Nur die Wenigsten wissen, dass die Hälfte meiner Schädeldecke aus Metall besteht. Nach einem recht unglücklichen Unfall, in den mein Kopf, eine Tischkante und die Schwerkraft involviert waren, zerbrach so ziemlich alles in meinem Oberstübchen, was zerbrechen konnte. Am Ende hatten ein paar Ärzte das Vergnügen, mir eine Art Wellblechdach in den Schädel zu implantieren, um mein Gehirn vor Regen zu schützen. Ich war durch den Unfall zwar nicht aus Zucker, dafür aber oben offen, was auch nicht wirklich gut mit Regenwetter harmonierte. Nachdem das Richtfest gefeiert worden war und man auf der Metallplatte Kopfhaut und Haare angesiedelt hatte, stellte sich glücklicherweise heraus, dass man den Schaden von außen nur sehen würde, wenn man gezielt nach ihm sucht. Das freute mich.
Nun bringt eine Metallplatte einige Vorteile mit sich. Dass ich schon bald als Superheld durch die Frankfurter Straßen zog, erklärt sich von selbst. “Soll man doch mit Baseballschlägern auf mich eindreschen. Solange man dabei meinen Kopf trifft, passiert mir ja nichts.” Das dachte ich damals. Als mein erster Kampf mit einem gebrochenen Arm endete, hängte ich meine Heldenmaske an den Kleiderhaken und warf diesen mitsamt Kleiderständer und einem Eimer Zement in die Nidda. Den Kleiderständer kann man dort heute noch stehen sehen. Ein paar Frankfurter kämpfen gerade darum, ihn als Kunstwerk aus der Nidda zu entfernen und auf einer Müllhalde auszustellen, doch irgendwie weiß ich nicht, ob das die richtige Behandlung für den Maskenhaken wäre. Vielleicht sollte man ihn einfach wegwerfen. So toll ist er nun auch wieder nicht.
Auf jeden Fall nicht so toll wie meine Metallplatte. Die mag ich. Sehr. Außer an den Tagen, an denen es unter ihr juckt. Da kann man nichts anderes machen, als es zu ignorieren oder mit einer Gabel auf der Kopfhaut herumzukratzen. Macht man das lange und feste genug, erzeugt man dadurch Klänge, die an Fingernagelquietschen auf Schultafeln erinnern und mindestens genauso angenehm sind. Aber sie helfen gegen das Jucken. Nicht nur die Töne, sondern auch das dabei erzeugte Gefühl. Es ist das Fingernagelquietschgefühl, nur eben im Kopf. Im Kopf! Quietsch! Danach juckt erst einmal gar nichts mehr. Das sollte ich vielleicht mal als Haushaltstipp auf Haushaltstippseiten veröffentlichen. Oder Gesundheitsberatungsseiten. Wer weiß, wie viele Menschen dort draußen schon durchgedreht sind, weil es in ihrem Tassenschrank juckt und sie die Tür nicht aufbekommen.
Aber lasst uns doch weiter über richtige Vorteile reden. Ich schreibe gerne und viel. Wie jeder, der seiner Kreativität freien Lauf lässt, werde ich hin und wieder gefragt, wie ich nur immer auf diese Ideen komme. Bisher habe ich immer gelogen. Ich sagte, die Ideen würden halt kommen und dass man Kreativität üben kann, indem man sich jeden Tag zu kreativen Handlungen zwingt. Langsam ist es wohl an der Zeit, die Wahrheit zu erzählen. Meine Kreativität verdanke ich nicht meinem Durchhaltevermögen und hartem Training, sondern gezielten Schlägen auf meine Metallplatte.
Eines Tages saß ich zu Hause vor meinem Rechner und wollte etwas schreiben, wusste aber nicht, worüber. Ich überlegte und überlegte, mir fiel aber nichts ein. Ich wurde sauer, griff zu der auf meinem Schreibtisch stehenden Colaflasche und schlug sie mir an den Schädel. Das mache ich manchmal. Einfach irgendwie gegen den Kopf schlagen. Das hilft zwar nicht bei Problemen, es fühlt sich aber so an, als würde man seinem Kopf sagen, dass er aufwachen soll. Normalerweise führe ich das Klopfen mit Wasserflaschen aus. Die sind nämlich aus Plastik. Das knackt beim Aufprall immer so lustig. Durch einen dummen Zufall hatte ich aber nur eine Colaflasche in Reichweite stehen. Und diese war aus Glas. Dank meiner Metallplatte spürte ich bis auf die Aufprallerschütterung nichts von der Flasche. Sie explodierte einfach in unzählige Scherben, die auf den Boden fielen und dort von Kakerlaken gefressen wurden. Als diese durch das Glas im Magen explodierten, freute ich mich und schrieb einen Text über Gulaschsuppe, weil mir zu diesem Thema plötzlich total lustige Dinge eingefallen waren.
Am Ende vermutete ich, dass diese Ideen von der Erschütterung verursacht wurden. Nach einigen weiteren Test voller Scherben, Blut und verlorenem Pfandvermögen stellte sich heraus, dass ich durch gezielte Schläge gegen meine Metallplatte Ideen produzieren konnte. Die Vibrationen meiner Metallplatte brachten mein Gehirn in Wallungen und regten es zu abwegigen Denkprozessen an. Mittlerweile habe ich immer einen kleinen Panzerstahlhammer dabei, mit dem ich mir jederzeit Kreativität einhämmern kann. Und es hilft! Ich bin dadurch unglaublich reich geworden!
Natürlich habe ich noch viele interessante Geschichten über meine Metallplatte zu erzählen. Ich möchte an dieser Stelle aber nur noch eine von ihnen wiedergeben: Ich habe gar keine Metallplatte in meinem Kopf. Aber ich denke gerne darüber nach, was wäre, wenn dem so wäre.