FINDSPIRATION – Mumie, Hacke, Reis, Gefängnis (2024-007)

In dieser Reihe lasse ich mir vier zufällige Begriffe von meiner Internetseite FINDSPIRATION.net anzeigen, um direkt im Anschluss einen kurzen, handschriftlichen Text zu schreiben, der diese Begriffe verarbeitet. Das Ganze nehme ich auf und schneide es zu einem kurzen Video zusammen, in dem man einerseits sieht, wie ich den Text schreibe, ihn gleichzeitig aber auch in seiner finalen Fassung von mir vorgelesen bekommt. Mit einem Klick auf das folgende Bild gelangt ihr zum Video. Solltet ihr kein Interesse an dem Video haben, könnt ihr den Text auch einfach unter dem Bild lesen.

Manfred mochte die Tage auf dem Reisfeld. Wenn man im Gefängnis saß, freute man sich über jeden Tag, den man draußen verbringen durfte. Auch wenn das bedeutete, mit einer Hacke auf dem Acker zu stehen, um diesen auf die Aussaat vorzubereiten. Die Arbeit war anstrengend und er wusste, dass man sie eigentlich längst mit Maschinen umsetzen konnte. Aber natürlich interessierte das im Gefängnis niemanden. Die Leute mussten schließlich beschäftigt werden und von der Arbeit ermüdete Insassen machten abends, wenn sie wieder in ihren Zellen saßen, weniger Stress. Eine gute Sache eigentlich.

Manfred machte all das wenig aus. Er hatte schon immer viel draußen gearbeitet, gehackt und gebuddelt. Vor seinem Gefängnisaufenthalt war er als Archäologe tätig gewesen und hatte zuletzt in Ägypten nach alten Gräbern Ausschau gehalten. Eigentlich hatte er sich dabei auch nie etwas zu Schulden kommen lassen, immer vorbildlich gearbeitet und nie etwas gestohlen.
Bis auf dieses eine Mal.

Dieser eine verfluchte Tag, der ihn seine Karriere und vor allem seinen guten Ruf gekostet hatte.

Der Ring.

Dieser verdammte Ring.

Er hatte mit seinem Team ein kleines Grab gefunden. Nichts Besonderes oder Spektakuläres. Ein Grab, ein Sarkophag, eine Mumie, keine Schätze. Bis auf diesen einen Ring, der sich, warum auch immer, an den einbalsamierten Fingern der Mumie befunden hatte. Alleine jeden Finger einzeln mit Verbänden zu umwickeln war ungewöhnlich gewesen. Aber dann auch noch einen Ring daran zu befestigen? Merkwürdig. Und noch viel merkwürdiger war es, als man am Flughafen in einer seiner Jackentaschen diesen Ring gefunden hatte.

Er konnte sich nicht daran erinnern, ihn überhaupt angefasst zu haben. Er wusste nicht, was geschehen war. Aber natürlich glaubte man ihm nicht und steckte ihn ins Gefängnis.
Und jetzt stand er hier und hackte.

Es war heiß. Die Sonne stand hoch am Himmel. Und darum sah er den Schatten erst, als es zu spät war. Niemand sonst konnte die Mumie erkennen, die direkt vor Manfred zum Stillstand gekommen war. Es war, als würden gerade alle Insassen um ihn herum zufällig in eine andere Richtung gucken.

Als Manfred der Mumie in die Augen sah, erstarrte er.

Die Mumie bewegte ihre rechte Hand nach vorne. Sie hielt Manfred den Ring hin. Er wusste nicht mehr, was er tat. Er hatte die Kontrolle über seinen Körper verloren. Er nahm den Ring und steckte ihn sich an den Finger. Dann ging alles ganz schnell.

Er wurde schwächer und schwächer, sein Körper trocknete aus und aus dem Ring erschienen Bandagen, die sich ganz von allein um seinen Körper wickelten. Am Ende fiel er auf den Boden.

Der Mann, der aussah wie Manfred, schaute auf die vor ihm auf dem Boden liegende Mumie hinunter. Er grinste. Endlich war er frei. Er wandte sich ab und ging. Niemand beachtete ihn. Niemand hielt ihn auf. Niemand vernahm die Schreie, die aus dem Innern der Mumie erklangen.

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