Gebündelte Neugierde – #1 – Race.a.bit

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Indie Bundles. Pakete, bestehend aus mehreren Videospielen, die man für wenige Euros erstehen kann. Mittlerweile wird das Internet von ihnen überflutet. “Gebündelte Neugierde” ist eine Reihe, in der ich einen Blick auf die Videospiele werfe, die in einem der (gefühlt) 100 pro Woche erscheinenden Indie Bundles enthalten waren. Hier geht es vor allem um die Spiele, für die ich mir ein bestimmtes Bundle NICHT gekauft habe, sondern die einfach dabei waren. Bisher habe ich besagte Spiele eher ignoriert. Das möchte ich hiermit ändern. Ich will neugieriger sein. Diese Reihe erscheint nicht regelmäßig. Kein Indie Bundle muss zwangsläufig vollständig besprochen werden. Nicht jeder Text behandelt lediglich ein einziges Spiel. Eigentlich geht es hier um Neugierde und darum, überrascht zu werden.

Sehr oft versuche ich, neue Spiele mit alten Erinnerungen zu verbinden. “Das ist ja wie damals, als ich…” heißt es in diesen Momenten. Für mich ich das immer schön. Die eigenen alten Erinnerungen mag schließlich jeder. Vor allem, wenn sie durch die verstrichene Zeit total überzeichnet im Gehirn abgespeichert wurden und eher an “Früher war alles besser” erinnern. “Früher habe ich noch jeden Tag draußen gespielt.” Tja. Früher bekamen Eltern auch noch keine Panikattacke, wenn ihre Kinder an einer Türklinke leckten, ohne sie zuvor mit Desinfektionsspray eingesprüht zu haben. Es ist traurig, ein Videospiel nur deswegen zu mögen, weil es einen an andere Spiele erinnert. Es ist so traurig, dass ich manchmal weine. Was habt ihr denn gedacht? Dass ich das Wort “traurig” verwende, ohne es auch zu meinen? Weil mir das Wörtchen “schade” gerade nicht einfiel? Wisst ihr eigentlich, wie viel Mühe ich mir mit diesen Texten gebe? Zum Glück nicht.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Als ich eines Tages durch meine geballte Bundle-Sammlung blätterte, stieß ich auf das Spiel “Race.a.bit”. Nein, das stimmt so gar nicht. Ich stieß nicht beim Blättern auf das Spiel, sondern weil ich es mit einem anderen verwechselte. Ich hatte ein Bundle erworben, das ein Rennspiel mit prozedural generierten Rennstrecken enthielt, wollte dieses antesten, hatte den Namen des Spiels jedoch vergessen, las die Titel der im Paket enthaltenen Spiele und dachte, dass das gesuchte Spiel “Race.a.bit” hieß. Klar, ich hätte auf der Bundle-Seite nachsehen können, oder der zum Spiel gehörenden Seite auf Steam, doch tat ich all das nicht, weil ich all das für einen viel zu großen Aufwand hielt. Schließlich wollte ich ein Rennspiel und kein Denk- oder Knobelspiel spielen. Oder ein Wimmelbildspiel. Ich wollte nicht suchen, ich wollte fahren und wusste nicht wohin. Prozedurale Welten? Perfekt!

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Es stellte sich schnell heraus, dass “Race.a.bit” nicht das Spiel war, das ich eigentlich hatte spielen wollen. Als ich es startete und das Menü vor mir erschien, musste ich mich zunächst ein wenig zusammenreißen. Es erinnerte mich an ein Menü, das von mir sein könnte, wenn ich gerade mein erstes Spiel entwickelt und erst am Ende erkannt hatte, dass ich noch ein Menü brauchte. “Race.a.bit” hat viele Ecken und Kanten, auf die einen dieses Menü gut vorbereitet. Es funktioniert meistens, sieht aber einfach nicht gut aus. Und “funktioniert meistens” ist nun etwas, was man nur bedingt hören möchte, wenn man von einem Videospiel liest.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Es handelt sich bei “Race.a.bit” um ein Rennspiel. Ein Action-Rennspiel. Vielleicht sogar um einen “Fun-Racer”, wenn ich gerade Lust darauf habe meine Ehre als Autor an einem Ort auszusetzen, an dem normalerweise lediglich Menüs, die meistens funktionieren, an eingefrorene und aufrecht hingestellte Hundekotwürste angebunden werden. Wir schauen von oben auf das Geschehen hinab, was Erinnerungen an Spiele wie “Micro Machines” oder “GTA” hervorruft, die ich aber selbstverständlich nicht weiter thematisieren möchte, schließlich habe ich mich zu Beginn meines Textes noch über das Schreiben über Erinnerungen lustig gemacht. Die Steuerung ist ganz einfach: Gas, Bremse, Links, Rechts. Und ganz wichtig: Zurücksetzen. So bewegen wir unser kleines Automobil über die Strecke, fahren durch Checkpoints, erreichen das Ziel, schauen uns die Zeit an, die uns das Vorhaben gekostet hat und geben uns entweder damit zufrieden oder versuchen es erneut, nur eben ein bisschen schneller. Man jagt Bestzeiten. Vor dem Start kann man die Zeit eines anderen Fahrers auswählen und gegen diesen antreten. Das ist der einzige Gegner, den man auf der Strecke antrifft. Man kann niemanden rammen, da man lediglich gegen die Bestzeit des Gegners antritt, die durch dessen leicht durchsichtiges Fahrzeug dargestellt wird. Einen Mehrspielermodus mit chaotischen Massenkarambolagen gibt es nicht. Hier könnte ich nun “Track Mania” erwähnen, was ja auch geschehen ist.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Wer sich das Spiel kauft, kann auf den im Lieferumfang enthaltenen zwanzig Strecken etwa eine Viertelstunde Lebensfreude ernten, bis man alle Glücksknollen aus dem Erdreich gerissen und in Goldmedaillen weiterverarbeitet hat. Dann sucht man einen Knopf mit der Aufschrift “Seite 2”, findet keinen und ist verzweifelt. Hat man da etwa sein Geld aus dem Fenster geworfen? War das alles? Wurde man betrogen? Ist die Videospielwelt bereit für einen neuen Eklat, den man mit dem schönen Wörtchen “Gate” verbinden kann? “Race.a.bit”-Gate? “Race.a.Gate”? “Gate.a.bit”? Von all den Alternativnamen gehört übrigens ein Schreibfehler zu meinen Lieblingen, nämlich dieser hier: “Rave.a.bit”. Das klingt doch mal nach einem Musikspiel, das mir gefallen könnte. Was gelogen ist. Suche ich bei youtube nach Videos über Rave-Veranstaltungen, stellt sich schnell heraus, dass dort keine Musik läuft, die meinen Geschmack trifft. Dennoch hat mir der Tippfehler sehr gefallen. Vor allem, als er mir bei der Benennung zweier Screenshots wiederfuhr, die ich in der offiziellen “Race.a.bit”-Steam-Community hochlud. Das Gefühl, nervös den “Editieren”-Button zu suchen, ihn nicht zu finden und sich seinem Fehler einfach hingeben zu müssen, ist eine Erfahrung, die einem nicht jedes Videospiel bieten kann.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Bevor ich das mit dem Auflösen der Enttäuschung jetzt aber noch weiter nach hinten schiebe: Ja, “Race.a.bit” hat lediglich zwanzig Strecken. Das liegt aber daran, dass es eigentlich noch viel mehr hat. Weil es einen Strecken-Editor besitzt, in dem man mit ein paar wenigen Mausklicks eine Strecke zusammenbauen kann, die von mir eine miserable Bewertung bekommt, da man mit ein paar wenigen Mausklicks nun wirklich nichts Vernünftiges zusammenbauen kann. Das liegt nicht an der Komplexität des Editors, sondern an meinen Ansprüchen. Menschen, die zwanzigmal die gleiche Strecke bestehend aus vier Kurven und vier Geraden mit einem Checkpoint hochladen, um die Errungenschaft “Lade zwanzig Strecken hoch” zu erhalten, kann ich nicht leiden. Werdet bitte nicht zu diesen Menschen.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Aber das ist das Problem mit Videospielen mit Editoren und Errungenschaften. Mit Hilfe von Errungenschaften kann man Leute dazu motivieren, die Streckenauswahl zu vergrößern. Leider entsteht dadurch gleichzeitig ein großer Haufen Mist, der nur dann nicht von Bedeutung ist, wenn er von einem Haufen Nichtmist ausgeglichen wird. Leider benötigt man dafür etwas: Viele engagierte Spielerinnen und Spieler. Und genau die fehlen “Race.a.bit” momentan. Ich habe mich durch viele immer gleiche Rundkurse gequält und sie durch meine Stimme aus der “Top Rated”-Liste geworfen. Wer schon immer einmal fühlen wollte, was Politiker meinen, wenn sie einem sagen, jede Stimme würde zählen, sollte “Race.a.bit” definitiv eine Chance geben.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

“Race.a.bit” macht unglaublich viel Spaß. So. Nun ist es raus. Absätze lang habe ich überlegt, wie ich euch das am besten sagen kann, dann ist es mir endlich einfallen: Direkt. Ich mag es nicht, mit Spielzeitangaben um mich zu werfen, möchte es aber trotzdem machen: Dreizehn Stunden. Dreizehn Stunden habe ich bisher mit “Race.a.bit” verbracht und ich kann nicht genau sagen, warum. Es macht Spaß. Ich habe verdammt viel Freude mit dem Titel. Ich kann all die Probleme, die “Race.a.bit” hat, einfach ausblenden und mich an ihm erfreuen. Es ist wundervoll. Traumhaft. Verspielt.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Der Editor bietet einem nicht nur die offensichtlichen Teile, also Straßen, Start/Ziel und Checkpoints. Es gibt Vulkane, die die Strecke zerstören können. Magneten, die die Fahrzeuge anziehen oder abstoßen. Dinge wie UFOs, Sprungpads, Eis, Lava, Dynamit, Minen und andere sorgen dafür, dass man nie so ganz weiß, was die nächste Strecke für einen bereit hält. Die Fahrt durch einen Vulkan? Eine Eisfläche? Die Wüste? Jedes Teil kann einzeln eingefärbt werden, was für immense Gestaltungsmöglichkeiten sorgt. Sogar Text kann eingeblendet werden. Man muss sich ein bisschen an die Bedienung des Editors gewöhnen, doch dann läuft alles recht flüssig. Auch hier muss ich darauf hinweisen, dass ich nicht zu 100% mit dem Ding zufrieden bin. Man kann die für ein Teil gewählte Farbe nicht abspeichern. Wähle ich einen Grünton für einen Abschnitt der Straße, anschließend einen Blauton für einen platzierten Stein, kann ich nicht einfach wieder zum zuvor gewählten Grün der Straße zurückkehren. Ich kann nur versuchen, mir die Farbe so gut wie möglich in der Farbauswahl wieder zusammen zu mischen. Das erschwert die Bedienung sehr. Vor allem, wenn man Wert auf die Farben legt und lediglich ein kleines Teil ausbessern wollte. Die Rückgängig-Funktion funktioniert ebenfalls nicht immer so, wie man es erwartet. Dennoch macht das Bauen sehr viel Spaß. Und man hat viele Möglichkeiten, wenn man sich auf das Ding einlässt und Fehler übersieht.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Das ist um Grunde das Fazit: “Race.a.bit” macht Spaß, wenn man seine vielen, kleinen Fehler übersieht. Ich habe es sehr liebgewonnen. Es ist schade, dass es nicht die Möglichkeit bietet, per Knopfdruck eine zufällige, ungespielte Strecke spielen zu können. Man kann in der Streckenübersicht zudem nicht erkennen, welche Strecke man bereits gespielt hat. Startet man eine Strecke neu, zerstört man damit nach und nach das Menü, was jetzt aber wirklich schwer zu erklären ist. Doch ist das alles überhaupt nicht schlimm. Ich kann über die Fehler hinwegsehen. Im Grunde ist “Race.a.bit” genau das, was ich von einem richtigen Indie-Titel erwarte. Ein Spiel, dass sich auf das beschränkt, was es sein will und dabei nicht ganz so glatt poliert daherkommt, wie man es von größeren Titeln erwartet. Es erinnert mich sehr an meine im Selbstverlag veröffentlichen Bücher. Wenn man selbst für alles verantwortlich ist, kommt es immer wieder zu Fehlern. Diese kann man dann der verantwortlichen Person vorwerfen, oder aber darüber hinwegsehen und das Werk als das annehmen, was es ist. Nein, man sollte Fehler nicht verschweigen. Das habe ich mit diesem Text ja nun definitiv nicht getan. Ich kann jeden verstehen, der mit “Race.a.bit” nichts anfangen kann oder das Spiel wegen seiner Fehler nicht leiden kann. Das ist vollkommen in Ordnung.

Gebündelte Neugierde - #1 - Race.a.bit

Aber ich? Ich bin begeistert. Ich mag “Race.a.bit” und hoffe, dass hin und wieder ein neuer Spieler oder eine neue Spielerin auftaucht und neue Strecken erstellt, die ich anschließend befahren und erkunden kann.

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Zuletzt noch ein kleiner Tipp: Startet man ein Rennen und lässt sich sofort, also während des “3, 2, 1, GO”, zurücksetzen, kann man noch vor dem “GO” losfahren, etwa eine Sekunde vor den Gegnern. Das könnte man selbstverständlich ebenfalls als üblen Programmierfehler bezeichnen, ich sehe das jedoch anders und vergleiche dieses Feature mit dem Start bei “Mario Kart”, wo man ja auch schneller vorwärts kommt als andere, wenn man weiß, wann man Gas geben muss. “Race.a.bit” ist fantastisch und verbreitet Freude.

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