Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann ich zuletzt bewusst ein “Early Access”-Spiel gekauft habe. Billig-Bundles zählen hier übrigens nicht. Was da immer alles für Schund bei ist, passt auf keine Kuhhaut. Außer vielleicht auf eine digitale Kuhhaut. Bestimmt habe ich total viele “Early Access”-Spiele, die ich gar nicht spiele, geschweige denn kenne. Nur an eines kann ich mich gerade erinnern: “Minecraft”. Aber als ich “Minecraft” erstand, gab es den Begriff “Early Access” glaube ich noch gar nicht und ich glaube auch, dass “Minecraft” ihn in gewisser Weise erst eingeführt hat. Aber lasst uns hier nicht über solche Kleinigkeiten reden. Und vor allem nicht über Spekulationen ohne Recherchearbeit. Das kann nur peinlich für mich enden. Die größeren Fragen lauten sowieso “Warum nicht?” und “Warum jetzt?”.
Die Kurzfassung: “Warum nicht?” Normalerweise setze ich bei Steam “Early Access”-Spiele auf meine Folgen-Liste und warte ab. Es macht mir Spaß, Patchnotes zu lesen, da diese einem in unregelmäßigen Abständen zeigen, was an einem Spiel gemacht wird und welche Funktionen man im Hauptspiel erwarten kann. Das weckt Vorfreude. Oder Ernüchterung. Gleichzeitig laufe ich somit nicht Gefahr, von einem Spiel genug zu haben, bevor es überhaupt fertig ist. “Minecraft” ist hier ein schönes Beispiel. Ich habe so viel Zeit in der Beta-Version verbracht, dass der 1.0-Release mich im Grunde gar nicht interessierte. Es kamen sowieso immer wieder neue Sachen dazu. Irgendwann hörte ich einfach auf zu spielen. Ich sollte aber auch gestehen, dass “Minecraft” eigentlich gar kein so gutes Beispiel ist. Ich habe mehrere Hundert Stunden in diesem wundervollen Spiel verbracht und mehr erlebt, als in vielen anderen Spielen zusammen. “Early Access” hat mich bisher einfach nicht groß interessiert. Es gibt genug fertige Spiele, die ich noch nicht gespielt habe.
“Warum jetzt?” Schuld hat meine Frau. “Stranded Deep” hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm und ich hätte es bei Steam vermutlich übersehen, wenn sie mich nicht plötzlich darauf angesprochen hätte. Als ich die Seite des Spiels aufrief und “Open-World-Sandbox-Survival-Game” las, rollte ich zunächst mit den Augen. Sofort hielt ich Ausschau nach den Worten “Multiplayer” und “Zombies”, um das Spiel für immer unter einem Haufen Vergessenheit zu begraben. Ich fand nichts davon und mein Interesse wuchs. Dann befand sich das Spiel plötzlich in meiner Steam-Bibliothek. Meine Frau war ziemlich angetan von der Idee hinter “Stranded Deep”. Leider spielt man aus der Ego-Perspektive und wegen dieser verdammten Motion-Sickness kann sie Spiele dieser Art nicht spielen. Das ist ärgerlich und schade. Damit sie sich das Spiel trotzdem ansehen konnte, schenkte sie es einfach mir und ließ mich spielen, während sie sich neben mich setzte und zuguckte, bis es nicht mehr ging. Was für eine Abenteuergeschichte. Sollte ich der Motion-Sickness nun dankbar sein? Dank ihr habe ich ein neues Spiel und mit meiner Frau eine schöne Zeit auf einer Insel verbracht. Ja, wenn man es so formuliert… nein. Dumme Motion-Sickness. Hau endlich ab!
Wie auch immer. Ich habe nun “Stranded Deep” und wenn man ein Spiel schon hat (und vor allem von der eigenen Frau geschenkt bekam), dann muss man es auch spielen. Das ist so ein Grundsatz, der hier im Hause irgendwann eingeführt wurde. Kauf Spiele, wenn du sie spielen willst und spiel sie dann auch. Und kauf erst wieder neue Spiele, wenn du die alten gespielt hast. Klingt verrückt, funktioniert aber ganz gut. Das ist vielleicht eher ein Thema für einen anderen Text.
“Stranded Deep” befindet sich zum Zeitpunkt dieses Textes auf Version 0.01.H1. Das ist extrem früh. Das H1 steht übrigens für “Hotfix 1”, ein Patch, der kurz nach Release veröffentlicht wurde, um zu verhindern, dass sich die Rettungsboote beim Übers-Meer-Paddeln einfach so unter den Füßen der Spieler auflösen. Eine sinnvolle Verbesserung. Hoffentlich geht es so weiter.
Um mich endlich mal wieder einer gewissen Form von Struktur zuzuwenden, beschreibe ich nun das Spiel. Ganz professionell und mit seriösem Gesichtsausdruck beim Schreiben. Wenn ihr mich gerade sehen könntet! Ihr würdet mir die “PC Games” schenken. Gibt es die eigentlich noch? Haha. Referenzen ohne Sinn. Das ist wie Ärzte ohne Grenzen, nur eben mit Referenzen und Sinn. “Stranded Deep” beginnt damit, dass man in einem Privatjet sitzt, durch Turbulenzen fliegt und sich während des Tutorials einen Martini zubereitet. Ganz ehrlich? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Martini getrunken und als ich vom Spiel dazu aufgefordert wurde, mein Martiniglas vor dem Trinken kurz anzuzünden, verschwand mein Interesse an dem Getränk schlagartig. Ich schlürfte ihn trotzdem (Das Spiel zwingt einen zum Alkoholkonsum! Wo sind die Aufreger, wenn man sie braucht!) und warf einen Blick auf den im Flugzeug montierten Bildschirm, der mir die Flugroute anzeigte. Ein kurzer Abgleich mit Google-Maps bestätigte mir, dass ich mich nicht nur über dem Pazifischen Ozean befand, sondern auch in der Nähe von Hawaii, dem Drehort der Serie “Lost”. Ich grinste und erwartete einen Flugzeugabsturz. Ich wurde nicht enttäuscht.
Man findet sich auf einem Rettungsboot mitten im Ozean wieder. Vor einem befindet sich eine kleine Insel, die man selbstverständlich sofort anfährt. Fester Boden und so.
Die Welt von “Stranded Deep” funktioniert folgendermaßen: Wie in “Minecraft” ist das Spiel theoretisch unendlich groß. Die Welt wird während des Spielens generiert. Fahre eine Stunde lang in eine Richtung, und du wirst niemals an eine künstliche Levelgrenze stoßen. Vermutlich kollidierst du hin und wieder mit einer Insel, aber das ist nun wirklich nichts, was man nicht vermeiden könnte. Die Inseln sind allesamt recht klein. Laufe grob geschätzt zwanzig Schritte geradeaus und das war es auch schon wieder. Das ist meiner Meinung nach eine interessante Spielmechanik, da sie einen zu Erkundungstouren zwingt. Auf jeder Insel liegen Steine und Äste herum, die man einsammeln kann. Mit dem Taschenmesser schlägt man ein paarmal auf eine Yucca-Palme ein und erhält Schnüre. Werft nun einen Stock, einen Stein und eine Schnur auf den Boden, klickt mit der linken Maustaste auf den so entstandenen Haufen und ihr erschafft eine Axt. So funktioniert das Crafting im Spiel. Werft Zeug aufeinander und guckt, was passiert. Die Möglichkeiten sind aktuell noch recht begrenzt. Momentan stehen auf meiner Crafting-Liste vierzehn Gegenstände. Das ist nicht viel, aber ich betone noch einmal: Version 0.01.H1. Immerhin verschwinden die Boote nicht mehr.
Der Rest muss vermutlich gar nicht mehr groß erklärt werden. Baut eine Axt und ihr könnt Bäume fällen. Fällt Bäume, um an Stöcke und Palmwedel zu kommen. Errichtet ein Lagerfeuer, grillt Krebse, trinkt Kokosnüsse leer und baut euch ein kleines Häuschen. In der bisherigen Version kann man zwar noch nicht viel machen, aber: “Stranded Deep” hat eine großartige Atmosphäre und ich muss zugeben, dass ich lange nicht mehr eine so starke “Lust auf mehr” verspürt habe wie hier.
Nach wenigen Minuten im Spiel kommt ein Gefühl der Isolation und Einsamkeit in mir auf. Man steht auf seiner kleinen Insel mit ein paar Steinchen und Bäumchen und ist umgeben von Wasser. Am Horizont erkennt man weitere Inseln, doch liegt zwischen ihnen der riesige Ozean. Man selbst besitzt lediglich ein kleines Rettungsboot und ein Paddel. Bevor man sich auf die Reise begibt, müssen grundlegende Dinge erledigt werden. Ein bisschen Werkzeug herstellen und vor allem: Essen und Trinken sammeln. Sammelt man eine Kokosnuss, kann man diese mit Hilfe von Werkzeug anstechen und austrinken. Danach haut man ein paarmal auf sie drauf und erhält zwei Hälften, die einen ein wenig sättigen. Auf jeder Insel findet man genügend Kokosnüsse, um einen gewissen Zeitraum zu überleben. Bevor die Kokosnüsse ausgehen, muss man sich aber nach Alternativen umsehen. Krebse fangen und über dem Feuer grillen ist schon mal eine gute Möglichkeit. Ich will das Spiel jetzt aber gar nicht in seine Einzelteile zerlegen. Man muss überleben und bisher ist die Gefahr des Verhungerns recht gering. Theoretisch kann man von Insel zu Insel paddeln und sich wochenlang von Kokosnüssen ernähren.
Was ich an “Stranded Deep” so mag, ist die bereits angesprochene Atmosphäre. Man befindet sich in einer Art Paralleldimension. Den “Lost”-Vergleich habe ich ja bereits angesprochen. Wo auch immer man sich gerade befindet, Hoffnung auf Rettung muss man sich erst einmal nicht machen. Alleine die Vorstellung, nach einem Flugzeugabsturz in einer anderen Dimension festzusitzen, finde ich klasse. Dieses Gefühl des Unbekannten wird aber noch dadurch verstärkt, dass man überall auf Schiffswracks stößt. Auf Inseln liegen irgendwelche Überreste von Schiffen herum und manchmal steht sogar ein angeschwemmtes Schiff am Strand.
Befindet man sich mit seinem Mini-Floß auf dem Meer, stößt man plötzlich auf einen aus dem Wasser ragenden Mast. Man springt ins Wasser und findet ein versunkenes Schiff. Atmosphärisch ist das mehr als gut. Ich fühle mich wirklich wie ein Gefangener in einer anderen Dimension, der nach Anhaltspunkten sucht, was hier los ist. Und feststellt, dass er nicht der Erste ist, der hier sein Glück versuchen musste.
Die Suche nach Schiffen wird belohnt: An Bord stößt man auf Schränke und Kisten voller Zeug. Sauerstoffflaschen, Medikamente, Werkzeug, Kompasse, Taschenlampen und vieles mehr kann man hier finden. Die Fundsachen schleppt man auf die eigene Hauptinsel und legt sich so nach und nach ein Lager an. Solarlampen werden aufgestellt, um auch in der Nacht etwas sehen zu können, und mit den Taschenlampen kann man beim Wracktauchen endlich alles erkennen. Zum Beispiel die heraneilenden Haie.
Die Haie. Ich sage es euch. Fantastisch. Befindet sich eine dieser Kreaturen in eurer Nähe, ertönt bedrohliche Musik. Das ist vergleichbar mit der Monstermusik in “Amnesia: The dark descent”, nur irgendwie effektiver. Unter Wasser und ohne Bewaffnung kann man nicht viel ausrichten. Wird man von einem Hai geschnappt, beißt dieser zu und schleift einen ein bisschen mit sich. Nach ein paar Attacken dieser Art ist man hinüber und darf von vorne beginnen (oder den letzten Spielstand laden). Bisse sorgen gleichzeitig dafür, dass man blutet. Das lockt noch mehr Haie an. Eine Wrackerkundung endete einmal damit, dass ich von drei Haien umringt war und gleichzeitig den Ozean vollblutete. Ohne Verband ist man hier aufgeschmissen. Verbandszeug kann man momentan übrigens nicht selbst herstellen, sondern nur in Schiffwracks finden. Hat man nach einem Haibiss kein Verbandszeug dabei, verliert man regelmäßig einen Teil der eigenen Lebensenergie. Das passiert auch aus anderen Gründen. Haltet euch zu lange in der Sonne auf und ihr bekommt einen Sonnenbrand. Berührt giftige Dinge unter Wasser, und ihr seid vergiftet, was sich dadurch bemerkbar macht, dass ihr am ganzen Körper von Blasen und Ausschlag übersät seid. Oh, und fallt ihr von einer Palme, brecht ihr euch gerne mal den Arm. Kein schöner Anblick. Euer Arm ist übrigens momentan der einzige Teil eures Körpers, den ihr sehen könnt. An diesem befindet sich nämlich eine Uhr, die euch neben Uhrzeit und überlebter Tageszahl eure Gesundheit sowie Hunger und Durst anzeigt.
Ich komme nun zum Ende dieses Textes. Dafür, dass man in “Stranded Deep” nicht viel anstellen kann, habe ich bereits sehr viel Zeit mit dem Spiel verbracht. Steam sagt neun Stunden. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Der Entwickler hat eine Art Patch-To-Do-Liste erstellt, die man sich jederzeit ansehen kann. Ich bin gespannt. Gleichzeitig muss ich aber auch eine Warnung aussprechen: Das Spiel ist noch übelst unfertig. Letztens fielen alle meine gesammelten Gegenstände durch den Boden meiner Hütte und blieben dort unerreichbar für mich stecken. Manchmal verschwinden Dinge. Hin und wieder hört man mitten auf einer Insel die Haimusik und rechnet mit dem Angriff der Sand Sharks.
“Stranded Deep” ist noch lange nicht fertig und voller Fehler. Aber mir hat es bereits jetzt viel Spaß gemacht. Sich mitten auf dem Ozean zu befinden, während sich plötzlich eine Nebelwand um einen herum ausbreitet, ist erschreckend. Die Angst, die Heimatinsel nicht mehr wiederzufinden, kann einen verrückt machen. Die Freude, in einem Schiffswrack einen Kompass zu finden, ist unbeschreiblich.
Tja. “Stranded Deep” könnte richtig gut werden. Muss es aber nicht. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, schraube meine Erwartungen aber erst einmal runter. Ich bin gespannt, was in den nächsten Wochen kommen wird. Vielleicht melde ich mich dann noch einmal. Bis dahin rudere ich noch ein wenig zwischen den kleinen Inseln hin und her und halte Ausschau nach Geheimnissen. Und Walen. Die soll es nämlich ebenfalls geben. In den Steam-Foren lese ich hin und wieder davon, wie Wale aus dem Nichts über der Heimatinsel irgendeines Spielers erscheinen, auf die Insel fallen und alles Gesammelte durch die Gegend fliegen lassen. Einen solchen Moment sehne ich ein wenig herbei. Ob man in einem der vielen Schiffe gar einen Petunientopf finden kann? Ich werde die Patchnotes im Auge behalten.