Old School Rally – Stardew Rally

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Wenn ihr keine Lust habt, euch diesen Text durchzulesen, werft einen Blick auf meinen youtube-Kanal. Dort findet ihr eine Video-Version dieses Textes. Durch einen Klick auf den folgenden Link, werdet ihr auf youtube weitergeleitet. ZUM VIDEO

Als vor einer Woche mein Großvater verstarb und ich kurz darauf einen Brief wegen der Erbschaft von ihm erhielt, dachte ich mir: »Boah, endlich ein Bauernhof!« Das hatte ich mir schon immer gewünscht. Ein Leben auf dem Land, Hühner melken, Kühen in die Eier treten, Schafen sagen, dass sie sich zum Teufel scheren sollen, ein Bauernhaus einrichten, Essiggurken von Essiggurkenbäumen pflücken, Erdbeeren jagen und Mayonnaise aus Grashüpfern pressen. Endlich würde mein Traum Wirklichkeit werden.

Ich hatte mich immer gefragt, wo mein Großvater den Bauernhof versteckt hielt, den er mir, so will es schließlich die deutsche Tradition, vererben musste. Als ich den Brief öffnete, musste ich enttäuscht feststellen, dass ich ein vollkommen falsches Bild von der deutschen Erbschaftsgesetzgebung hatte und Videospiele außerdem nicht die Realität widerspiegeln.

Ja, in dem Brief befand sich das Anschreiben eines Notars. Es ging tatsächlich um eine Erbschaft. Aber ich erbte keinen Bauernhof. Ich erbte ein Rally-Spiel. Mein ersehntes »Stardew Valley« verwandelte sich in »Stardew Rally«.

Es gab eine Phase in meinem Leben, in der ich sehr gerne Rally-Spiele gespielt habe. Und das, obwohl ich bis heute keinen noch so kleinen Gedanken daran verschwendet habe, irgendetwas über Autos und deren Funktionsweise zu lernen. Autos sind mir vollkommen und absolut egal. Ich verstehe, dass man sie als Fortbewegungs- und Transportmittel verwenden kann, alles andere geht an mir vorbei wie ich auf der Frankfurter Zeil an den Leuten, die mir etwas von Gott erzählen möchten. Wenn mir jemand sagen möchte, wie viele PS das eigene Auto hat, dann sage ich: »Oh, cool, ein Auto! Fährt es denn gut?« und beende das Gespräch voller Desinteresse.

Ich habe mal mitbekommen, wie sich hier in der Nachbarschaft jemand ein neues Auto gekauft hat und daraufhin von einer anderen Person aus der Gegend sofort darauf angesprochen wurde. Es gab ein Probesitzen, ein Runterrattern der Eckdaten und immer wieder ein anerkennendes Kopfnicken. Von mir darf man so etwas nicht erwarten. Eher sage ich »Och, guck mal, ein neues Töfftöff! Fährt es denn gut?«, als mich dazu hinreißen zu lassen, Probe zu sitzen, um mal das Lenkrad anfassen zu dürfen und dabei mit dem Kopf zu nicken.

Trotzdem mag ich Rally-Spiele. Aber nicht wegen der Autos. Lizenzen sind mir vollkommen egal. Ob das jetzt ein Ford ist, in dem ich sitze, oder ein Fnord, interessiert mich überhaupt nicht. Wobei ich gerne mal in einem Fnord sitzen würde. Was direkt viele Fragen aufwirft: Kann man sich in etwas setzen, das man nicht sieht? Kann man jemanden sehen, der in etwas sitzt, das man nicht sieht?

Wer jetzt überhaupt nicht weiß, wovon ich rede, sollte die »Illuminatus«-Trilogie von Robert Anton Wilson lesen, wobei ich eigentlich niemals irgendjemandem empfehlen würde, sich mit dieser Buchreihe auseinanderzusetzen, weil ach du meine Güte ist das ein Spaß! Gut, den Gottmenschen auf der Zeil und all den anderen Menschen, die irgendwelchen Verschwörungen hinterherrennen, würde ich die Reihe tatsächlich mal ans Herz legen, aber letztendlich hört sowieso keiner mehr zu, wenn man eine Buchtrilogie empfohlen bekommt. Wer tatsächlich ein wenig Interesse an dem Kram hat, von dem ich hier rede, der kann ja mal »Fnord« bei Wikipedia suchen und sich weiterbilden. Und damit komme ich zurück zu Videospielen, schließlich soll dieser Text so sein wie sie, nämlich komplett ohne Bildungsanspruch.

Echte Autos sind mir also egal. Genauso wie echte Strecken. Nicht einmal echte Städte oder Länder muss es geben. Ob ich jetzt durch Osnabrück, Plettenberg, Dettensteft oder Hockensprock fahre, ist mir vollkommen egal. Spaß soll es machen. Und dreckig muss es sein. Erde, Matsch, Schmutz, Dreck, Steine, Holz, Pfützen, Geröll, ich könnte stundenlang so weitermachen. Wenn das Auto am Ende der Strecke nicht aussieht wie der schlimmste Albtraum von Menschen, die Küchenschwämme mit Gesichtern mögen, ist das für mich kein ordentliches Rennspiel.

Jetzt mal ganz ehrlich: Ich kann diese ganzen glattgeleckten Open-World-Stadt-Rennspiele überhaupt nicht leiden. Selten habe ich etwas Langweiligeres gesehen. Klar, wenn man so etwas von sich gibt, bekommt man umgehend etwas wie »Aber ›Burnout Paradise‹!« zu hören. Ja, ja, ja. Weiß ich doch. Es gibt ganz tolle Städte, durch die man in der Welt der Videospiele fahren kann, und die Städte haben ihren ganz eigenen Charakter. Wie die Insel aus »Lost«, nur mit mehr Autos.

Aber boah, sind Städte langweilig. Straßen, Stein, Metall und gerade, graue Flächen. Da können die Entwickelnden noch so viele Reklametafeln an Hauswände kleben, die nachts im Regen die feuchten Straßen erhellen. Und das typische »An dieser Stelle verlässt man die Stadt und fährt über Landstraßen und kann links und rechts Kühe sehen« kann mir ebenfalls gestohlen bleiben. Ist trotzdem alles Stadt und somit langweilig. Ich will nicht einfach nur rutschen, ich will vorher die ganze Rutsche mit Sand bestreuen, weil man dadurch schneller rutscht und am Ende aus der Rutsche geschleudert wird, sich weh tut und den Unsinn direkt wieder machen will, während hinter einem nörgelnde Eltern mit kleinen Besen den Sand von der Rutsche fegen, damit ihre Kinder sich nicht verletzen.

Als ich »Old School Rally« zum ersten Mal sah, kamen all diese Gedanken wieder in mir hoch. Und darum beschloss ich, dem Spiel einfach mal eine Chance zu geben. Und ich bereue es nicht. Es ist nicht das beste Rally-Spiel. Es ist auch nicht das Schmutzigste. Aber es hat mich wieder an ein Genre herangebracht, das ich lange Zeit vergessen hatte.

Der Titel ist hier übrigens Programm: »Old School Rally« will alt aussehen. Es imitiert den Grafikstil der ersten »Playstation« und ist sehr arcadig, also das Gegenteil einer realistischen Simulation. Hier muss ich aber auch gleich das wiederholen, was ich zuvor gesagt habe: Ich kenne mich nicht mit Autos aus. Ich weiß nicht, wie sich ein Fahrzeug verhalten sollte, wenn man mit neunzig km/h und gezogener Handbremse durch eine Kurve fährt. Ich kann nur sagen, ob es sich im Spiel gut anfühlt. Und ja, das tut es.

Ich weiß nicht, ob das Spiel unbedingt dieses Retro-Aussehen gebraucht hätte, aber da will ich natürlich niemandem in die eigene Vision reinquatschen. Selbstverständlich sieht es nicht wirklich aus wie damals. Dafür läuft es zu flüssig, hat eine zu hohe Auflösung und sieht dann irgendwie doch zu gut aus. Vor allem, wenn man den Filter ausstellt, der das Ganze aussehen lässt, als würde man gerade auf einem alten Fernseher spielen. Filter dieser Art stelle ich normalerweise immer sofort aus. Ich will Pixel sehen. Ich will fehlende Kantenglättung sehen. Ich will alles sehen und nicht einen Filter anstarren, der all die tollen Details verdeckt.

Dadurch sieht das Spiel letztendlich nicht mehr aus wie mein Großvater, sondern eher wie jemand, der sich auf einer merkwürdigen Karnevalsfeier als mein Großvater verkleidet hat. Man sieht, dass da irgendetwas nicht stimmt, aber gleichzeitig stört das nicht, schließlich ist ja Karneval. Das war jetzt kein guter Vergleich, denn ich verabscheue Karneval. Aber ich glaube, dass ihr versteht, was ich meine. Außer ihr kommt schon seit den »Fnords« nicht mehr mit, aber ganz ehrlich: Was macht ihr dann noch hier?

Ich bin nicht die richtige Person, um über Spielinhalte zu sprechen. Ich habe keine Ahnung, wie viele Strecken und Fahrzeuge es gibt. Klar, könnte ich nachzählen, aber das hier ist einfach nicht der Ort für solche Dinge. Das Spiel ist außerdem noch nicht fertig und bisher nur im »Early Access« erhältlich. Vermutlich kommen da noch Autos und Strecken dazu und vielleicht sind dann alle glücklich oder auch nicht. Keine Ahnung. Ich habe jedenfalls alle Errungenschaften geholt, die es zu diesem Zeitpunkt zu holen gibt, und hatte dabei sehr, sehr viel Spaß.

Ich glaube, dass das Beste, was ich über »Old School Rally« sagen kann, genau das ist, was ich weiter oben schon gesagt habe: Es hat mich wieder daran erinnert, warum ich Rally-Spiele früher so gemocht habe. Ich glaube, dass das tatsächlich ein großes Lob ist. Es hat so viel Spaß gemacht, dass ich mir direkt ein paar andere Rally-Spiele angesehen habe, die ich in nächster Zeit spielen möchte. Ein kleiner, fast vergessener Funke in meinem Inneren wurde auf einmal wieder größer. Und das nur dank »Old School Rally«.

Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass es da draußen bessere, umfangreichere, realistischere und so weiterere Rally-Spiele gibt. Vor allem ist das Spiel sehr, sehr einfach. Die Zeiten zu unterbieten, um während einer Rally-Tour weiterzukommen, ist ab einem gewissen Punkt überhaupt kein Problem mehr. Aber ist das schlimm? Kommt drauf an, was man haben möchte. Ich wollte Spaß und habe diesen bekommen. Nur der Kerl neben mir, der rally-typisch andauernd sagt, welche Kurven mich als nächstes erwarten, erinnert mich mit seiner Ansagegeschwindigkeit hin und wieder an meinen verstorbenen Großvater. Manchmal ist er zu langsam, manchmal sagt er gar nichts, aber ich glaube, dass die Beifahrenden in Rally-Spielen sind, wie die Baufahrzeuge in den alten »Command & Conquer«-Spielen: Sie können es einfach nie allen recht machen.

Zusammengefasst ist »Old School Rally« ein guter Einstieg in die Welt der Rally-Spiele. Man muss sich während der Fahrt auf die Strecke konzentrieren, aber letztendlich vergibt einem das Spiel den einen oder anderen Fehler und lässt eigentlich nie Frust aufkommen. Mit der Zeit versteht man, wie man in Kurven fahren und wann man die Handbremse einsetzen sollte. Was will man mehr? Klar, auch nach Stunden knalle ich immer wieder ins Gemäuer oder fliege von der Strecke. Ich habe nie behauptet, in diesen Spielen gut zu sein.

Für Momente des Scheiterns gibt es zum Glück einen hervorragenden Fotomodus, mit dem ich schon sehr viel Spaß hatte. Vor allem ist es unterhaltsam zu versuchen, so nah wie möglich an die Zuschauenden heranzufahren, um möglichst actiongeladene Screenshots zu machen. Selbstverständlich setzt einen das Spiel zurück, bevor man die Pixelmenschen in egal welcher Form berühren kann, trotzdem zieht eben jeder aus anderen Dingen Unterhaltung und ich mache nun einmal gerne merkwürdige Screenshots.

Ich hatte jedenfalls Freude an »Old School Rallys« Durch-die-Kurven-Rutschen und werde wieder einen Blick darauf werfen, wenn es neue Updates gibt. Vielleicht wird ja noch einmal am Schwierigkeitsgrad gedreht. Ist aber nicht nötig. Die eigentliche Herausforderung stellt sowieso man selbst dar, wenn man versucht, die eigenen Bestzeiten zu unterbieten.

»Old School Rally« ist gut. Nicht so gut wie ein Bauernhof. Aber trotzdem gut. Außerdem kann man einen Traktor freischalten. Und das hätte meinen Großvater bestimmt glücklich gemacht. Wobei, Moment, der hat mir das Spiel ja vererbt. Bestimmt wusste er das schon, schließlich war er total gut in Videospielen und hatte garantiert alles freigeschaltet. Rentner haben ja Zeit.

Hatte ich erwähnt, dass ich die Sache mit meinem verstorbenen Großvater nur erfunden habe, weil ich den Titel »Stardew Rally« so gut finde? In Kenia stehen übrigens Elefanten rum. Ich hoffe, dass diese Information für den Rest dieses Textes entschädigt.

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