Als Kind sortierte ich Farbstifte immer nach einem ganz bestimmten Schema, das ich heute noch auswendig aufsagen kann: Gelb, Grün, Blau, Rot, Orange, Lila, Braun, Schwarz. Wieso ich damals auf diese Reihenfolge zurückgriff und sie sogar auswendig lernte, weiß ich leider nicht mehr. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wie ich mit pinkfarbenen Stiften verfuhr. Aber ich war zu dieser Zeit ja auch ein in einer kindlichen Männerklischeewelt gefangener Junge, in der kein Platz für Pink war. Oder Weiß. Um der Farbreihenfolge endlich mal Respekt zu zollen, werde ich einfach über jede der oben genannten Farben etwas schreiben, ohne mir vorher Gedanken darüber zu machen. Gibt es nicht psychologische Tests, bei denen man ähnlich verfährt? Ich hoffe nicht.
Gelb
Ich liebe es, wenn Menschen im Sommer gelbe Kleidung tragen. Es bereitet mir immer ungemein viel Freude, wenn ich jemanden in einem Park sitzen und um sich schlagen sehe. Andauernd werden Gelbträger von Bienen, Fliegen, Mücken, Wespen und anderen Insekten umkreist, weil sich diese zu Gelb hingezogen fühlen. Dass die Kleidungsträger das nicht wissen, glaube ich ihnen ab einem gewissen erreichten Alter nicht mehr. Dieser Umstand ist übrigens auch der Grund, warum ich spa-zone.de gelb gehalten habe. Diese Internetseite ist nicht für die Außenwelt gedacht. spa-zone.de konsumiert man gemütlich zu Hause und nicht in einem Park. Außerdem erkenne ich aufgrund dieser Farbwahl immer sofort, wenn jemand im Park sitzt und gerade meine Internetseite auf zum Beispiel seinem Laptop aufgerufen hat. Ist der Bildschirm von Insekten umringt, winke ich dem betroffenen Laptopbesitzer zu und bedanke mich für sein Interesse an meinem Leben. Dieser winkt zurück, aber nicht, um meinen Gruß zu erwidern, sondern um die sich auf seinem Laptop einnistenden Insekten zu vertreiben.
Grün
Grün ist meine Lieblingsfarbe. Wie schon bei meiner Stiftsortierreihenfolge kann ich mich an die Gründe dafür leider nicht mehr erinnern. Macht aber auch nichts, schließlich muss man eine Lieblingsfarbe nicht unbedingt begründen können. Ich mag Grün einfach. Es sieht schön aus und zieht nur bedingt Insekten an. Vielleicht gründe ich irgendwann einen Grünverein. Dann setze ich mich mit anderen Grünfreunden ins Grüne und pflanze Spinat in den Gärten fremder Menchen an, um sie zu ärgern. Die geernteten Spinatblätter verarbeiten wir zu Spinatbrei und bestreichen damit unsere nackten Füße, spazieren daraufhin über alle möglichen Strände der Welt und hinterlassen Spinatspuren im Sand, was vielleicht andere Menschen dazu verleitet, eine Religion zu gründen und “Spinatspuren im Sand” als Lebensmotto auf Postkarten zu drucken. Die Postkarten vergrabe ich dann hinter meinem Haus in einem Postgarten und lache dabei ganz laut.
Blau
Einmal bekam ich einen Füller geschenkt, weil der Schenker der Meinung war, Schriftsteller müssten mit Füller schreiben. Leider bewirkte das Geschenk, dass ich gar nicht mehr schrieb. Füller sind mir zu kompliziert. Zunächst muss ich immer für ausreichend Tintenvorräte sorgen, was aufgrund der Tatsache, dass mir Füller andauernd auslaufen, ziemlich teuer ist. Wenn mir ein Füller gerade nicht ausläuft, dann weil die Tintenpatrone leer ist. Aber keine Sorge, beim Wechseln derselben mache ich mich genauso dreckig. Ich gebe zu, dass ich hier ein wenig übertreibe, aber die meisten Menschen übertreiben, wenn es um Füller geht. Ich höre immer, dass es sich mit Füller ordentlicher, dafür aber auch langsamer schreibt. Ich habe das gerade extra noch einmal ausprobiert und muss dem Widersprechen. Ich kann mit Füller genauso schnell schreiben wie mit anderen Schriften. Und wenn ich mir keine Mühe gebe, ist meine Schrift auch mit Füller undeutlicher als ein brillenloser Tag in meinem Leben. Das Problem ist vermutlich, dass sich die Leute selbst das Leben schwer machen. “Ich habe einen Füller in der Hand. Dieses besondere Schreibutensil muss ich mit Vorsicht über das Papier gleiten lassen, um ihm den Respekt zu zollen, den es verdient.” Ich schrieb das erste Mal in der Grundschule mit Füller, was nun wirklich nichts mit anspruchsvoller Schreibkunst zu tun hat. Vermutlich habe ich in dieser Zeit auch das Tintengeschmiere gelernt. Nein, Moment, ich hatte ja immer ein “sehr gut” in Schönschrift. Gut, dass es damals kein Fach namens “Saubere Finger” gegeben hat. Gerade fällt mir ein, dass ich damals, als blau gefärbte Haare meinen Kopf zierten, für deren Einfärbung gar nicht zum Frisör, sondern einfach in ein Schreibwarengeschäft hätte gehen müssen. Eine Packung Tintenpatronen wäre bestimmt billiger gewesen als eine Packung Haarfarbe. Außerdem hätten meine Eltern dadurch die blauen Möbelstücke, Wände und Kissenbezüge einfach mit einem Tintenkiller reinigen können.
Rot
Ich finde es nicht schlimm, hin und wieder den roten Faden zu verlieren, da ich keine rote Kleidung besitze und diese somit auch nicht nähen muss. Ich trage so selten rote Kleidung wie ich über Mode rede. Einen Augenblick bitte. Der Vergleich hinkt, wenn ich mir diesen Text so ansehe. Ich besaß mal einen roten Pullover, der den Vorteil hatte, dass ich bei Nasenbluten nicht auf meinen Pullover achten musste. Ich bekomme hin und wieder einfach so Nasenbluten. Manchmal hat das etwas mit meiner Pollenallergie zu tun. Ich muss niesen, die Nase juckt und nervt und plötzlich strömt Blut aus ihr heraus. An anderen Tagen werde ich von Nasenbluten wach. Da ich im Bett keine roten Pullover trage, ist das dann ziemlich ärgerlich aber immer noch besser als nicht davon wach zu werden und am Morgen in einer Blutpfütze zu erwachen.
Orange
Meiner Meinung nach ist Feuer nicht rot, sondern orange. Trotzdem höre ich immer nur “feuerrot” und nicht “feuerorange”. Vermutlich werden Farbwissenschaftler nun mit brennenden Fackeln auf mich einschlagen, bis ich alles nur noch rot sehe. Aber auch dann würde ich hartnäckig bleiben und auf meiner Meinung beharren. Auch mit Blut in den Augen sieht Feuer für mich orange aus. Also klassisches Feuer. Dass man dessen Farbe durch das Hinzufügen irgendwelcher Chemikalien verändern kann, weiß ich selbst. Ich fände es toll, wenn man Feuer von nun an offiziell als orange bezeichnen würde, damit Menschen endlich mal an etwas anderes denken als Orangen, wenn sie zur Farbe passende Dinge nennen sollen.
Lila
Donatello ist der beste Turtle und den Li-La-Launebären fand ich als Kind, obwohl er gar nichts mit Lila zu tun hat, gar nicht mal so schlecht. Die Milkakuh dagegen war albern. Ansonsten fällt mir zu Lila lediglich “Lilafurzgeblümt” ein, was wir in der Grundschule damals total witzig fanden. Ich weiß leider nicht mehr, wer dieses Wort in meiner Klasse eingeführt hat und wie dieser Jemand zu ihm gefunden hat, letztendlich schwirrt es aber noch heute in meinem Kopf herum. Gut, dass ich es endlich mal irgendwie verarbeitet habe. Nun muss ich es nie wieder erwähnen. Ich fühle mich glatt um drei Jahre erleichtert und vier Kilo jünger. Oder andersherum? Vier Jahre und drei Kilo? Ich weiß es nicht mehr. Ich kann ja nicht einmal sagen, wann ich zuletzt einen Blick auf Kalender oder Waage geworfen habe. Wenigstens weiß ich, wo mein Kalender ist, wodurch er diesen Zweikampf wohl gewonnen hat. Im Verstecken dagegen hat er verloren. Unentschieden.
Braun
Theoretisch könnte ich auch hier über “Lilafurzgeblümt” reden, da in ihm das Wort “Furz” steckt, was meiner Meinung nach gut zu “Braun” passt. Lila und Furz wäre also das Gleiche wie Lila und Braun. Eine detailliertere Analyse erspare ich mir und euch an dieser Stelle jedoch. Irgendwie muss ich bei Braun auch eher an Bäume denken, genauer an deren Stämme. An die kann man sich ganz gut lehnen, wenn man im Sommer gerne in der Natur auf harten Wurzeln und unter Zecken sitzt. Zecken sitzen übrigens fast nie auf Bäumen, weil sie genauso faul wie Menschen sind und irgendwann erkannt haben, dass man auch von Hunden leben kann. Sind Hunde nun der beste Freund des Menschen oder der Zecke? Ich wage es nicht, diese Frage zu beantworten und weise lieber darauf hin, dass sich vor vielen Jahren mal eine Zecke in meinem rechten Ohrläppchen eingenistet hatte.
Schwarz
Ich habe mal gesehen, wie jemand beim Schwarzfahren erwischt wurde und sich daraufhin schwarz ärgerte. Wäre er handgreiflich geworden, hätte ich für ihn aber schwarz gesehen. Die Kontrolleure waren bewaffnet und bestimmt trug mindestens einer von ihnen den schwarzen Gürtel in irgendeiner Kampfkunst. Durch ein zufällig mit angehörtes Gespräch unter den neben mir in der Bahn sitzenden Jugendlichen wusste ich, dass auch sie kein Ticket besaßen, doch ich wollte sie nicht bei den Kontrolleuren anschwärzen. Stattdessen verließ ich die Bahn und half als Schwarzarbeiter einem Bekannten bei der Gartenarbeit. Der Bekannte kam ursprünglich aus dem Schwarzwald, trug am liebsten gelbe Kleidung und hasste es, von Insekten umflogen zu werden. Viel mehr hasste er es jedoch, wenn jemand versuchte, sich am Ende eines Textes noch einmal auf dessen Anfang zu beziehen.