FINDSPIRATION – Stolpern, Surfbrett, Bahnhof, Zecke (2024-010)

In dieser Reihe lasse ich mir vier zufällige Begriffe von meiner Internetseite FINDSPIRATION.net anzeigen, um direkt im Anschluss einen kurzen, handschriftlichen Text zu schreiben, der diese Begriffe verarbeitet. Das Ganze nehme ich auf und schneide es zu einem kurzen Video zusammen, in dem man einerseits sieht, wie ich den Text schreibe, ihn gleichzeitig aber auch in seiner finalen Fassung von mir vorgelesen bekommt. Mit einem Klick auf das folgende Bild gelangt ihr zum Video. Solltet ihr kein Interesse an dem Video haben, könnt ihr den Text auch einfach unter dem Bild lesen.

Johann stand am Bahnhof und wartete auf sein Signal. Es standen noch drei andere Personen vor ihm, die wiederum auf ihr Signal warteten. Sie waren zuerst dran. Er musste warten.

Als das Signal kam, betrat eine der drei Personen das Gleis, stellte sich auf sein Surfbrett und fuhr los. Noch zwei.

Johann wollte nach Hause und seinen Feierabend genießen. Er hätte auch den normalen Zug nehmen können, jedoch waren die Surfrouten einfach schneller. Strecke ins Surfbrett eingeben, die elektromagnetischen Gleise betreten und die Technik den Rest erledigen lassen. Eine großartige Technologie.

Die Gleise verliefen durch oberirdische Röhren, weshalb man vor dem relativ giftigen Regen geschützt war. Die Röhren waren durchsichtig, verliefen durch die ganze Stadt und hatten in gewisser Weise etwas von Fahrradwegen. Mit dem Unterschied, dass man für die Bewegung nicht selber zuständig war. Die Füße wurden auf dem Brett festgeschnallt. Weniger Bewegung war kaum möglich.

Die letzte Person vor Johann betrat das Gleis. Nachdem sie sich festgeschnallt hatte, erhob sich das Surfbrett wenige Zentimeter über den Boden. Die magnetischen Kräfte begannen ihre Arbeit. Ein leises Summen war zu hören, während sich Johanns Gegenüber mit etwa 10 km/h davon bewegte. Diese Reisemethode war definitiv nichts für jeden Menschen. Wer sich nicht sicher auf den Beinen halten konnte, sollte die Surfbretter nicht benutzen. Auch hier ähnelte das Ganze den Fahrrädern.

Das Signal ertönte.

Johann betrat sein Gleis, stellte sich auf sein Brett, zurrte die Riemen um seinen Füßen fest, stand still und ließ die Technik die Kontrolle übernehmen. Das Brett setzte sich in Bewegung. Die Umgebung glitt mit einer konstanten Geschwindigkeit an Johann vorbei. Hin und wieder blieb das Surfbrett automatisch an Kreuzungen stehen, um andere Reisende vorbeizulassen. Manchmal nickte man sich zu, manchmal nicht. Ein paarmal bewegte Johann sich über Brücken, wenn es darum ging, Straßen zu überqueren. Das Surfbrett veränderte während der Fahrt nur selten die Geschwindigkeit.

Auf einmal sah Johann vor sich etwas in seiner Röhre. Er erschrak. Die Zecke musste an einem der anderen Bahnhöfe unbemerkt in die Surfröhre gekrabbelt sein. Er hatte von Situationen wie diesen gehört, hatte sie aber nie allzu ernst genommen. Die Stadt kümmere sich darum, hatte es immer geheißen.

Es war zu spät, um zu reagieren. Das Brett rammte die Zecke, Johanns Füße kamen ruckartig frei, er stolperte vom Surfbrett und landete unsanft neben der Zecke.

Ein Passant, der sich gerade zufällig in der Nähe der durchsichtigen Röhre aufhielt, konnte der etwa einen Meter großen Zecke nur noch dabei zusehen, wie sie Johann langsam aussaugte. Den Notausgang öffnete er nicht, da er nichts mit der Zecke zu tun haben wollte. Als die Schädlingsbekämpfung eintraf, war es bereits zu spät. Johanns vertrocknetem Körper war nicht mehr zu helfen.

Die Zecke war weitergezogen.

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