, du! Ich finde deinen Vater nicht so gut!” Ihr wollt es oberflächlicher? “Hey, du! Ich finde die Farbe deines Höschens nicht so gut!” Gesellschaftskritisch? “Hey, du! Ich finde es nicht so gut, dass du Geld magst!” Patriotischer? “Hey, du! Ich finde die Stadt, in der diese Wrestlingveranstaltung ausgetragen wird, nicht so gut!” Sportlicher? “Hey du, ich finde den Football- / Baseball- / Wasauchimmerverein der Stadt, in der diese Wrestlingveranstaltung ausgetragen wird, nicht so gut!” Soll ich weitermachen? Vermutlich habt ihr das System verstanden.
Und auch hier stellt sich die Frage nach der Moral. Dabei steht die Definition bereits weiter oben im Text. Aber weil ich mich so gerne wiederhole, wiederhole ich mich: Hau allen auf die Fresse, die dafür sorgen, dass dein Leben nicht mehr in den gewohnten Bahnen verläuft, an die du dich so sehr gewöhnt hast.
Tja. Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich mir die beiden Beispiele für Liebe und Ehre auch sparen können. Nein, natürlich hätte ich das nicht. Die Beispiele waren notwendig. Wie hätte ich denn sonst zeigen sollen, dass es beim Wrestling immer auf das Gleiche hinausläuft? Egal, was passiert, am Ende verprügelt man sich. Das ist alles, was man aus Wrestling lernen kann. Dir passt etwas nicht? Hau drauf.
Ich bin ein ziemlich friedlicher Mensch, der zwar gerne Witze über brutale Tätigkeiten macht und genauso gerne Filme guckt, in denen solche ausgeübt werden, doch letztendlich noch nie in eine richtige Schlägerei verwickelt war und auch hofft, dass es dabei bleibt. Ich lege keinen Wert auf das, was man als “Männlichkeit” bezeichnet, muss diese also auch nicht verteidigen. Ich hoffe, niemals jemanden ernsthaft schlagen oder sonst wie verletzen zu müssen. Wieso zum Teufel gucke ich dann so gerne Wrestling? Wie passen meine Moralvorstellungen mit denen zusammen, die durch Wrestling augenscheinlich vermittelt werden? Die Antwort ist ganz einfach: Ich deute Wrestling anders.
Wrestling hat sich eine eigene, kleine Welt erschaffen, die den Zuschauern vor Augen führt, wie es nicht sein soll. Die Wrestlingwelt ist voller Gewalt und Hass. Freundschaften werden zerstört, Menschen hintergangen, Beziehungen weggeschmissen und all das passiert vor den Augen unzähliger Zuschauer. Für mich ist Wrestling eine Parodie. Wie würde eine Welt voller Oberflächlichkeit, Patriotismus und Ehrvorstellungen aussehen? Schaltet “Monday Night RAW” ein und ihr wisst es. “Sin City” hat es nicht besser inszeniert. Wenn ein Wrestler einem anderen sagt, seine Frisur sei hässlich, und aus dieser Geschichte dann auch noch ein Drama epischen Ausmaßes über mehrere Wochen inszeniert wird, an dessen Ende sich zwei Parteien a zehn Personen auf Leitern gegenüberstehen, dann kann ich zunächst einmal nur lauthals lachen. Und danach über die Realität nachdenken. Wie in der Schulzeit auf Mitschülern herumgehackt wurde, weil sie anders waren, und es “Die Coolen” und “Die Nichtcoolen” gab. Wie sich Videospieleblogs untereinander bekriegen, weil sie andere Vorstellungen davon haben, wie eine Internetseite betrieben werden sollte. Wie man mit anderen über andere lästert und es so irgendwann zu Streit kommt, weil der, über den geredet wird, dies plötzlich mitbekommt. Immer enden solche Situationen in einer Schlägerei. Natürlich kann diese auch verbal geführt werden. Leitern werden leider auch nicht zwanghaft benötigt. Aber ihr wisst, was ich meine. Man prügelt sich wegen Meinungsverschiedenheiten und das möglichst öffentlich, um allen zu zeigen, dass man im Recht ist und der andere nicht. Und dass man besser ist. Die Öffentlichkeit wiederum guckt jubelnd zu und hält unterdessen selbstgebastelte Pappschilder in die Luft, auf denen groß “WAS?” steht. Willkommen im Internet.
Wer mit dieser Wrestlinginterpretation nichts anfangen kann, der darf an dieser Stelle selbstverständlich den Kopf schütteln. Ich betone es gerne noch einmal: Das ist MEINE Interpretation. Ob die Organisatoren genauso denken, wenn sie ihre Geschichten schreiben, ist mir vollkommen egal. Der Autor ist tot. Ohne diese Herangehensweise könnte ich Wrestling auch gar nicht ertragen. Wenn man das alles wirklich ernst nimmt, ist einem nicht mehr zu helfen. Liest man sich die Biographien mancher Wrestler durch, stößt man auch immer wieder auf die Aussage, dass sie ihre übertriebenen Rollen selbst nicht ernst nehmen. Sie lachen über die von ihnen verkörperten Rollen und ich lache mit ihnen. Wenn beim Wrestling mal wieder eine Hochzeit geplant wird, freue ich mich bereits im Voraus auf die unweigerlich herannahende Zerstörung derselben. Ich lache über die stets vorherrschende Gewalt und bin froh darüber, dass ich in der Realität nichts mit Situationen wie diesen zu tun habe. Wrestling ist lustig.
Und dann gibt es da noch die andere Seite des Wrestlings. Die, die mit meinen Moralvorstellungen leider nicht unter einen Hut zu bringen ist. Wenn ich lese, dass ein ehemaliger Wrestler im Alter von vierzig Jahren im Rollstuhl sitzt, weil all die Schaukämpfe seine Hüfte und die Knie zerstört haben. Lese ich von Schlaganfällen, Genickbrüchen und anderen Verletzungen, denke ich auf einmal darüber nach, dass da ein paar Personen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um mich zu unterhalten. Ich kann mir Boxen schon nur schwer ansehen, weil ich die ganze Zeit daran erinnert werde, dass sich hier zwei Menschen verprügeln. Ohne Inszenierung. Die schlagen wirklich auf sich ein und werden dafür auch noch angefeuert. Das ist der Grund, warum ich Wrestling eher gucken kann als “richtigen” Kampfsport. Die Wrestler schlagen sich nicht. Sie ziehen eine Wahnsinnsshow ab und versuchen dabei stets, den anderen nicht zu verletzen.
Selbstverständlich ist das nicht immer möglich. Wenn ich jemanden von einer meterhohen Leiter durch einen Holztisch werfe, dann geschieht dies nicht verletzungsfrei. Im besten Fall rede ich hier nur von ein paar blauen Flecken. Es kann aber auch passieren, dass ein zersplitterter Holztisch einem Wrestler den Rücken aufschlitzt. Und in solchen Fällen hört der Spaß dann eigentlich auf. Ich gehöre nämlich zu den Wrestlingfans, die sich darüber freuen, dass die WWE ihren Wrestlern mittlerweile verboten hat, zu bluten. Was für ein Satz. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. “Ihr dürft ab jetzt nicht mehr bluten.” Wahnsinn.
Früher haben sich Wrestler gerne mal mit einer Rasierklinge heimlich selbst die Stirn aufgeschlitzt, um durch Blut mehr Intensität in ein Match zu bringen. Sagen wir es mal so: Ich kann das schon nachvollziehen. Wenn einer blutet, wird das Ganze auf eine neue Stufe angehoben. Aber jetzt mal ehrlich: Will ich wirklich, dass sich jemand selbst aufschlitzt, nur damit ich in den nächsten zehn Minuten noch ein wenig angespannter auf dem Sofa sitze als ohne diese Tat? Nein, das will ich nicht. Ich verzichte gerne auf diese Intensität, wenn sich dafür niemand verletzt. Argumente wie “Das war schon immer so.” und “Das soll jeder Wrestler doch selbst entscheiden dürfen.” lasse ich nicht gelten. Nein, das muss der Wrestler nicht selbst entscheiden. Wenn sich um einen herum alle aufschlitzen und dadurch von den Fans gefeiert werden und nur du kleiner Feigling darauf verzichtest und dadurch von den Fans keine Anerkennung bekommst, dann hört die Entscheidungsfreiheit schon bald auf. Dann heißt es: Schlitzen oder Midcarder auf Lebzeiten. Ich verallgemeinere hier selbstverständlich, aber das tun die “Das soll jeder Wrestler doch selbst entscheiden dürfen.”-Sager auch. Wenn ich mir Matches anderer Wrestlingligen anschaue und dort zwei Menschen blutüberströmt auf mit Stacheldraht umwickelten Tischen liegen sehe, dann gucke ich weg. Nicht, weil ich kein Blut sehen kann. Würde es sich hier um Kunstblut und Kunststacheldraht handeln, würde ich mitjubeln. Aber ich kann es moralisch nicht vertreten, dass sich Menschen blutig schlagen und aufschlitzen, nur um mich zu unterhalten. Ich will auch nicht, dass sich Menschen Metallstühle an den Schädel schlagen. Das ist auch verboten worden. Hiebe an andere Körperstellen sind aber selbstverständlich noch erlaubt. Was für eine Welt.
Ich will an dieser Stelle ehrlich sein und gestehen, dass ich nicht immer so gedacht habe wie heute. Als ich vor vielen, vielen Jahren zum Wrestling kam, fand ich es immer total super, wenn das Geblute losging. Ich habe fast schon auf blutige Matches gewartet. Aber zum Glück kann man sich ändern. Mittlerweile finde ich Kämpfe, die auf einem hohen technischen Niveau ablaufen, viel spannender. Aber ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen. Das hier ist sowieso schon viel umfangreicher geworden, als es eigentlich geplant war.
Letztendlich bleibt also ein bitterer Nachgeschmack. Ich kann es nicht gutheißen, dass sich Menschen für die Unterhaltung anderer verletzen. Ich weiß aber auch, dass es in dieser Hinsicht schlimmere Wrestlingligen gibt als die WWE (und das ist die einzige Liga, die ich gucke). Ich erfreue mich an den übertrieben gewaltvollen Geschichten, bedaure aber die körperliche Aufopferung der Beteiligten. Dass es anderswo schlimmer ist, ist selbstverständlich keine Entschuldigung. Die Blutfreiheit wurde in der WWE auch nicht unbedingt eingeführt, weil man ach so sehr um die Angestellten besorgt ist, sondern eher, um die Shows kindgerechter zu machen und so die Zielgruppe zu erweitern.
Und damit wäre ich bei meinem letzten Punkt. Ist Wrestling kindgerecht? Das kommt darauf an, wie es konsumiert wird. Märchen der Gebrüder Grimm waren auch immer ziemlich brutal und ich glaube, dass Kinder mit Brutalität auf einer gewissen Ebene umgehen können und diese vielleicht auch gar nicht so wahrnehmen wie ihre Eltern. Ich habe damals nie gedacht, dass es ziemlich übel sei, einem Wolf den Bauch aufzuschlitzen, Steine in ihn zu legen und ihn daraufhin in einen Brunnen zu werfen. Für mich war das eine Geschichte wie bei “Tom & Jerry”. Lustige Gewalt. Schwer zu erklären, aber mit den gleichen Gedanken habe ich als Kind Wrestling gesehen. Ein weiteres Argument, das gegen Wrestling als Kinderunterhaltung spricht, ist selbstverständlich der Drang der Kinder, die gezeigten Aktionen zu imitieren. Wenn ein 10-jähriger eine Batistabomb an seinem drei Jahre jüngeren Bruder ausprobieren will, dann ist das nicht gut, keine Frage. Aber genau da liegt mein Problem. Würde ich mein Kind Wrestling gucken lassen? Ja. Ab einem gewissen Alter und ab einer gewissen Reife. Nicht zwanghaft und vor allem nicht den ganzen Tag lang, aber hin und wieder ein paar harmlose Matches? Warum nicht. Aber, und das ist das Wichtige, nicht alleine. Ich würde mitgucken und danach über das Gesehene reden. Man muss dem Kind erklären, dass da nur ein paar Erwachsene so tun, als würden sie sich verprügeln. Dass das wie eine Zirkusveranstaltung ist. Und dass die Aktionen, die im Ring gezeigt werden, nicht nachgemacht werden dürfen. Man sollte ein Kind definitiv nicht einfach so Wrestling gucken lassen und es gibt unglaublich viele deutlich bessere Dinge, die sich ein Kind angucken kann, das steht außer Frage. Wenn man ihm jedoch unbedingt Wrestling zeigen oder das Kind Wrestling sehen will, weil in der Schule darüber geredet wird, dann muss das verantwortungsvoll geschehen.
Wrestling kann Kinder gut unterhalten. Ich habe es, wie gesagt, ja auch damals gerne gesehen. Anfangs wunderte ich mich, warum die Faustschläge einfach so wegstecken konnten, aber dann hat mir mein Vater erklärt, dass die sich gar nicht richtig schlagen. Hat das Wrestling für mich zerstört? Nein. Aber ich habe es “anders” gesehen. Eher wie einen Schwarzenegger-Film. Dass die sich in dem Film auch nicht wirklich schlagen, war mir damals ebenfalls bewusst. Dies übertrug ich dann einfach auf Wrestling. Nach einiger Zeit durfte ich es dann auch alleine, ohne “Begleitung” meiner Eltern sehen. Weil ich wusste, wie ich damit umzugehen hatte. Na gut. Hin und wieder HABE ich Wrestlingaktionen nachgespielt. Mit Kissen auf meinem Bett. An meiner Schwester oder an Freunden habe ich sie aber nie ausprobiert. Jedes Kind ist selbstverständlich anders, ich wollte aber einfach mal über meine eigenen Erfahrungen schreiben.
Wie mich das jetzt wieder zurück zur Moral bringt, weiß ich nicht. Mein Verhältnis zu Wrestling ist einfach schwer zu beschreiben. Ich liebe es. Wirklich. Ich kann den ganzen Tag lang Wrestling gucken. Manchmal tue ich das sogar auch. Ich liebe es, weil es so albern und übertrieben ist. Ich liebe es, weil ich die sportliche Leistung der Wrestler bewundere und anerkenne. Ich weiß aber auch, dass nicht alles gut ist. Der vorherrschende Patriotismus der WWE ist ekelerregend und sollte in einem Text, der “Moral” als Überschrift trägt, nicht verschwiegen werden. Wenn sich Wrestler verletzen, dann zeigt das die Gefahren des Sports und was Menschen in Kauf nehmen, um andere zu unterhalten. Aber auch, was Menschen in Kauf nehmen, um unterhalten zu werden. Ist es moralisch vertretbar, Wrestling zu gucken? Meiner Meinung nach: Ja. Wenn man die negativen Bereiche kennt und nicht ignoriert oder wegdiskutiert.
Aber was ist nun besser? Wrestling oder Märchen? Nun, je nach Liga werden auf beiden Seiten Menschen aufgeschlitzt. Albern, übertrieben und unrealistisch sind ebenfalls Begriffe, die auf beides zutreffen. Ich bevorzuge jedoch Wrestling, da hier definitiv die lustigeren und spannenderen Hochzeiten abgehalten werden. Was manche Menschen bei Fernsehserien überrascht, ist für einen Wrestlingfan nun wirklich nichts Neues mehr.
Und die Moral von der Geschicht´? Guckt Wrestling oder guckt es nicht.
Das war jetzt glaube ich das billigste Ende, das mir hätte einfallen können.