Karpador Jump – 50 Generationen später

Karpador Jump - 50 Generationen später

“Karpador Jump” ist niedlich, bunt und repetitiv. Es ist also im Grunde wie “Dark Souls”. Einmal habe ich in “Dark Souls” einem riesigen Schwein eine Axt in den Po gerammt und anschließend den Helm des ziemlich genervt dreinschauenden Tiergesellen getragen. Das war niedlich. Und einmal war da diese Stelle, da war alles grün, weil man im Wald war, aber da liefen gleichzeitig diese weißen Steintypen rum und ich dachte nur so: “Boah, ist das bunt.” Und dann bin ich immer wieder gestorben und musste wieder und wieder von vorne anfangen. Immer wieder die gleichen Wege. Immer wieder die gleichen Widersacher. Aber ich wurde gleichzeitig auch immer wieder ein bisschen besser. Bis diese blöden Schlangentypen auftauchten. Da habe ich dann aufgehört. Weil die wirklich richtig beschissen waren.

Karpador Jump - 50 Generationen später

“Karpador Jump” ist niedlich, bunt und repetitiv. Es ist also im Grunde wie “Dark Souls”-Vergleiche. Immer, wenn ich einen lese, denke ich mir: “Och, wie niedlich. Da fällt einem Schreiber oder einer Schreiberin nichts ein, wodurch Vergleiche aus der Versenkung geholt und jedwedes Ansehen im Tümpel der Vergleiche versenkt werden müssen.” Schwere Spiele sind wie “Dark Souls”. Düstere Spiele sind wie “Dark Souls”. “Dark Souls”, “Dark Souls”, “Dark Souls”. Oder noch besser: “Soulslike”. Ich freue mich bereits auf “Soulslikelite”. All das ist wirklich furchtbar niedlich. “Furchtbar” meine ich hier im Horrorsinne. Es ist zum Fürchten. Es ist unkreativ. Aber gleichzeitig unglaublich bunt. Was für buntes Geschwätz sich die Leute aus ihren Fingern saugen, um ein Spiel mit “Dark Souls” zu vergleichen, ist beeindruckend. Aber letztendlich liest man sowieso immer das Gleiche. “Wenn ich hier jetzt “Dark Souls” erwähne, dann wissen alle, was ich meine und ich kann mich auf die Unterschiede konzentrieren. Mein Leben ist dadurch viel einfacher geworden. Vor allem, weil die Erwartungshaltung meiner Leserinnen und Leser an zukünftige Texte so sehr gesunken ist, dass ich schon bald den letzten hingerotzten Hinrotz abliefern kann, ohne jemanden damit zu enttäuschen.” Einmal erzählte ich meiner Oma, dass Religionen, die an Wiedergeburt glauben, wie “Dark Souls” sind. Ich wurde enterbt und mit einer aus Stützstrümpfen und Gehstöcken konstruierten Schleuder mit Gebissen beschossen. Das ist natürlich gelogen. Keine Lüge ist es, dass ich es schlimm finde, Videospiele mit Hilfe der Unterschiede zu anderen zu definieren.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Was also IST “Karpador Jump”? Man spielt ein menschliches Wesen, das eine Stadt betritt, in der man so besessen von Sprungwettbewerben unter Tieren ist, dass man eine ganz bestimmte Fischsorte aus dem Meer zieht, sie trainiert, in Sprungwettbewerben gegeneinander antreten lässt, bis sie zu alt ist, und anschließend wieder einen neuen Jungspund aus dem Wasser holt. Als Spielerin oder Spieler ist man vollkommen angetan von der Idee und macht sofort mit. Nach dem Griff zur Angel hat man den ersten Gesellen gefangen und beginnt sogleich die Ausbildung, die daraus besteht, dass man den Fisch an Land gegen einen Sandsack springen lässt. Wer jetzt die Frage stellt, warum Fische an Land überleben können, beweist lediglich, dass ihm oder ihr all die anderen Dinge, die ich gerade aufgelistet habe, vollkommen egal sind, was die Beantwortung der Frage nach dem Überleben von Nasswesen auf dem Trockenland hinfällig macht. Die Beantwortung von Logikfragen in Videospielen zaubert mir sowieso Gänsehaut auf die Haut. Nein. Moment. Dann hätte ich zwei Häute. Sie produziert Gänsehaut. Wie auch immer. Ich mag es nicht, wenn man plötzlich Konzepte aus Spielen auf unsere Welt überträgt und dabei lustig sein will. Ja, ja. Mario isst Pilze. Das ist lustig, weil Pilze in unserer Welt Drogen sind, also ist Mario immer auf Drogen und das erklärt so einiges. Und in Pokémon fängt man andauernd Lebewesen, steckt sie in kleine Bälle und lässt sie darin verrotten. Das ist auch total übel und hart für meine arme Seele. Wisst ihr, was der Knüller ist? In Tetris fallen Steine vom Himmel. Gottbehüte.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Ist das eigene Karpador dreimal gegen den Sandsack gesprungen, hat es nicht nur einiges an Stärke gewonnen, sondern darf zudem eine halbe Stunde lang nicht mehr gegen Säcke springen. Jede halbe Stunde erhält man die Möglichkeit, einmal zu trainieren. Man kann drei Trainingspunkte ansammeln, ab dann muss man erst einen verbrauchen, um einen neuen zu bekommen. Zwischen den Trainingseinheiten kann man das Karpador im Aquarium beobachten, wo alle paar Sekunden Essen erscheint, das man mit dem Finger berühren kann, damit Karpador das Zeug frisst. Auch das macht es stärker. Menschen, die gerne mit den Fingern im Essen anderer herumwühlen, müssen sich also nicht mehr stundenlang an der Salattheke im Supermarkt aufhalten und ihre zuvor im eigenen Poloch versenkten Fingerspitzen durch den Krautsalat rotieren lassen, sondern können ganz entspannt zum Handy greifen und zu Hause ihrem Hobby nachgehen.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Irgendwann hat Karpador seine maximale Stufe erreicht und kann nicht mehr besser werden. Dann lässt man es ein letztes Mal in einem Turnier antreten, um es anschließend durch ein neues zu ersetzen. Die Spielerinnen und Spieler sammeln in der Zeit ebenfalls Erfahrungspunkte, was dafür sorgt, dass sie beim nächsten Mal ein stärkeres Karpador ihr Eigen nennen dürfen, das eine höhere Maximalstufe erreichen und somit auch höher springen kann.

Karpador Jump - 50 Generationen später

“Karpador Jump” ist unglaublich simpel und darum wie “Dark Souls”. Das war natürlich nur ein Scherz. SO simpel ist es nun auch wieder nichts. Konzentriert sich “Dark Souls” auf eine Heldin oder einen Helden, kann man in “Karpador Jump” zusätzliche Pokémon kaufen, die am Rand des Aquariums herumsitzen und einem hin und wieder Boni einbringen. Mein Relaxo lässt momentan beispielsweise etwa alle fünfzig Minuten fünfzehn Einheiten Futter erscheinen. Was ich mit Hilfe von Bonbons sogar noch verbessern könnte. Ja, ich weiß. Ich bin auch ganz außer Puste vor Beeindruckung.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Im Grunde macht man also immer das Gleiche: Karpador angeln, Karpador verbessern, in Turnieren antreten, neues und wahrscheinlich besseres Karpador angeln und so weiter. Man kann nicht verlieren. Zwar kann das eigene Karpador während Zufallsereignissen zum Beispiel von einem Tauboga gefressen werden, aber holt man sich dann halt einfach einen neuen Fisch. Man baut zu den eigenen Tieren keine Bindung auf, da man sich sowieso immer auf das nächste freut, weil dieses besser sein wird als das aktuelle. Aber eigentlich muss man sich gar nicht freuen, weil ein stärkeres Karpador lediglich bedeutet, dass man zu den stärkeren Gegnern kommt, was das Ganze wiederum ausgleicht. Man denkt, etwas zu erreichen, erreicht aber eigentlich gar nichts. Die Zahlen werden größer. Alle. Die eigenen und auch die der Gegner. Ich verdiene zwar mehr Geld, gleichzeitig kostet das Verbessern des Futters aber auch mehr. Es ist wie ein Lauf auf dem Laufband. Man bekommt mehr Ausdauer, kommt aber trotzdem nicht vorwärts, weil das Band dann eben eine halbe Stunde länger läuft. Man wird schneller, kommt aber trotzdem nicht vorwärts, weil sich das Laufband an die Geschwindigkeit der Läuferinnen und Läufer anpasst. “Karpador Jump” spielt sich in den ersten fünf Minuten genauso wie in den folgenden zwanzig Stunden. Nur die Zahlen werden größer.

Karpador Jump - 50 Generationen später

“Karpador Jump” ist ein unglaublich gutes Spiel, das mich jetzt seit ein paar Tagen viele, viele Stunden an mein Handy gefesselt hat. Ich lasse mein Handy tagsüber eingeschaltet neben mir am Schreibtisch liegen und sammle jedes Stück Futter ein, das sich in mein Aquarium wagt. Gehe ich raus, unterbreche ich “Pokémon Go”, um kurz zu schauen, ob ich wieder trainieren kann. Ich will besser werden. Ich will Fische fangen. In allen nur erdenklichen Farben. Die Zahlen sollen größer werden. Ja, ich glaube, darauf kann man das alles reduzieren: Die Zahlen sollen größer werden. “Karpador Jump” ist ein Spiel voller Befriedigung. Man wird immer und immer besser. Egal, was ich mache, die Zahlen werden größer. Ich verringere die Zahl meines Geldes, um andere Zahlen zu erhöhen. Oder das Erhöhen anderer Zahlen zu beschleunigen. Karpador soll wachsen. Mein Charakter soll wachsen. Alles soll größer werden. Vor allem die Zahlen.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Mehr hat dieses Spiel tatsächlich nicht zu bieten. Es ist die berühmte Möhre an der Angel. Nur bekommt man die Möhre hin und wieder zu fassen. Wodurch jedoch eine neue Möhre an die Angel gehängt wird, die ein ganz kleines bisschen größer als die vorherige ist. Ein Erfolg ist lediglich der erste Schritt in Richtung eines besseren Erfolges. Das Belohnungssystem im eigenen Gehirn vollführt wie Karpador Luftsprünge, die ebenfalls immer ein kleines bisschen höher werden.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Mir ist das Spiel unglaublich sympathisch. Ich mag die Ästhetik. Ich mag Karpador. Ich mag die Tatsache, dass es da draußen eine Stadt gibt, in der das im Kampf vermutlich nutzloseste Pokémon vom Kämpfen befreit und zu einem Athleten ausgebildet wird. Wenn sich Karpador plötzlich über einhundert Meter in die Luft erhebt, bin ich stolz auf das, was ich da produziert habe. Ich bin ein Züchter, der immer bessere Ergebnisse zutage fördert. Die anderen Charaktere im Spiel sind mit ebenfalls sehr sympathisch. Der Bürgermeister, der nicht nur ein unglaublich guter Masseur ist, sondern hin und wieder Informationen über Karpador preis gibt, die wirklich jeder kennt, niemanden interessieren und auch im Spiel absolut nichts bringen. Und dann ist da noch die Wissenschaftlerin, die wirklich alles daran setzt, mich bei der Zucht zu unterstützen, dabei aber nicht immer gute Arbeit leistet. Und Angelo, der Angelverkäufer. Und Mr. Riös. Zuletzt möchte ich noch Tauboga erwähnen, ein ebenfalls nur allzu oft ignoriertes Pokémon, stellt es doch die Zwischenform zwischen Taubsi und Tauboss dar. Wer interessiert sich schon für Tauboga? Ich tue es. Tauboga ist der Antagonist von “Karpador Jump”. Tauboga ist besessen von Karpador. Immer wieder schnappt es sich einen meiner treuen Fischkumpel, um ihn zu verspeisen. Blödes Tauboga.

Karpador Jump - 50 Generationen später

Als ich diesen Text begann, hatte ich gerade meine fünfzigste Karpadorgeneration namens “Warpador” in Rente geschickt. Jetzt, am Ende meiner Schreibarbeit, schicke ich “Gummersbador” in Rente und bereite mich auf die Ankunft von “Hammpador” vor, Generation 61. Außerdem kam heute ein Update raus: Eine neue Liga, mehr Level, mehr Futter, mehr Trainigsmöglichkeiten oder, um es kurz zu machen: Die Zahlen können jetzt noch größer werden. “Karpador Jump” ist ein unglaublich gutes Videospiel. Ich kann jeden verstehen, der es langweilig findet. Der es für dumm hält. Der es nicht länger als ein paar Minuten spielen kann und sich dann gelangweilt anderen Dingen widmet. Wirklich. Aber ich finde es großartig. Die Zahlen werden immer größer. Sie werden einfach immer und immer größer.

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