Genürsel 2014 – 09/52 – Spielverderber

Genürsel 2014 - 09/52 - Spielverderber

Ich denke oft darüber nach, ob ich ein Spielverderber bin, weil ich bestimmte Gruppenbrettspiele nicht mitspiele. Ich mag weder “Tabu” noch “Outburst” noch “Die Werwölfe von Düsterwald”. All diese Spiele machen mir keinen Spaß. Darum will ich bei ihnen auch nicht mitspielen, wenn eine mich umgebende Menschenmasse auf die Idee kommt, sie spielen zu wollen. Leider kommt es nach dieser Entscheidung hin und wieder zu Konflikten. Man möchte ja ein Spiel spielen, an dem sich alle beteiligen und niemanden ausgrenzen. Ich versichere zwar immer, dass mir das Nichtspielen nichts ausmacht, doch hin und wieder glaubt man mir das nicht. Und dann ist sie plötzlich da: Die Bezeichnung Spielverderber. “Sei doch kein Spielverderber! Spiel mit! Alle anderen möchten spielen und du machst hier so ein Drama. Stell dich doch nicht so an.” Ich stelle mich natürlich weiterhin an. Wenn ich keine Lust auf ein Spiel habe, dann muss ich es auch nicht mitspielen. Und ganz ehrlich: Zugucken macht mir nichts aus. Ich bin keiner von denen, die sich dann plötzlich doch andauernd einmischen oder die Fehler anderer kommentieren. Ja, ich lache hier und da mit, wenn etwas Lustiges passiert, aber ansonsten kann ich das Geschehen ganz gut schweigend beobachten, ohne mich zu langweilen. Ich gucke lieber zu, als etwas zu spielen, was mir keinen Spaß macht. Wäre ich nicht eher ein Spielverderber, wenn ich mit mieser Laune mitmachen und anderen den Spaß verderben würde? Bei einem Gruppenspiel derjenige zu sein, der alle anderen runterzieht und sich keine Mühe gibt, ist also besser, als sich rauszuhalten und andere den Spaß haben zu lassen, nach dem sie sich so sehr sehnen? Das verstehe ich nicht. Muss ich aber auch nicht. Ich spiele nicht mit und damit hat sich die Sache erledigt.

Bevor ich mich weiter zu diesem Thema äußere, sollte ich vielleicht kurz etwas anderes erzählen. Als ich über die obigen Zeilen nachdachte und meinen Text zum Thema Spielverderber plante, sortierte ich die Ablage auf meinem Schreibtisch. “Die Ablage” klingt jetzt irgendwie nach einem strukturierten Büro. Keine Sorge. Meine Ablage verteilt sich auf mehrere Schubladen voller Zettel und einen mittlerweile fast dreißig Zentimeter hohen Papierhaufen. Struktur kommt da nicht vor. Die Lust, sich um diese Ablage zu kümmern, ebenfalls so gut wie nie. Aber hin und wieder muss man dann doch mal ran. Zum Beispiel wenn der Stapel droht, zusammenzubrechen. So verteilte ich also Zettel auf meinen Schreibtisch, belog mich selbst, indem ich mir vorspielte, eine Sortiertechnik entwickelt zu haben, die meine Ablage von nun an übersichtlich halten würde, und stieß plötzlich auf diesen Zettel.

Genürsel 2014 - 09/52 - Spielverderber

Was soll ich sagen? Der erste Absatz dieses Textes klang so vielversprechend. Leider hatte ich ihn in etwas anderer Form bereits vor mehreren Monaten buchstäblich auf Papier gebracht. In einem anderen Genürsel. Damals lautete das Thema “Kindergeburtstag”. Das ist ziemlich ärgerlich. Zu vergessen, dass man irgendein Thema bereits behandelt hat, tut weh. Man wird alt. Oder? Nein, natürlich bin ich nicht gerade in der Position, in der man von hohem Alter sprechen kann. Komplett verwirrt bin ich noch nicht. Wobei ich vor wenigen Stunden, als ich vom Einkaufen nach Hause kam und mir die Hände waschen wollte, plötzlich mit meiner Zahnbürste in der Hand im Badezimmer stand und nicht verstand, wie es dazu gekommen war. Aber das ist eine andere Geschichte. Eine gewisse Grundverwirrtheit gönne ich mir. Ich bin ja Künstler. Und das Klischee diktiert meinen Alltag. Was für ein Blödsinn. Jedenfalls war der gefundene Zettel ein ziemlicher Spielverderber. Ansererseits lache ich immer noch über den Zufall. Der Text geht nach der abgebildeten Seite noch weiter. Die anderen Seiten habe ich jedoch bisher nicht wiedergefunden. Nur Seite eins, auf der ich die gleichen Spiele wie im obigen Absatz aufliste, hat sich bei mir in dem Moment blicken lassen, als ich über einen Text nachdachte, in dem ich genau diese Spiele ansprechen wollte. Der Zufall kann ein ziemlich lustiger Geselle sein. Wobei mich das nicht überrascht. Sonst hätte ich ihn ja nicht eine so prominente Rolle in meinem Buch “Wach durch die Traumwelt” übernehmen lassen. Huch. Buchwerbung! Schnell das Thema wechseln. Sonst sieht das hier noch so aus, als würde ich etwas verkaufen wollen.

So wie Kinos. Die wollen andauernd etwas verkaufen. Dieses Etwas hört auf den Namen “3D” und ist der Grund, warum ich mit meiner Frau nur noch selten in große, neue Kinofilme gehen kann. Meine Frau kann nämlich nur auf einem Auge sehen. Warum? Das tut hier nichts zur Sache. Fakt ist: 3D funktioniert bei ihr schon außerhalb eines Kinos nicht. Somit ist sie nicht bereit, einen 3D-Aufschlag zu bezahlen. Ich bestelle ja auch keine Pizza mit extra vielen Bananen, obwohl ich gar keine Bananen mag und diese nach Erhalt der Bestellung abkratzen müsste. Leider wird es immer schwerer, Filme wie den neuen “Godzilla” ohne 3D sehen zu können. Da meine Frau ein noch größerer Filmfan ist als ich, ist das ziemlich großer Mist. Es ist ärgerlich, dass die großen Kinos neben den 3D-Vorstellungen keine 2D-Varianten mehr anbieten. Wobei selbstverständlich klar ist, warum dies der Fall ist. 3D bringt nichts. 3D macht einen Film nicht besser. Ja, 3D verleiht einem Film Tiefe. Aber mir bringt das keinen Mehrwert. Gar keinen. Ich rede an dieser Stelle ausschließlich von mir. Sollte es da draußen wirklich Menschen geben, die einen Film besser fanden, weil er in 3D gezeigt wurde, dann gönne ich diesen ihre Lebensfreude. Wer Pizza mit Bananen mag, soll sie sich kaufen. Die Pizzaria sollte ihren Gästen aber keine Bananen aufzwingen.

Leider sind die meisten Kinos in unserer Nähe Spielverderber. Sie wissen genau, dass kaum jemand den 3D-Aufschlag zahlen würde, wenn sie die 2D-Alternative haben könnten. So wichtig für den Filmgenuss ist 3D dann plötzlich doch wieder nicht. Also entfernt man 2D aus dem Programm. Wenn es keine Alternative gibt, gehen die Leute auch in die teurere Vorstellung. Danach beschweren sie sich zwar über die Preise, doch das kann dem Kino letztendlich egal sein. Das Geld haben die Besucher ja dagelassen. Weil sie müssen. Warum auf etwas verzichten, wenn man auch für nutzloses Beiwerk mehr bezahlen kann? Aber lasst uns nicht in allzu tiefe philosophische Abgründe springen. Kinos sind arme Schweine, niemand kann etwas dafür, die Gesellschaft ist schuld, Raubkopierer sind Verbrecher und wer was wie konsumiert, kann mir ja egal sein. Na gut. Dann zähle ich eben andere Spielverderber auf.

Spielverderber gibt es zum Glück nicht nur im Filmmedium. Auch das angeblich so viel anspruchsvollere Buchmedium ist voll von ihnen. Jetzt muss ich leider doch wieder von meinen Büchern anfangen. Aber es lässt sich nun einmal nicht vermeiden. Ein Pizzariabesitzer spricht schließlich auch andauernd von Pizza. Das habe ich zumindest gehört. Von einer anonymen Quelle. Kommen wir zu den Spielverderbern, die mir beinahe den Spaß am Schreibspiel genommen hätten. Darf ich vorstellen? Nein, wartet. Ich lasse sie sich selbst vorstellen:

Sehr geehrter / Lieber Herr Himmen,
– haben Sie vielen Dank für die Einsendung Ihres Manuskripts bzw. Exposés.
– haben Sie vielen Dank für Ihr Interesse am Verlag und die Zusendung von Informationen zu Ihrem Werk / Ihres Manuskriptes.
– haben Sie vielen Dank für Ihren Brief und das Angebot, Ihr Manuskript in unserem Verlag zu publizieren.
– haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift, mit der Sie uns das obige Werk zur Publikation anbieten.
– haben Sie vielen Dank für Ihr Manuskriptangebot.
– vielen Dank für Ihr Manuskriptangebot.
– vielen Dank für Ihr Projektangebot.
– vielen Dank für das Projektangebot.
– vielen Dank für Ihr Publikationsangebot.
– vielen Dank für die freundliche Zusendung eines Ausschnittes Ihres oben genannten Manuskriptes.
– vielen Dank, dass Sie Leseproben Ihres interessanten Manuskripts zur Veröffentlichung bei uns eingereicht haben.

Gut, das waren jetzt nicht wirklich Vorstellungen, sondern eher Einleitungen. Aber es sollte klar geworden sein, wer mich hier anschreibt: Die Verlage, an die ich mich im Laufe meines Lebens als Autor bezüglich der Veröffentlichung meiner Bücher gewendet habe. Natürlich sind das nicht alle Briefe, die in meinem Absagenordner ein sortiertes Leben führen. Ich habe mich auf eine Auswahl beschränkt.

Die oben zitierten Verlage sind in meinen Augen ziemliche Spielverderber. Als ich mein erstes Buch beendet hatte, schwebte ich auf der berühmten Wolke sieben und schubste alle Menschen herunter, die sich dort ebenfalls tummelten. Eine ziemliche Menge, übrigens, wie sich das für Orte aus ausgelutschten Redewendungen so gehört. Ich war also der größte. Ich hatte es geschafft und ein Buch geschrieben. Voller Stolz wandte ich mich an zahllose Verlage und erwartete ihre Rückmeldungen. Die Rückmeldungen kamen. Aber sie fielen nicht so aus, wie ich es gehofft hatte.

– Inzwischen haben wir Ihr Projektangebot geprüft, müssen Ihnen jedoch mitteilen, dass es für eine Veröffentlichung nicht in Frage kommt.
– Wir haben uns hier im Lektorat mit Ihrer Idee beschäftigt, müssen Ihnen aber leider sagen, dass wir keine Möglichkeit sehen, den Text in unserem Programm zu veröffentlichen.
– Täglich erreichen uns E-mails, Manuskripte, Exposés und andere Vorschläge für Buchveröffentlichungen, die wir aus verlagstechnischen Gründen nicht berücksichtigen können. Leider trifft dies auch auf Ihr Angebot zu.
– Leider sehen wir keine Möglichkeit, das von Ihnen angebotene Projekt in unser Verlagsprogramm aufzunehmen.
– Leider sehen wir keine Möglichkeit, Ihren Text bei uns herauszubringen.
– Zu unserem Bedauern aber müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir von Ihrer freundlichen Offerte keinen Gebrauch machen können.
– Von einer Veröffentlichung möchten wir jedoch absehen.
– Leider sehen wir keine Möglichkeit, Ihr Projekt in unsere aktuelle Programmstruktur einzufügen.
– Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns gegen eine Aufnahme Ihres Werkes in unser Verlagsprogramm entscheiden mussten.
– Bedauerlicherweise hat sich der Verlag gegen eine Aufnahme Ihres oben erwähnten Werkes entschieden.
– Nach gründlicher Überlegung und Prüfung sehen wir jedoch keine Möglichkeit zur Publikation.
– Wir haben uns hier im Lektorat mit Ihrer Idee beschäftigt, müssen Ihnen aber leider sagen, dass wir keine Möglichkeit sehen, den Text in unserem Programm zu veröffentlichen.

Absage folgte auf Absage. Ich zweifelte an meinem Buch, meinem Schreibstil und an mir selbst. Ich redete mir ein, die Verlage hätten mein Buch gar nicht gelesen, sondern es gleich unbeachtet weggeschickt, weil sie sich nicht für einen kleinen Autoren wie mich interessierten. Weil sie nicht bereit dazu waren, Risiken einzugehen. Mittlerweile rede ich mir so etwas nicht mehr ein. Und ich will mit der obigen Auflistung auch niemanden bloßstellen. Ich will viel eher andere Leute warnen. Und zwar vor der Enttäuschung, die Absagen mit sich bringen können. Nach und nach landet ein weiterer, kleiner Nadelstich im Briefkasten und zieht einen runter. Die Wolke sieben wird zu Wolke sechs und irgendwann ist man dann plötzlich auf dem Boden der Tatsachen angekommen.

Am Ende gab es nur wenige Möglichkeiten: Das Buch vergessen und nicht mehr darüber reden, es einfach online auf meiner eigenen Internetseite als PDF verschenken oder der sogenannte Selbstverlag. Jede Alternative hatte ihre Vor- und Nachteile, am Ende entschied ich mich für letzteres. Und ich bin glücklich, es getan zu haben. Ob es nun die richtige Entscheidung war, werde ich vermutlich nie erfahren. Will ich auch gar nicht. Es war eine, nein, meine Entscheidung und zu dieser stehe ich. Muss ich ja auch. Dass ich eine Zeitmaschine besitze, darf ich schließlich noch niemandem erzählen. Damit muss ich warten. Den richtigen Zeitpunkt teilte mir mein älteres Ich zum Glück eines schönen Tages persönlich mit. Wie auch immer. Verlage sind Spielverderber, können da aber verhältnismäßig wenig für. Es ist verdammt schwer, von einem Verlag aufgenommen zu werden. Der Qualitätsanspruch ist hoch, die Bewerbungen zahlreich, der Spielraum für Risiken gering und letztendlich sind die Fähigkeiten eines Autors vielleicht gar nicht so gut, wie er selbst denkt. Wer sein Buch an einen Verlag schickt, sollte mit Absagen rechnen. Mit vielen Absagen. Und möglichst schnell lernen, mit diesen umzugehen. Verlage sind nicht böse. Trotzdem sind sie Spielverderber.

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass Absagen auch etwas Gutes haben. Sie zeigen einem nämlich, welche Titel man seinem Buch während seiner Fertigstellung gegeben hatte. Zu hieß “Nicht immer nur meckern” Anfangs beispielsweise “Ein Leben in der Außenwelt”. Kurz vor Schluss lautete der Titel: “Immer nur meckern”. Woher das finale “Nicht” kam, werde ich vielleicht irgendwann einmal erzählen. Dann erkläre ich auch, warum das Gesicht auf dem Cover traurig und nicht fröhlich guckt.

Macht euch übrigens keine allzu großen Hoffnungen. Vermutlich werde ich euch all das niemals erklären. Das mache ich nämlich gerne: Dinge andeuten und dann nicht weiter drauf eingehen. Meine Frau hasst das an mir. Aber da bleibe ich hart. Hin und wieder bin ich dann doch mal ein richtiger Spielverderber. Bleibt mir nur noch eins zu sagen: Kauft meine Bücher. Sonst seid ihr Kinos und Verlage: Spielverderber.

Genürsel 2014 - 09/52 - Spielverderber

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