Karneval. Eine Zeit, die ich nur zu gerne ignoriere und umgehe. Ich freue mich immer auf den Tag, an dem heulende Narren traurig nach Hause gehen und bedauern, dass die Zeit ihrer Freude vorbei ist. Sie müssen von nun an den Kamm der Trübsal blasen, bis ihnen vom Kalender der Lebensfreude endlich wieder gestattet wird, fröhlich zu sein.
Bei mir ist das genau anders herum: Ich bin glücklich, wenn alles vorbei ist. Leider nur für einen kurzen Augenblick. Dann was beginnt, wenn das Karnevalschaos vorbei ist? Die Fastenzeit. Während ein Teil der Menschheit einen Kalender benötigt, um fröhlich zu sein, benötigt der andere Teil einen Kalender, um abzunehmen.
Anstatt einfach den Entschluss zu fassen, sich durchgängig gesünder zu ernähren, wird bis zur Fastenzeit gefressen, gestopft und gekotzt, bis der eigene Bauch eine perfekte Kugel bildet und man sich selbst als Sitzball an Gymnastikgruppen überarbeiteter Büroangestellter vermieten kann.
Dann aber kommt endlich die Fastenzeit. Man denkt kurz nach, sieht in den Spiegel und dort den Menschen vor lauten Bäuchen nicht. Es ist Zeit. Zeit zur Aufgabe der Genussmittel.
Grundsätzlich ist es mir egal, wenn ein paar Menschen der Meinung sind, plötzlich so gut wie gar nicht mehr essen zu müssen. Leider schaffen es aber viele nicht, neben der Untersagten Aufnahme auch die Ausgabe zu stoppen. Sie bekommen den Mund zwar nicht mehr voll, müssen ihn aber dennnoch leeren. Und zwar verbal. Jedem wird vom Fasten und den damit verbundenen Qualen erzählt.
“Herrjeh. Der erste Tag war so schlimm. Keine Belohnungen mehr mit Schokolade und Gummibärchen. Harte Sache.” Diese Aussage durfte ich heute zum Beispiel vernehmen. Es ist sehr interessant, dass es da draußen Menschen gibt, die sich selbst mit Schokolade belohnen. Ich muss an Hunde denken, die dressiert werden sollen und mit Leckereien geködert werden. Menschliche Selbstdressur war mir bisher zwar noch kein Begriff, vielleicht sollte ich aber auch mal damit anfangen. Ob ich wohl regelmäßiger spüle, wenn ich mir danach eine Tüte Chips verspreche? Mal ausprobieren.
Ein weiterer großartiger Satz ist folgender: “Ich habe immer sehr viel Cola und Fanta getrunken. Das lasse ich während der Fastenzeit und trinke stattdessen häufiger Fruchtsäfte und ähnlich gesundes Gesöff. Und ich war erstaunt: Es schmeckt gar nicht schlecht!”. Der Wahnsinn! Ich sehe schon die Überschriften in den Zeitungen: “Sensationelle Entdeckung: Fruchsäfte schmecken gar nicht schlecht!”. Sind die Menschen wirklich so kurzsichtig, dass sie glauben, gesunde Dinge würden nicht gut schmecken? Sind es nicht eigentlich immer Kinder, die berauscht durch Suchtmittel den Geschmack gesunder Dinge herunterspielen, um möglichst viel Zucker in sich aufzunehmen? Haben ein paar erwachene Menschen dieses Denkstadium tatsächlich noch nicht überwinden können? Und ist diese Feststellung für sie wirklich etwas so besonderes, dass sie es in die Welt hinausbrüllen müssen?
Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten kann. Ich trinke häufig diese ominösen Fruchtsäfte. Und Salat esse ich auch. Und das ohne anschließende Ekelgefühle und Brechreize. Ich esse auch kaum noch Chips und ähnliches. Warum auch? Muss man schließlich nicht den ganzen Tag. Schreibe ich deswegen seitenlange Berichte, in denen ich mich deswegen lobe und meinem Umfeld meine uninteressanten Erkenntnisse mitteilen muss? Nein. Aber ich faste ja auch nicht.
Ich freue mich auf das Ende der Fastenzeit. Ich sehe eine Gruppe Strichmännchen, die schreiend auf eine Wiese rennt und sich sabbernd in einer Kuhherde verbeißt. Schließlich soll sich das Fasten ein Jahr später auch wieder lohnen.