Genürsel 2013 – 33/52 – Ozean

Genürsel 2013 - 33/52 - Ozean

Was man für ein Leben im Ozean definitiv nicht braucht, sind Schwimmflügel. Man will ja im Ozean leben und nicht auf ihm schwimmen. Ich weiß das, weil ich gerade eine Liste erstelle. Für Dinge, die man nicht braucht, wenn man im Ozean leben will. Ich habe natürlich auch eine zweite Liste. Dinge, die man braucht, wenn man im Ozean leben will. Auf der stehen aber nur langweilige Dinge wie “wasserfestes Brot”. Die offensichtlichen Sachen halt.

In der Schule hatte ich mal einen Lehrer, der es gehasst hat, wenn Schüler “halt” oder “eben” gesagt haben. Er hat eine Strichliste geführt und irgendwann Geld von einem einkassiert. Für Kuchen. Dieser Lehrer steht auch auf meiner ersten Liste. Im Ozean könnte ich den nicht gebrauchen. Man kann ja nicht reden. Schließlich ist man unter Wasser. So würde ich bestimmt nicht an Geld kommen. Oder Kuchen. Wasserfester Kuchen wäre auch etwas Feines.

Was ich noch nachforschen muss, ist die Sache mit meinem Fahrrad. Kann ich auf dem Ozeangrund mit dem Fahrrad herumfahren, wenn ich mit Hilfe von Gewichten das Auftauchen verhindere? Oder würden mir aufgrund des Drucks die Reifen platzen? Funktionieren Luftpumpen im Ozean? Bestimmt nicht. Ich habe schon einmal von Wasserpumpen gehört. Die pumpen Wasser aus vollgelaufenen Kellern. Pumpen die auf Luft in leergedrückte Reifen? Oder könnte ich die Reifen einfach mit Wasser füllen und das Problem somit vollständig umgehen? Ach nein, das geht ja auch nicht. Wasserreifen kenne ich aus dem Schwimmbad. Die schwimmen immer oben. Oder waren das Schwimmreifen? Wäre logischer. Vielleicht sollte ich das mit dem Fahrrad auch einfach lassen. Das würde sowieso rosten. Nein, würde es nicht. Es rostet ja nur wer rastet. Und Fahrradfahren ist definitiv kein Rasten. Eher Rasen. Käme ich überhaupt schnell vorwärts? Der Wasserwiderstand dürfte auf dem Boden des Ozeans nicht zu verachten sein. Genauso wie der Druck. Kompliziert. Also doch kein Fahrrad. Kommt gleich auf Liste Nummer eins. Unter die Hüpfburg. Schade irgendwie. Dass man im Ozean nicht hüpfen kann bringt nun wirklich keinerlei Vorteile mit sich.

Aber ich sollte positiv denken. Ohne Fahrrad muss ich mir wenigstens nicht die ganze Zeit über Gedanken machen, wo ich es abends abstelle, damit es nicht geklaut wird. Wenn ich kein Fahrrad besitze, kann mir auch keins gestohlen werden. Ha! Na also. Tschüss, Fahrrad. Du kannst mir gestohlen bleiben.

Was auch toll ist am Ozean: Die Fische! Ich mag Tiere. Und ich mag es ruhig. Fische sind ruhig. Wale nicht so sehr. Aber die singen nur. Im Fernsehen klingt Wahlgesang immer total beruhigend. Wale sind das Gegenteil von Hähnen. Hähne wecken einen, Wale singen einen in den Schlaf. Letzteres ist mir da definitiv lieber. Genauso wie Regen. Ich mag Regen. Wenn es regnet, gehe ich gerne spazieren. Im Ozean regnet es quasi immer. Der perfekte Ort für jemanden wie mich. Da wird man dann von den Fischen um einen herum auch nicht so schräg angesehen. Fische können schließlich nicht schräg gucken. Haben ja keinen Hals. Das habe ich mal in einem Fachmagazin gelesen. Glaube ich. Nein, Moment, da ging es gar nicht um Fische, sondern Designerstühle. Naja. Macht ja nichts. Flaschen haben Hälse. Und eine geöffnete Flasche ist im Ozean immer voll!

Das Wetter im Ozean ist jedenfalls stets gleich. Eine schöne Vorstellung. Man ist endlich nicht mehr von Leuten umgeben, die wegen des Wetters jammern. Zu warm? Zu Kalt? Zu trocken? Zu feucht? Nicht im Ozean! Hier ist es immer gleich. Zumindest ganz weit unten. Da wo ich hinwill. Kann man eigentlich noch von Wetter reden, wenn es sich nie ändert? Ist der Begriff dadurch nicht hinfällig geworden? Man fragt Menschen ja auch nicht nach ihrer Atomzusammensetzung. Die ändert sich ja auch nie. Also im Sinne von sichtbar. Natürlich fällt da immer mal was ab. Aber das merkt ja niemand. Ein Mensch ist immer fest. Außer er schmilzt. Aber das kommt auch nicht so häufig vor. Ist jetzt auch egal. Im Ozean gibt es kein Wetter. Und im Ozean hört dich auch niemand schreien. Weil du es nicht kannst. Außer du bist ein Wal. Aber die singen eher. Schreien Wale, wenn sie Schmerzen haben? Das wird mir hier zu düster. Ob ich eine Lampe mitnehmen sollte?

Nein, Blödsinn. Ich habe noch nie einen Fisch gesehen, der mit einer Taschenlampe herumschwimmt. Oder eine Kerze dabei hat. Also wird man wohl gut sehen können im Ozean. Die Natur ist mir Beweis genug.

Nun gut. Dann kann ich ja jetzt aufbrechen. Ich habe und weiß alles, was ich brauche. Alles außer wasserfestes Brot. Da das aber der einzige Punkt auf meiner Mitnehmliste war, habe ich sonst alles. Ich glaube, dass ich auch ohne Brot gut über die Runden kommen werde. Man kann sich ja von Fischen ernähren. Die gibt es im Ozean ja bekanntlich zu genüge. Vielleicht fange ich mir auch einen Wal und lebe mehrere Wochen lang von seinen enormen Fleischbergen. Eine schöne Vorstellung.

Jetzt aber schnell. Mein Taxi kommt gleich. Wenn meine Berechnungen stimmen, bin ich in drei Tagen im Ozean und lasse es mir gut gehen.

Genürsel 2013 - 33/52 - Ozean

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