Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf der Internetseite WASTED, im Rahmen eines Adventskalenders. Der Text erschien an Tag 15. Ein Jahr nach der dortigen Veröffentlichung poste ich ihn auf spa-zone.de, damit er nicht irgendwann plötzlich verloren geht.
Seien wir ehrlich: Wenn dir die eigene Therapeutin sagt, du solltest kein Traumtagebuch führen, weil es am besten wäre, deine Träume so schnell wie möglich wieder zu vergessen, dann weißt du, dass etwas nicht mit dir stimmt. Ein Traumtagebuch kann dazu führen, dass die eigenen Träume intensiver werden und man sich besser an sie erinnern kann.
Ich glaube, ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen.
Mein Gehirn träumt am liebsten von zwei Dingen: Entweder davon, wie ich qualvoll sterbe (Sein Favorit: Mich langsam ersticken lassen), oder davon, wie einige oder gleich alle meiner Freund*innen das gleiche Schicksal ereilt (Hier gibt es keinen Favoriten, Hauptsache die Sterbenden bedeuten mir etwas).
Einmal träumte ich davon, dass sich alle mir wichtigen Menschen trafen, um eine Höhle zu erforschen. Ich weiß nicht, wie sie auf diese bescheuerte Idee kamen, aber letztendlich sollte man die Warum-Frage in oder nach Träumen sowieso nie stellen. Natürlich hatte man mich ebenfalls eingeladen, jedoch wollte ich an der Höhlenforschung nicht teilnehmen, weil ich Angst hatte. Meine Bekannten gingen trotzdem.
Den Rest des Traums flog ich wie eine allwissende Erzählerkamera durch die Höhle und sah meinen Herzensmenschen dabei zu, wie sie verreckten. Ich kann übrigens das Wort »Herzensmenschen« überhaupt nicht ausstehen und hasse es. »Hassen« ist ein hartes Wort, weshalb ich es an dieser Stelle auch ganz gezielt verwende. »Herzensmenschen« ist das verbale Äquivalent zum Formen eines Herzens mit Hilfe der Hände. Sehe ich erwachsene Menschen Herzen aus Händen formen, wünsche ich mir von ganzem Herzensherzen, sie von nun an zu mögen, damit ich ihnen während meiner Träume beim elendigen Verrecken zusehen kann.
Im zuvor angesprochenen Traum fiel meine Frau beispielsweise in ein Loch im Boden, landete in einer mit Wasser gefüllten Kammer und wurde von einer langsam herunterfahrenden Steinplatte in Zeitlupe unter Wasser gedrückt. Ich tauchte mit ihr unter und sah ihr beim Ersticken zu. Meine anderen Bekannten erlitten ähnliche Tode und ich war immer live dabei.
Erwache ich nachts aus solchen Träumen, bin ich erst einmal total fertig. Schließe ich die Augen, tauchen die Gesichter meiner sterbenden Bekannten wieder auf. Ich kann sie einfach nicht abschütteln, stürze in tiefe Trauer und Panik und wünsche mir ein paar Menschen herbei, die sich um mein Bett versammeln und Herzen aus Händen formen, damit ich ihnen ins Gesicht treten kann. Aber es kommt niemand. Meistens vergewissere ich mich kurz, dass meine Frau neben mir liegt und noch atmet, verlasse anschließend das Bett, gehe ins Bad und setze mich auf die Toilette, auch wenn ich gar nicht das Verlangen nach Entleerung habe.
Dann starte ich »Desert Golfing«.
»Desert Golfing« ist das einzige Spiel, das sich auf meinem Smartphone befindet. Es ist wichtig, dass es da ist. Es ist simpel, eintönig, schnell gestartet, geht immer weiter und lenkt mich ab. Manchmal reichen drei Löcher, manchmal brauche ich dreißig, aber irgendwann habe ich mich lange genug mit dieser eintönigen, durchlöcherten Landschaft beschäftigt, um wieder in der Realität anzukommen. Um die Träume langsam wieder zu vergessen. Es ist, als würde ich nach und nach dem Sandmann zeigen, was ich von seinem bescheuerten Schlafsand halte. Mach du nur. Streu deinen Sand. Bereite mir schlaflose Nächte. Am Ende bin ich es, der auf deiner Lebensgrundlage Golf spielt. Dann stehe ich von der Toilette auf und lege mich wieder ins Bett.
In der Regel kommen die Träume zumindest in dieser Nacht nicht wieder zurück.
Danke, »Desert Golfing«.