Genürsel 2013 – 39/52 – Flohmarkt

Genürsel 2013 - 39/52 - Flohmarkt

Der beste Flohmarkt, den ich in Frankfurt bisher besucht habe, war folgendermaßen aufgebaut: Drei Kinder, geschätzt im Grundschulalter, saßen auf einer Mauer, hatten dort Spielzeug und anderes Zeug auf einem Handtuch ausgebreitet und boten dieses zum Verkauf an. Nicht das Handtuch, sondern das Spielzeug natürlich. Ich wurde auf diesen Flohmarkt nicht etwa durch eine riesige Werbeanzeige an einer nahegelegenen Straßenlaterne aufmerksam. Oder in einer Tageszeitung. Eine solche Anzeige hätten sich die Kinder niemals leisten können. Warum auch? Das war vermutlich eine dieser spontanen Aktionen, die man als Kind so durchzieht. Zimmer aufräumen? Warum aufräumen, wenn man das Zeug auch verkaufen kann? Dann kann man sich danach gleich neue Spielsachen kaufen und diese daraufhin chaotisch im Zimmer verteilt. Der Kreislauf des Lebens.

Ich wurde jedenfalls auf die Kinder aufmerksam, weil sie sich auf eine Mauer gesetzt hatten, die ich von meinem Balkon aus sehen konnte. Da saßen sie also und wurden von Passanten ignoriert. Weil ich ein viel zu netter Mensch bin, sagte ich meiner Frau, dass wir unbedingt einkaufen gehen mussten. Wir verließen das Haus in Richtung Supermarkt und kamen dabei zufällig an der Flohmarktmauer vorbei.

Interessiert sah ich mir die Spielsachen an und stellte fest, dass es sich hier um ziemlichen Müll handelte. Nicht falsch verstehen: Ich mag Spielsachen. Aber das hier waren allesamt Dinge, die ich nicht haben wollte. Genauso wie die Kinder. Langsam verstand ich, warum die Passanten das Angebot ignoriert hatten. Da stand ich nun und sah mir etwa zwanzig Spielsachen an, die die Kinder vermutlich hatten wegwerfen, dann aber doch noch irgendwie zu Geld machen wollen. Gierige Bande. Aber vielleicht war ja auch alles anders. Ich hoffte es. Positiv denken. Dann sah ich ein Kirby-Hausaufgabenheft.

Genürsel 2013 - 39/52 - Flohmarkt

Hey! Kirby! Ich mag Kirby! Das ist doch schon mal was. Ein Blick hinein bestätigte meine Vermutung: Unbenutzt. Ein Hausaufgabenheft dürfte wohl mit zu den saubersten Dingen gehören, die man auf einem Kinderflohmarkt kaufen kann. Wer benutzt schon Hausaufgabenhefte? Na gut. Ich will ehrlich sein: Ich habe sie benutzt und wurde dafür ausgelacht. Ich finde Hausaufgabenhefte sehr praktisch und man sollte niemals glauben, dass ich meine Hausaufgaben erledigte, nur weil ich ein solches Heft führte. Definitiv nicht. Ich wusste aber immer, was ich wann von wem abschreiben musste! DAS ist der Sinn eines Hausaufgabenheftes. Na gut, ich übertreibe ein wenig. Hin und wieder habe ich meine Hausaufgaben selbstverständlich gemacht. Aber nicht so oft, wie mein Hausaufgabenheft es vermuten ließ.

Nun stand ich also vor diesem Heft. Ich muss mittlerweile keine Hausaufgaben mehr machen. Gut, auch an der Universität muss man Dinge erledigen. Das kann man schon mal als Hausaufgaben bezeichnen. Aber irgendwie ist das nicht mit der Schule vergleichbar. Trotzdem handelte es sich hier um den Gegenstand, dessen Anschaffung für mich am meisten Sinn ergab. Also erkundigte ich mich nach dem Preis. Die Kinder wollten einen Euro dafür haben. Das war es mir irgendwie wert. Hey, Kirby. Immerhin. Vielleicht ist das Heft irgendwann mal total wertvoll. Vermutlich nicht. Aber ich habe hier ein paar Kindern eine Freude gemacht. Sie freuten sich wirklich über meinen Kauf. Ich verließ den Flohmarkt und fühlte mich gut.

Ich all den Jahren in Frankfurt habe ich nie einen richtigen Flohmarkt besucht. Ich sehe hin und wieder an Straßenlaternen Aushänge kleben, die auf ein solches Ereignis aufmerksam machen möchten, hingegangen bin ich aber nie. Manchmal würde ich gerne. Aber die Vernunft verbietet es mir. Keine Angst, das ist nicht die “Dafür bist du zu alt”-Vernunft. Es geht hier rein ums Geld. Ich würde Unsummen für Billigspielzeug ausgeben und das kann und will ich mir gerade nicht erlauben. Aber irgendwann werde ich wieder einen Flohmarkt aufsuchen. Irgendwann. Und dann werde ich das Kirbyheft wieder verkauften.

Blödsinn. Als könnte ich das jemals verkaufen. Da hängen jetzt Erinnerungen dran. An meinen ersten besuchten Frankfurter Flohmarkt.

Genürsel 2013 - 39/52 - Flohmarkt

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