Tunnelpartys

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Es ist wieder einmal passiert. Ein Mann wurde bei mir in der Gegend von einer oberirdisch fahrenden U-Bahn erfasst und erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Mein Beileid geht an die Familie und ich möchte dies auch gar nicht weiter thematisieren. Viel eher geht es mir um die nun losgetretene politische Deppenlawine. Es wird folgendes gefordert: Die komplette Eschersheimer Landstraße soll untertunnelt werden. Kosten: geschätzte 300 bis 350 Millionen Euro. Man hat ja immer irgendwo noch ein wenig Geld für sowas übrig.

Wie kommt man auf eine solche Idee? Ganz einfach: Die gigantischen U-Bahnunfallzahlen auf der Eschersheimer Landstraße rechtfertigen die Kosten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: In den 41 Jahren, in denen die U-Bahn mittlerweile rücksichtslos ihre Umwelt gefährdet, kamen bisher sage und schreibe, jetzt bitte festhalten, 32 Menschen ums Leben. Erschreckende Zahlen. Glücklicherweise liegt die jährliche Todesrate noch unter der Geburtenrate eines deutschen Durchschnittshaushalts. Jetzt heißt es: Schnell handeln, um den „worst-case“ zu vermeiden.

Man sollte vor allem auch folgendes bedenken: Laut Tageszeitung überquerte der Mann die Schienen trotz rot leuchtender Ampel. Die Schuld ist also auf jeden Fall bei der den Unfall verschuldeten U-Bahnlinie zu suchen. Der Mann konnte ja nicht ahnen, dass gerade eine U-Bahn auf ihn zukommt, die nicht umgehend anhält, wenn jemand die Schienen verbotenerweise überquert. U-Bahnen anderer Gegenden stoppen in solchen Fällen schließlich sofort. In anderen Stadtteilen bremst man sogar für Katzenbabys. Nicht aber auf der Eschersheimer Landstraße. Hier wird keine Rücksicht auf Verkehrsverstöße genommen.

Andere Parteien bieten dagegen etwas sparsamere Maßnahmen an. Es werden zum Beispiel Schranken gefordert, um eiligen Fußgängern den Weg zu versperren. Gut, bei Rentnern mag das aufgrund mangelhafter Bewegungsmöglichkeiten noch funktionieren, Jugendliche dagegen würden den Schutz einfach über- oder unterklettern und somit noch immer Opfer rücksichtsloser U-Bahnfahrer werden. Perfekte Sicherheit können Schranken definitiv nicht gewährleisten.

Andere Experten fordern stärker leuchtende Warmlampen. Das ergibt natürlich Sinn. Jemand, der eine rote Ampel ignoriert, wird sicherlich keine zwei roten Ampeln ignorieren. Vielleicht würde auch ein einziger großer Scheinwerfer genügen, der sich automatisch einschaltet, wenn sich eine böse Bahn nähert. Man kennt den Effekt ja bei Rehen, die regungslos in das Licht eines herannahenden Fahrzeugs starren. Auf Menschen übertragbar? Bestimmt. Von warnenden, grellen Blinklichtern würde ich dagegen abraten, da man es auf jeden Fall vermeiden sollte, Jugendlichen einen so gefährlichen Ort für hemmungslose Technopartys anzubieten.

Was ist nun also zu tun? Untertunnelung? Es bleibt wohl keine Alternative. Sind die Schienen erst einmal weg, hätte man auf der Eschersheimer Landstraße auch endlich noch mehr Platz für Autos geschaffen, die sich dann darauf rücksichtsvoll und zuvorkommend herumtummeln können. Fußgänger würden sich sicherlich darüber freuen, da dies eine Überquerung der Straße erleichtert und sicherer macht. Man könnte ja gleichzeitig auch noch zusätzliche Ampeln für die Fußgänger errichten. Um noch mehr Sicherheit zu gewährleisten. Man hält sich ja dran.

Hoffentlich werde ich über die Untertunnelung und die zu erwartenden Einsparungen beim Baumaterial rechtzeitig informiert. Ich wohne schließlich genau an der Eschersheimer Landstraße und würde gerne früh genug mit meinen Vermietern die Verstärkung des Fundaments besprechen. Nicht, dass ich eines Tages morgens aufwache und meine Abstellkammer ist plötzlich im neuen U-Bahntunnel versackt. Darin befinden sich wertvolle Gegenstände, die gerettet werden müssen. Zum Beispiel gesunder Menschenverstand.

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