Genürsel 2014 – 37/52 – Skandal

Ich bin fasziniert von Lebensmittelskandalen. Wenn Zeitungen davon berichten, dass sich zwischen den veganen Salamischeiben im Supermarkt auf einmal Überreste alter Autoreifen aus Chernobyl kurz nach dem Reaktorunfall wiederfinden lassen, ruft mir das stets in Erinnerung, wie wenig ich über die Herstellung der Dinge weiß, die ich Tag für Tag in mich reinschaufel.

Ich stelle mir immer wieder gerne vor, wie ich reagieren würde, wenn ich nach dem Einkauf auf einen solchen Skandal stoßen würde. Ich kaufe das Fertigreisgericht im Supermarkt, reiße den vakuumverpackten Becher auf, in dem sich eigentlich der Reis befinden sollte und stelle erstaunt fest, dass sich in dem Becher gar kein Reis, sondern Maden befinden.

Diese Vorstellung hat sich übrigens seit dem Tag in mein Gedächtnis eingebrannt, an dem ich eine Dokumentation über Maden gesehen und mir anschließend den eben angesprochenen Reis zubereitet hatte. Leider funktioniert mein Gehirn manchmal so. Realität, Gesehenes und meine Fantasie treffen aufeinander und erschaffen etwas mir Unangenehmes. Ich kann es nicht verhindern. Aber eigentlich will ich das auch gar nicht. Irgendwie ist es ja lustig. Außer, man mag Reis.

Eigentlich habe ich ja gar nichts gegen Maden. Aber die Vorstellung, einen Becher gefüllt mit ihnen in Händen zu halten, ist dann doch ein wenig unangenehm. Außerdem muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Reiskörner wirklich eine erschreckende Ähnlichkeit mit Maden hatten. Weiß, ein wenig feucht, dunkle Stellen an den Enden. Da liegt es Nahe, noch einmal genauer hinzugucken.

Grundsätzlich wäre ich aber trotz allen Ekels gerne die Person, die feststellt, dass man ihr den Fertigreis madig gemacht hat. Schon alleine wegen des Fotos für die Lokalzeitung. Grimmig würde ich einer Reporterin in die Kamera gucken und den Madenbecher mit einer Hand in die Höhe halten, während ich die andere in die Seite stemme, um meine Grimmigkeit weiter zu untermauern und die Welt darüber zu informieren, dass es so etwas früher nicht gegeben hätte. Vielleicht würde ich mich dafür vor die Rosenhecke in der Nachbarschaft stellen, damit der für Nachbarschaftsskandalfotos angemessene blumige Gartenhintergrund gewährleistet werden kann. Ob die Reporterin sich wohl über ihren Auftrag freuen würde? Oder würde sie mich die ganze Zeit darauf hinweisen, dass Maden aus meinem Becher purzeln, während ich ihn vor die Rosen halte?

Eine Person wäre ich aber definitiv nicht gerne, und zwar die, die feststellt, dass sich da in ihrer Wassermelone gar keine Kerne, sondern mit Blut vollgesogene Zecken befinden. Da nimmst du einen Bissen Melone zu dir und plötzlich haben sich allerlei dicke Zecken in deinem Mund verbissen, um diesen auszusaugen. Würde man damit zum Haus- oder zum Zahnarzt gehen? Würden sich Zecken überhaupt im Mundinneren eines Menschen einnisten? Man könnte das an dieser Stelle selbstverständlich in eine Suchmaschine eingeben und schauen, was deren Bildersuche ausspuckt, jedoch möchte ich meine wunderschöne Welt der Fantasie noch nicht verlassen und mit Bildern der Realität überschreiben.

Viel lieber stelle ich mir vor, wie ich mit weit aufgerissenem Mund vor einer Rosenhecke stehe, während mir eine Fotografin ihr Kameraobjektiv in den Rachen drückt, um auch ja jede einzelne vollgesogene Zecke auf das Bild zu bekommen. Bräuchte man dafür überhaupt eine Rosenhecke? Vermutlich schon. Die Menschen können spüren, ob das Bild authentisch ist oder nicht.

Vielleicht hilft die Situation zumindest bei der Zahnreinigung? Zecken gegen Zahnfleischbluten? Einfach ein paar Zecken in die Zahnzwischenräume stecken und diese von den Tieren freisaugen lassen. Zahnzecken statt Zahnseide. Anschließend nach dem Zähneputzen die Zecken aus der Bürste ziehen. Die Tiere kann man bestimmt wiederverwenden. Nach der Reinigung einfach auspressen, zurück in die Zeckenschale und neben den Madenbecher in den Badezimmerschrank.

Wie auch immer ich die Zahnpflegeindustrie nach meinem aufgedeckten Lebensmittelskandal revolutionieren würde: Melonen würde ich nach dieser Geschichte vermutlich keine mehr essen.

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