Twitter-Würfeln – 1 – Amor beim Arzt

Die Regeln des Twitter-Würfelns sind ganz einfach. Ich würfel nacheinander neun Story-Cubes und schreibe anschließend eine Geschichte bestehend aus neun Tweets. Jeder Tweet bezieht sich auf einen Würfel. Die Reihenfolge der Würfel ist die, in der ich sie gewürfelt habe. Ich darf die Reihenfolge der Würfel nicht mehr ändern. Das war es auch schon. Wer die Geschichten live verfolgen möchte, kann das auf Twitter machen. Um die Texte irgendwo zu sammeln, packe ich sie zwei Wochen nach Erscheinen auf diese Seite.

Amor beim Arzt

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1/9 Etwas fühlte sich anders an. Als Amor seine Waffen ablegte, wusste er nicht, wie es weitergehen sollte. Etwas hatte sich verändert. Etwas war verschwunden. Er konnte nicht mehr. Er traf nicht mehr. Er gab sich keine Mühe mehr. Er wollte nicht mehr. Aufhören. Schluss machen.

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2/9 Schritt für Schritt stieg er hinab auf die Erde. Den Ort, der seinen Arbeitsplatz darstellte. Als er ankam, sah er sich um. Überall traurige Gesichter. Hass, Wut, Verzweiflung, Trauer, Langeweile, Depressionen, Angst, Neid. Alle waren wie er. Er war wie sie. Etwas fehlte.

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3/9 Er lief durch die Straßen. Ziellos. Warum Ziele setzen? Alles war hoffnungslos. Alle brauchten ihn, niemand wollte ihn. Man rempelte ihn an. Man erkannte ihn nicht. Eher zufällig sah er an einem Haus das Türschild eines Arztes. Er trat ein. Offene Sprechstunde. Wartezimmer.

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4/9 Die Versichertenkarte war gefälscht. Für ihn kein Problem. Man rief ihn auf. Der Arzt war alt. Er stellte viele Fragen, Amor gab viele Antworten. Der Arzt frage nach den Beschwerden. Amor antwortete, dass er sich nicht gut fühle. Der Arzt kommandierte ihn auf die Liege.

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5/9 Amor beschrieb den brennenden Schmerz in seinem Innern. Der Arzt hörte zu, runzelte die Stirn, tastete ihn ab und schüttelte den Kopf. Offensichtlich hatte er einen Verdacht, wollte aber erst sichergehen. Darum wurde weiter untersucht. Amor musste sich vollständig ausziehen.

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6/9 Selbst die Vorhaut wurde untersucht. Die Eichel glänzte, Amors Speichel war klar, Nase und Ohren funktionierten, alles war in Ordnung. Trotzdem war der Arzt mit der Diagnose unzufrieden. Er ließ Amor sich wieder ankleiden. Dann setzte er sich zu ihm. »Ich kenne Ihr Problem.«

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7/9 »Sie sind innerlich kalt. Sie tragen keine Liebe mehr in sich. Die Zeiten sind hart. Alle schreien, alle brüllen, alle hassen, alle meckern und wenn selbst Sie nicht mehr lieben können, ist alles aus. Wie soll man Liebe geben, wenn man keine mehr hat?« Der Arzt wurde traurig.

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8/9 Amor sah den Arzt an. »Ich verstehe. Es ist meine Schuld.« Er verließ die Praxis. Der Arzt rief ihm hinterher: »Nein, es ist unsere.« Amor ging wieder hinauf, griff zu seinen Waffen, fühlte sich gut, atmete tief ein und aus. An die Arbeit. Es war schwer. Viele wichen ihm aus.

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9/9 Er blieb hartnäckig, zielte, schoss daneben, zielte erneut und traf. Die Menschen hatten vergessen, sich ihm hinzugeben. Sie hatten Angst davor, schotteten sich ab, bauten innerlich Mauern, rannten davon. Aber er gab nicht auf. Und so fand er wieder, was er verloren hatte.

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